«Für mich ist das diskriminierend»
Swiss groundet Rollstuhlfahrer mit neuer Regel

Michael Hagmann hat sich extra einen modernen Rollstuhl gekauft, der für den Flugverkehr zertifiziert ist. Dann ändert die Lufthansa-Gruppe mit der Swiss überraschend ihre Vorschriften.
Publiziert: 11.10.2025 um 15:19 Uhr
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Nicht mehr zugelassen: Der E-Rollstuhl von Michael Hagmann fällt unter eine neue Sicherheitsvorschrift der Lufthansa-Gruppe.
Foto: Armin Andres

Darum gehts

  • Swiss verbietet E-Rollstühle mit hoher Batteriekapazität in Flugzeugen
  • Scewo-Bro-Rollstuhl kann Treppen überwinden, kostet 40'000 Franken
  • Seit 2021 wöchentlich ein Zwischenfall mit Lithium-Ionen-Batterien in US-Flugzeugen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
Maria-Rahel Cano
Maria-Rahel Cano
Beobachter

Michael Hagmann, 53, liebt das Reisen. Sein Hightechrollstuhl ermöglichte ihm trotz seiner Krankheit, die Welt zu entdecken. Seit 2016 ist der IT-Spezialist aus Sevelen SG wegen einer seltenen Muskelerkrankung auf ihn angewiesen. «Ohne meinen Rollstuhl geht nichts», sagt er gegenüber dem Beobachter.

Reisefreiheit endet für E-Rollstuhl-Fahrer am Gate

Nun droht Stillstand: Da die Lufthansa-Gruppe, zu der auch die Swiss gehört, strengere Vorgaben für Lithiumbatterien einführt, bleibt dem Familienvater mit seinem E-Rollstuhl bald der Zutritt zum Flugzeug verwehrt. Sein Modell übersteigt die erlaubte Batteriekapazität deutlich.

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Um mobil zu bleiben, nutzt Hagmann den Scewo-Bro-Rollstuhl der Schweizer Firma Scewo. Das Schweizer Produkt ist das erste seiner Art, das Treppen überwinden kann.

«Ich verfüge nur noch über 15 Prozent meiner ursprünglichen Muskelzellen», sagt Hagmann. Treppensteigen sei für ihn ein Ding der Unmöglichkeit. Sein Rollstuhl sei für ihn deshalb unverzichtbar. Auf ein anderes Modell könne er so schnell kaum umsteigen: «Viele stellen sich das zu einfach vor. Der Scewo Bro kostet rund 40’000 Franken. Zwar übernimmt die IV die Kosten, doch der Prozess dafür ist langwierig und mühsam.» 

Swiss geht weiter als andere Fluggesellschaften

Die Swiss geht mit ihren neuen Regeln weiter als andere Fluggesellschaften – und sogar über die Bestimmungen der International Air Transport Association (IATA) hinaus. Die IATA betont jedoch, dass jede Airline die Vorschriften strenger auslegen darf. 

Schon länger ist bekannt: Lithium-Ionen-Batterien können im Flugzeug gefährlich werden. Laut der US-Luftfahrtbehörde FAA gibt es seit 2021 in den USA im Schnitt jede Woche einen Zwischenfall mit solchen Batterien an Bord von Passagiermaschinen. Dabei kam es zu extremer Überhitzung, Rauchentwicklung oder sogar Bränden.

Rollstuhlfirma kann den Entscheid nicht nachvollziehen

Trotzdem sorgt das Vorgehen der Swiss für Kopfschütteln: «Alle anderen Airlines erlauben den Transport des Scewo Bro», erklärt der Hersteller. Darunter seien Easyjet, Ryanair, Air France, Turkish Airlines oder KLM. 

«Die Meldung kam unerwartet und kurzfristig. Weshalb das geändert wurde, wissen wir nicht – uns ist kein einziger Vorfall mit unserem Rollstuhl bekannt», heisst es bei Scewo auf Anfrage des Beobachters. Besonders ärgerlich: Die Batterien ihres Modells sind nach den Vorschriften der IATA für den Luftverkehr zertifiziert. 

Lufthansa-Gruppe sieht sich in einer Vorreiterrolle

Bei der Swiss begründet man die neue Praxis mit einer Risikoabwägung. Lithiumbatterien seien ein «gefährliches Gut» – vor allem grosse Akkus. Bei Beschädigung oder falscher Handhabung drohe ein Brand, der kaum zu löschen sei. Die Lufthansa-Gruppe sei bei der Umsetzung dieses neuen Sicherheitsstandards führend. «Sicherheit hat für unser Unternehmen oberste Priorität», teilt die Airline mit. Wo andere Airlines für Mobilitätshilfen Ausnahmen vorsehen, bleibt die Swiss rigide: «Sonderregelungen oder Ausnahmen sind keine vorgesehen.»

Auf die Frage nach Alternativen verweist man bei der Swiss darauf, dass nicht alle E-Rollstühle von den neuen Bestimmungen betroffen seien. Die Einschränkung gelte nur für bestimmte Modelle.

Für Michael Hagmann ist dies nur ein schwacher Trost. Die neue Regelung hat für ihn eine klare Konsequenz: Seine bereits vor dem Entscheid gebuchte Reise nach Afrika wird sein letzter Flug mit der Swiss sein.

Hagmann wählt seine Worte deshalb mit Bedacht, aber die Botschaft bleibt deutlich: «Für mich ist das wirklich etwas diskriminierend.» Von der Airline hätte er sich mehr Pragmatismus gewünscht – stattdessen, sagt er, mache es sich die Swiss mit den neuen Bestimmungen «ein bisschen gar einfach».

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