Darum gehts
Das gibt es selten: Vater und Sohn sprechen ganz persönlich über Erfolg, Misserfolg, Motivation und Unternehmertum. Hier blicken Willi Glaeser (85) und Sohn Marc Gläser (57) auf ihre gemeinsame Reise zurück. Willi Glaeser, bekannter Designer, Entwickler und Gründer des Möbelherstellers WOGG, und sein Sohn Marc, heute Chef des erfolgreichen Skiproduzenten Stöckli.
Sie teilen ihre Erfahrungen, Herausforderungen und die Werte, die sie geprägt haben. Ein Gespräch über Familie, Tradition und die Leidenschaft, immer wieder Neues zu wagen.
Der Vater heisst Glaeser, der Sohn Gläser. Wie kommt das?
Willy Glaeser: Wir haben früher einen Schreinerei-Innenausbaubetrieb in Baden-Dättwil betrieben. Damals gab es noch zwei Fensterfabriken in der Gegend. Aber weil wir Gläser heissen – die Mehrzahl von Glas – kamen alle zu uns, um ihre Scheiben oder Fenster reparieren zu lassen. Ich habe das irgendwann abgeschafft. Mein Grossvater hat sich auch mit ‘ae’ geschrieben. Ich war überzeugt, dass ich die Freiheit habe, die Verwechslung auszuräumen. Also haben wir den Namen geändert.
Marc Gläser: Ich dachte immer, ihr habt das ae wegen des Internets genutzt. Aber ich finde es trotzdem künstlich. International ist es oft mühsam, weil viele nicht wissen, wie man es ausspricht. Aber es hat auch Vorteile.
Willy Glaeser: Ich habe das ae durchgesetzt, sogar mit einem Regierungsratsbeschluss. Eine Namensänderung, die auch meine Nachkommen nutzen könnten – wenn sie wollten.
Marc Gläser: Ich finde es bemerkenswert, wie du das durchgezogen hast. Aber ich habe immer noch Mühe damit. Es ist halt etwas ungewöhnlich. Mir gefallen die zwei Punkte auf dem a. Es hat etwas schweizerisches, authentisches!
Dieser Artikel wurde erstmals im Angebot von handelszeitung.ch veröffentlicht. Weitere spannende Artikel findest du unter www.handelszeitung.ch.
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Sie haben unterschiedlich geschriebene Namen, sind aber beide Unternehmer. Beeinflussen Sie sich?
Willy Glaeser: Der Einfluss eines Vaters auf seinen Sohn findet statt, wenn das Kind noch klein ist. Bei uns war das Motto: «Alles anders, nichts gleich, nichts bünzlig.» Wenn wir merkten, dass es zu bürgerlich wurde, machten wir bewusst etwas anderes. Wir reisten zum Beispiel nach Bulgarien, um Ski zu fahren - damals ungewöhnlich.
Marc Gläser: Bis ich 16 war, hatte ich sehr positive Erinnerungen an dich. Du warst für mich das grosse Vorbild. Unternehmer, Abenteurer, bei dir war alles möglich. Ich war stolz, dein Sohn zu sein. Du warst präsent, trotz deines 24/7-Jobs. Ich ging mit dir samstags in die Firma, öffnete die Post, baute Stühle zusammen. Ich bekam deinen unternehmerischen Geist mit. Für mich war damals das Leben voller Möglichkeiten und unbeschwert. Und es war für mich klar: eines Tages werde ich diese Firma übernehmen, Chef sein und exakt ein solches Leben führen.
Willy Glaeser: Ich habe dir nie gesagt, dass du das Geschäft übernehmen musst.
Marc Gläser: Aber ich wurde als Nachfolger gehandelt. Es war dein Wunsch, auch wenn du es nicht direkt gesagt hast. Nach meinem Studium an der HSG hast du wieder Einfluss auf mein Leben genommen. Ich wollte eigentlich in den Private-Equity-Bereich gehen. Und dann kamst du und sagtest: Du musst ins Marketing. Dein Wunsch war, dass ich deine wichtigste Firma, die Perle in deinem Firmen-Portfolio übernehme: deine heissgeliebte WOGG.
Willy Glaeser: Bei dir kam mit 16 der Kipppunkt?
Marc Gläser: Ja. Heute denke ich, dass es ein normaler und auch gesunder Prozess ist, wenn der Sohn etwas Abstand zum übergrossen Vater nimmt. Ich habe damals als Schreiner geschnuppert und gerne und viel bei dir in der Schreinerei gearbeitet. Du hast gesagt, ich sei handwerklich begabt.
Willy Glaeser: Du warst viel begabter als ich!
Marc Gläser: Aber du hast eine Schreinerlehre bei dir in der Firma kategorisch ausgeschlossen. Also ging ich bei anderen Firmen schnuppern, aber diese waren langweilig im Vergleich zu deinem Unternehmen. Bei dir war Action, neun Lehrlinge, eine coole, dynamische Fabrik.
Willy Glaeser: Du hast mich unter Druck gesetzt, bist zur Nachbarunternehmung gegangen, weil der zwei Franken mehr in der Stunde bezahlte. Ich gab nicht nach, und du bist gegangen. Ich musste zusehen, wie du auf den Dächern rumturntest.
Marc Gläser: Es waren nicht nur finanzielle Gründe. Ich wollte auch mal was anderes erleben. Ich bereue es nicht. Ich bin froh, dass ich keine Schreinerlehre gemacht habe.
Willi Glaeser: Du hast dann die Matur über den Umwege gemacht. Du hast gemerkt, dass du arbeiten musst, um Erfolg zu haben.
Marc Gläser: Ja, das hat mich geprägt. Ich habe sehr viel gearbeitet. Mit 18 bekam ich eine Lungenentzündung, die fast tödlich endete. Ich lag für zwei Wochen im künstlichen Koma. Als ich aufwachte, war mir klar: Ich will eine Matur, ich will studieren, ich will etwas in meinem Leben erreichen. Das war eine Eingebung und der grosse Wendepunkt meines Lebens.
Willi Glaeser: Wir haben dieses süddeutsche «Schaffe, schaffe, Häusle baue»-Gen in uns.
Marc Gläser: Du hast uns vorgelebt, dass das Unternehmen 24/7 läuft.
Jeden Tag 24 Stunden und 7 Tage die Woche. Wie haben Sie zusammen gearbeitet?
Willi Glaeser: Ich habe die Schreinerei zu einem exportierenden Betrieb gemacht. Die Leute sagten, ich spinne, Schreinerarbeiten nach Deutschland zu exportieren. Aber seitdem exportieren wir. Ich bin schnell über Deutschland hinausgegangen, nach Libyen, habe Ghaddafi ein Büro gebaut. Das war grossartig… Wir stellten dann zusammen bei der Firma WOGG fest, dass es miteinander nicht geht. In dieser Umgebung bei WOGG fand mein Sohn nicht statt. Er interessiert sich nicht oder zu wenig für die Geschichten, welche in der Branche interessierten.
Marc Gläser: Natürlich gab es in dieser WOGG-Phase schwierige Momente auf der persönlichen Ebene. Ich habe mich zu wenig unterstützt und verstanden gefühlt von meinem Vater. Ich war zwar VRP , aber mein Vater war Entwicklungschef und liess sich nicht reinreden. Ich hatte Ideen, von denen ich auch heute noch sage, die wären nicht so schlecht gewesen: Kombinationen von Materialen und anderes, mit dem ich bei meinem Vater auf Granit biss. Sein Motto war: Ich entwickle die Möbel und du verkaufst sie.
Heute sind Sie, Herr Gläser, Chef von Stöckli.
Marc Gläser: Ich glaube, das ist etwas vom Besten, was mir passieren konnte. Stöckli war vor elf Jahren ein Restrukturierungsfall. Jetzt kann ich hinstehen und sagen: We did it and we did it great. Es ist ein unglaublicher Erfolg, es ist etwas, das die Leute interessiert. Von der Restrukturierung mit Stillhalteabkommen mit den Banken, über die Transformation in ein nachhaltig erfolgreiches Business-Modell. Wir haben heute einen grossartigen Erfolg in allen Bereich. Von den innovativen Produkten, über den selektiven weltweiten Vertrieb, die wichtigen Stöckli-Filialen in der ganzen Schweiz bis zum unglaublichen Erfolg in Rennsport. Und dass Marco Odermatt ein echter Stöcklianer ist, rundet die Sache perfekt ab.
Willi Glaeser: Du hast eine wunderbare Karriere gemacht. Jetzt machst du deinen Weg alleine. Es gibt einen Moment, wo das Dreinreden des Vater aufhören muss.
Marc Gläser: Aber du siehst im Produktionsbetrieb und in der Entwicklung von Stöckli immer noch viel Verbesserungspotential. Das spornt mich zusätzlich an, wobei ich eine sehr hohe intrinsische Motivation habe, Zustände zu verändern, zu verbessern. Das liegt in meiner DNA.
Willi Glaeser: Es ist eine gewaltige Herausforderung, eine Firma erfolgreich zu halten. Deshalb sage ich: Ich weiss, um was es hier bei Stöckli geht, und darum kann ich auch Gesprächspartner sein. Das ist heute auch meine Rolle. Ich bin ein Gesprächspartner für meinen Sohn, nicht jemand, der es besser weiss, sondern zuhören, ergänzen oder Alternativen aufzeigen kann.
Wurden Sie vom Vater geprägt, Herr Gläser?
Marc Gläser: Ja, mein Vater hat mich stark geprägt, unternehmerisch. Er hat mir gezeigt, was ein Unternehmer eigentlich macht. Ich bin mit viel Mut, Zuversicht und Selbstvertrauen ausgestattet worden. Ich habe keine Angst vor unternehmerischen Entscheidungen. Natürlich gibt es auch bei mir Momente, wo ich zweifle und hadere. Aber im Grundsatz entwickle ich viel Mut und Zuversicht. Ich kann begeistern und inspirieren. Ich sehe das Positive, ich sehe immer das halbvolle Glas. Das habe ich in erster Linie von meinem Vater, aber auch meine Mutter war eine sehr positive Frau und starke Persönlichkeit. Sie war schon vor 50 Jahren voll berufstätig als Französischlehrerin.
Willi Glaeser: Und ich lerne von dir. Als geschäftsführender Inhaber wusste ich nichts darüber, wie man mit Vorgesetzten umgeht. Das habe ich jetzt bei meinem Sohn lernen dürfen.
Marc Gläser: Und ich profitiere noch immer von Deinem Positivismus, den Du uns immer vorgelebt hast.
Bei welchen Fragen schaffen Sie es nicht, zu einer Einigung zu kommen?
Marc Gläser: Ich rate allen Vätern: Drängt die Kinder nicht, die Firma zu übernehmen, geht nicht in diese Richtung! Wenn sich der Sohn auf die Stelle bewirbt, und sich auch durchsetzen kann, neben drei anderen Kandidaten in einem sauberen Bewerbungsprozess, dann, und nur dann, ist er möglicherweise der Richtige. Wenn einer in Dubai Karriere machen kann, wieso soll er dann eine Schreinerei in Dättwil übernehmen?
Willi Glaeser: Ich habe mich nirgends aufgedrängt. Irgendeinmal, mit 80, muss man es einfach merken: Entweder du bist gefragt oder du bleibst zu Hause.
Was zeichnet die Glaesers und Gläsers aus?
Marc Gläser: Wir haben sehr viel Energie und Leidenschaft und entwickeln Visionen. Wir können begeistern, haben Ideen. Das habe ich von dir. Wir sind beide intrinsisch motiviert. Du bist ein Unternehmer bis zum Schluss. Das hat mich am meisten geprägt. Du hast mich gefragt, als ich 12 war: «Weisst du eigentlich, was ein Unternehmer macht?» Ich sagte: «Chef sein.» Du sagtest: «Er unternimmt etwas.» Das hat mich nie losgelassen.
Willi Glaeser: Nicht einschlafen! Immer etwas machen, entwickeln, Party oder Business. Auch wir Eltern haben uns viel Freiraum gegeben, weil wir uns selbst so wichtig vorkamen. Das ist der beste Moment und die grösste Chance für ein Kind, sich selbst zu entwickeln.
Marc Gläser: Ich finde, etwas mehr Leitplanken wären gut gewesen. Wir Kinder kamen uns teilweise etwas verloren vor. Wir konnten machen, was wir wollten. Das hat uns selbständig gemacht, aber manchmal hätte ich mir mehr Interesse und Unterstützung gewünscht.
Willi Glaeser: Anders. Neu. Besser!
Marc Gläser: Genau. Das ist unser Leitmotiv auch bei Stöckli: Immer besser werden, nicht einschlafen, immer etwas entwickeln. Es kann nicht verrückt genug sein – wir können alles erreichen. Das haben wir mitbekommen. Gross denken! Mutig sein! Unternehmer sein, heisst auch mutig sein.
Willi Glaeser: Und eben das, was meine Mutter über mich geschrieben hat, fröhlich sein!
Marc Gläser: Das hat auch mich geprägt. Dein Positivismus, deine Fröhlichkeit – das war manchmal fast penetrant. Aber es hat mich beeinflusst. Ich sehe auch immer nach vorne und bin ein unverbesserlicher Optimist. Deine Benchmark war extrem hoch, die Du uns Kindern gesetzt hast; für uns, was das Leben uns bringen sollte. So langsam habe ich das jetzt auch verinnerlicht – dank Deinem ewigen Ansporn.
Willi Glaeser: Das ist gut. Leben und leben lassen.