Hohe Abwanderung aus der Schweiz – Dozent erklärt, was dahintersteckt
«Viele sehen die hohen Löhne und schätzen die Kosten völlig falsch ein»

Die Schweiz bleibt ein beliebtes Auswanderungsziel, doch die Zahl der Rückkehrer steigt. Ein Hochschuldozent erklärt, warum viele Einwanderer scheitern: Unrealistische Erwartungen und hohe Lebenshaltungskosten spielen eine grosse Rolle.
Publiziert: 27.10.2025 um 20:02 Uhr
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Aktualisiert: 27.10.2025 um 20:08 Uhr
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Bis August haben 68'000 Menschen die Schweiz verlassen.

Darum gehts

  • Schweiz ist ein beliebtes Auswanderungsziel
  • Aber auch die Rückwanderungsquote ist sehr hoch
  • Unrealistische Erwartungen führen oft zur Rückkehr in die Heimat
  • Bis August haben bereits 68'000 Menschen die Schweiz verlassen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Martin SchmidtRedaktor Wirtschaft

Hohe Löhne, Sicherheit und eine gute Infrastruktur: Die Schweiz ist nach wie vor ein beliebtes Auswanderungsziel. Doch während die Zuwanderung derzeit leicht rückläufig ist, steigt die Zahl der Rückkehrer deutlich an. Sie liegt seit Jahresbeginn so hoch wie nie in den letzten zehn Jahren, wie das aktuelle Immobilienbarometer der Zürcher Kantonalbank jüngst gezeigt hat. 

Trotz der hohen Lebensqualität zählt die Schweiz zu den Ländern mit der höchsten Rückwanderungsquote. «Das hängt oft mit einer unrealistischen Erwartungshaltung zusammen. Viele Menschen, die in die Schweiz ziehen, informieren sich kaum über die tatsächlichen Verhältnisse», sagt Rödiger Voss (56).

Deutsche auf Platz 1

Voss ist mit seiner Familie selbst vor 18 Jahren aus Deutschland in die Schweiz gezogen – erst nach Zürich, mittlerweile wohnt er im Kanton Thurgau. Aus dem nördlichen Nachbarland kommt seit Jahren die grösste Zuwanderergruppe in die Schweiz. In den letzten Jahren kamen jeweils rund 25'000 Personen. Es kehren aber auch fast halb so viele wieder zurück.

Voss ist Betriebswirtschaftler und Wirtschaftspädagoge und doziert an der Kalaidos Fachhochschule Schweiz und ist als Wissenschaftscoach tätig. In seinem Berufsumfeld hat er mit vielen Einwanderern zu tun. «Viele sehen nur die hohen Löhne und schätzen die Lebenshaltungskosten völlig falsch ein», sagt er.

Hohe Mieten und Betreuungskosten

Er hat dem Thema jüngst einen Blogbeitrag auf dem Businessportal Linkedin gewidmet. Darin schreibt er, dass die Mieten in Metropolen wie Zürich oder Genf immens sind. Bereits für eine 2-Zimmer-Wohnung können leicht mehr als 3000 Franken anfallen. Hinzu kommen deutlich höhere Kosten für Lebensmittel, Versicherungen und Kita-Plätze. «Allein die Kinderbetreuung kann leicht 2000 Franken pro Monat kosten. Und das bei einem Kind. In Deutschland ist die Betreuung praktisch geschenkt», so Voss. Für Topverdiener mag das aufgehen. Bei allen anderen bleibt plötzlich vom schönen Lohn gar nicht so viel übrig, wie erwartet. 

Weil der Wirtschaftsmotor in Deutschland ins Stocken geraten ist, liebäugeln gemäss Umfragen dort derzeit viele gut qualifizierte Arbeitskräfte mit dem Gedanken, ihre Heimat zu verlassen. «Ich habe in letzter Zeit viele Anfragen erhalten, wie es denn in der Schweiz so ist. Ich kenne aber auch viele Fälle, in denen die Einwanderung in die Schweiz gescheitert ist», erzählt Voss. So sei ein Akademikerpaar während der Schwangerschaft wieder zurück nach Deutschland gezogen, weil dort der Mutterschaftsurlaub und allgemein die Elternzeit deutlich mehr Freiraum bietet, sich um den baldigen Nachwuchs zu kümmern – und es in der Schweiz keinen nennenswerten Vaterschaftsurlaub gibt.

Kleiner Kulturschock trotz Nähe

Auch sonst kann der Umzug trotz geografischer Nähe und ähnlicher Sprache ein kleiner Kulturschock sein: «Schweizerinnen und Schweizer sind oft etwas zurückhaltend, was die Integration erschwert. Man muss sich schon einbringen, damit man Anschluss findet», so Voss, der vor vier Jahren das Schweizer Bürgerrecht erworben hat. Wem das nicht gelinge, fühle sich isoliert. Weitere Unterschiede seien die oftmals längeren Arbeitszeiten und weniger Urlaubstage.

Doch auch in der Schweiz hat sich der Stellenmarkt stark abgekühlt. Das erklärt die geringere Zuwanderung, aber auch das 10-Jahres-Hoch bei der Abwanderung. So kann ein Jobverlust zum Problem bei der Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung werden. Bis August haben bereits 68'000 Menschen die Schweiz verlassen.

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