«Wir setzen auch auf Frauen»
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Wer will LKW-Fahrerin werden?«Wir setzen auch auf Frauen»

Fabienne Bonini (21) fährt gegen den Chauffeurmangel an
Frauen reissen das Steuer herum

Früher waren sie die Könige der Landstrasse, heute sind sie deren Schmuddelkinder: Kaum mehr einer will als Lastwagenchauffeur arbeiten. Obwohl das Geschäft in der Schweiz boomt. Berufseinsteigerin Fabienne Bonini (21) hofft, dass das noch lange so bleibt.
Publiziert: 09.09.2019 um 23:33 Uhr
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Zuversichtlich für ihre neue Branche: Junglenkerin Fabienne Bonini.
Foto: Philippe Rossier
Konrad Staehelin (Text) und Philippe Rossier (Fotos und Video)

Luftverpester, Unfallverursacher, Lärmmonster: Das Image von Lastwagen und ihren Chauffeuren ist schlecht. «Für mich ist es trotzdem der schönste Beruf, den ich mir vorstellen kann», sagt Fabienne Bonini (21) aus Märstetten TG. «Ich bin gerne auf der Strasse unterwegs.»

Sie hat zwar schon eine Ausbildung als Automechanikerin und eine als Tierpflegerin. Trotzdem hat sie im Juni nochmals umgesattelt. Jetzt lässt sich die junge Frau bei der Hugelshofer Gruppe in Frauenfeld zur Lastwagenchauffeurin ausbilden. Als BLICK sie auf dem Firmenparkplatz besucht, sagt sie: «Mich haben Trucks schon als Kind fasziniert. Jetzt packe ich meine Chance.»

Frauenberuf LKW-Chauffeurin?

Der Mann, der sie ihr gibt, heisst Martin Lörtscher (47). Er ist CEO und Mitbesitzer der Speditionsfirma, der grössten in der Region. Er tut es nicht aus Wohltätigkeit, sondern weil seine Firma dringend Nachwuchs braucht: «Die Branche ist in den letzten Jahren enorm gewachsen, es herrscht Fahrermangel.»

Das grösste brachliegende Potenzial sieht er bei den jungen Frauen. Berufseinsteigerin Bonini: «Natürlich werde ich von einigen Männern auf der Strasse dumm angeschaut. Aber mir macht das nichts aus – ich weiss, dass ich es kann.»

Seit Jahren bildet Lörtscher Jungfahrer in einem viermonatigen Programm aus. Dann sollen sie reif sein für die Prüfung der Ausweiskategorie C. Die Ausbildungskosten übernimmt Hugelshofer. Dafür müssen sich die Fahranfänger verpflichten, im Anschluss zwei Jahre für das Unternehmen zu fahren. Ansonsten würde die Ausbildung rund 15'000 Franken kosten.

Bisher startete pro Monat ein Neuer die Ausbildung, dieses Jahr will Lörtscher das Programm so ausbauen, dass vier pro Monat anfangen. Viele grössere Spediteure, seien es Planzer aus Dietikon ZH oder Galliker aus Altishofen LU, bieten bereits solche Kurse an, um dem LKW-Fahrermangels entegenzuwirken.

3000 neue C-Ausweise im Jahr

Lörtscher: «Lastwagenfahrer ist nach wie vor für viele ein faszinierender Beruf. Wir müssen dafür sorgen, dass er attraktiv genug bleibt.» Oft sind es auch die Arbeitszeiten, die vielen Jungen nicht passen. Die Mehrzahl der Spediteure in der Schweiz fährt frühmorgens los – man denke an Lebensmitteltransporte, aber auch an die Müllabfuhr.

LKW verursachen zwar auf den gefahrenen Kilometer nicht nur halb so viele Personenschäden wie PKW, sie stossen laut einer Studie von 2017 auch deutlich weniger Stickoxide aus. Doch an vielen scheint das vorbeigegangen zu sein.

Die Gretchenfrage ist aber die Lohn- und Arbeitsplatzsicherheit. «Die Grenzgänger wirbelten in den letzten Jahren den ganzen Markt durcheinander», sagt David Piras (51), Generalsekretär der Chauffeurvereinigung Les Routiers Suisses.

Ist ein Schweizer Chauffeur seit ein paar Jahren im Geschäft, verdient er im Monat 5300 bis 5500 Franken. «Ein Slowake, der drei Wochen in der Schweiz in einer WG wohnt und dann für eine Woche heimfährt, ist schon mit 3000 Franken hochzufrieden», warnt Piras.

«Nach Gesetz müssten sie ein Mal pro Woche nach Hause, doch kontrollieren kann das keiner. Schon klar, setzen einige Speditionen vermehrt auf solche Ausländer.» Die Zahlen dazu: Pro Jahr werden rund 3000 europäische Kategorie-C-Ausweise in schweizerische umgetauscht. In der Schweiz gibt es gut 50'000 Lastwagenfahrer.

«Es wird immer Schweizer Chauffeure brauchen»

Die Branche kennt keinen Gesamtarbeitsvertrag, der die Löhne schützen würde, aber immerhin regionale Vereinbarungen zwischen Routiers Suisses und dem Nutzfahrzeugverband Astag. Sie beinhalten unter anderem einen unverbindlichen Mindestlohn oder eine Ferienregelung für die Chauffeure.

«Für ganz viele Arbeiten wird es sowieso immer lokale Chauffeure brauchen, die sich mit den Gegebenheiten vor Ort auskennen und gut Deutsch können», versucht Piras die Sorgen um die Zukunft des Schweizer Chauffeurs aus der Welt zu räumen.

Jungchauffeurin Bonini hat diese Sorgen nicht: «Es können günstigere Ausländer kommen oder die Digitalisierung – der Beruf ist so komplex, dass es auch immer gute Schweizer Chauffeure brauchen wird.»

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