Darum gehts
Schaut man sich im Supermarkt um, könnte man meinen, wir würden alle unter chronischem Schlafmangel leiden. Wachmacher füllen ganze Regalwände. Energydrinks, Kaffeegetränke, Mate-Tees, Guarana-Drinks, Wasser mit Koffein. Die Produkte versprechen viel: «high Performance» oder «top Speed», sollen «super active» machen oder «rechargen».
Inzwischen gibt es sogar Chips, die mit Koffein versetzt sind, oder auch Nahrungsergänzungsmittel und Kaugummis. Die Lebensmittelindustrie hat nach dem Hype um Protein-Shakes und Co. nun offensichtlich ein neues Geschäftsmodell gewittert.
Herzrasen, Schlaflosigkeit
Doch dieser Hype ist nicht ungefährlich. Denn Koffein macht zwar wach und soll die Leistungsfähigkeit steigern. Doch bei Überdosierung kann der Aufputscher auch zu Herzrasen, Nervosität, Übelkeit, Zittern, Schlaflosigkeit oder Bluthochdruck führen.
Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.
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Bei Erwachsenen gilt eine Dosis von 200 Milligramm Koffein als gesundheitlich unbedenklich. Das entspricht je nach Grösse etwa zwei Tassen Kaffee, ein bis zwei Dosen Energydrink, vier Tassen Tee oder fünf Dosen Cola. Über den Tag hinweg sollten 400 Milligramm Koffein nicht überschritten werden.
Grenze schnell überschritten
Bei Kindern und Schwangeren sieht es anders aus. Schwangere sollten nicht mehr als 200 Milligramm Koffein am Tag aufnehmen. Kinder und Jugendliche maximal 3 Milligramm Koffein pro Kilogramm Körpergewicht. Bei einem 45 Kilo schweren Kind sind dies 135 Milligramm pro Tag. Viele Energydrinks enthalten jedoch pro Dose bereits 160 Milligramm Koffein.
Die tägliche Dosis ist also schnell erreicht. Vor allem, wenn sich Koffein nun in Produkten befindet, in denen man es nicht erwartet. Den Überblick zu behalten, ist schwierig.
Versteckte Kennzeichnung
In der Schweiz müssen Getränke mit einem Koffeingehalt über 150 Milligramm pro Liter mit einem Hinweis «erhöhter Koffeingehalt» gekennzeichnet werden. Getränke, die auf Kaffee, Tee, Kaffee- oder Tee-Extrakt basieren, sind von dieser Pflicht ausgenommen. Das erschwert es, den Überblick zu behalten. Denn sogar Schokolade enthält Koffein – besonders Bitterschokolade.
Gewisse Hersteller weisen den Koffeingehalt zwar freiwillig aus. So steht beim Mate-Tee von El Tony der Warnhinweis, dass das Getränk 23 Milligramm Koffein pro 100 Milliliter enthält und für Kinder sowie schwangere oder stillende Frauen nicht empfohlen ist. Beim Mate-Tee von Coop Naturaplan hingegen fehlt ein solcher Hinweis.
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Bei den Inhaltsstoffen steht lediglich «Mate». Auch bei der Migros finden sich grüne oder weisse Tees aus Eigenproduktion, die Koffein enthalten. Ein entsprechender Hinweis auf den Verpackungen fehlt. Viele Kunden dürften nicht wissen, dass auch solche Getränke Koffein enthalten.
Die Detailhändler sagen dazu, man erfülle die gesetzlichen Vorgaben und nehme die Verantwortung gegenüber allen Kundinnen sehr ernst. Bei Produkten mit erhöhtem Koffeingehalt weise man zusätzlich darauf hin, dass diese für Kinder, schwangere oder stillende Frauen nicht empfohlen sind.
Die Migros ergänzt: «Bei Produkten wie Kaffee, Tee oder Getränken mit natürlichem Koffeingehalt, wie etwa dem Migros-Kult-Ice-Tea, ist eine Kennzeichnung des Koffeingehalts gesetzlich nicht erforderlich. Daher wird diese Information nicht standardmässig angegeben.»
Die Kennzeichnung ist mangelhaft, findet Josianne Walpen vom Konsumentenschutz. «Wir finden, der Warnhinweis müsste gut sichtbar vorne auf der Packung stehen», sagt sie zum Beobachter. «Auch bei Produkten mit erhöhtem Koffeingehalt, bei denen man es nicht unbedingt erwartet – insbesondere bei solchen auf Teebasis.»
Falsche Angaben
Hinzu kommt, dass der Koffeingehalt meist pro 100 Milliliter angegeben wird. Oft gibts die Getränke aber in deutlich grösseren Verpackungen.
Zudem sind die Angaben nicht immer verlässlich. Dies ergaben Tests des Kantonalen Labors Zürich. Es untersuchte Energydrinks, Sportlergetränke, Cola-Limonaden sowie Tee- und Mate-Getränke. Bei einer Stichprobe von 30 koffeinhaltigen Getränken wurden bei einem Fünftel der untersuchten Proben falsche Angaben zum Koffeingehalt entdeckt.
Spitzenreiter war ein Energydrink, der mit 47 Milligramm pro 100 Milliliter fast das Doppelte der deklarierten Menge von 25 Milligramm enthielt. In einem Mate-Drink wiederum waren nur 14 Milligramm statt der deklarierten 25 Milligramm pro 100 Milliliter drin.
Nicht mehr als 160 Milligramm pro Getränk
Koffeinhaltige Getränke dürfen pro 500 Milliliter nicht mehr als 160 Milligramm Koffein enthalten. In Sportlergetränken sind bis zu 200 Milligramm pro halben Liter erlaubt.
Dennoch findet man in den Supermarktregalen Produkte mit höherem Koffeingehalt. Etwa den Drink von Nocco mit 180 Milligramm Koffein pro Dose. Vor drei Jahren bemängelte das Zürcher Kantonslabor beim Hersteller die Deklaration als «koffein- und kohlensäurehaltiges Getränk». Seither wird es als Sportlergetränk vermarktet, steht aber weiterhin bei den Energydrinks im Kühlregal. Das Produkt habe eine ähnliche Zielgruppe wie Energydrinks, weshalb sie am gleichen Ort platziert werden, sagt die Migros dazu.
Altersgrenze 14 für Energydrinks
Da koffeinhaltige Produkte häufig auch von Jugendlichen konsumiert und an diese vermarktet werden, fordern Konsumentenschützer immer wieder Altersgrenzen und Werbeverbote. In der Schweiz verkauft einzig Spar solche Getränke nicht an unter 14-Jährige – und zwar freiwillig.
Was den Verkauf von Energydrinks insbesondere an Jugendliche zusätzlich problematisch macht: Eine Metaanalyse von 17 Studien mit insgesamt rund 1,5 Millionen Teilnehmenden hat gezeigt: Bereits ein geringer Konsum von Energydrinks kann das Suizidrisiko erhöhen. Eine mögliche Erklärung: Energydrinks enthalten neben Koffein weitere psychoaktive Inhaltsstoffe wie Taurin, Guarana oder Ginseng. Diese können Angst auslösen oder bereits vorhandene Angstgefühle verstärken.
«Die Ergebnisse der Metastudie sind besorgniserregend und müssen sehr ernst genommen werden», sagt Josianne Walpen vom Konsumentenschutz. «Bei einer Gesundheitsgefährdung muss das Vorsorgeprinzip im Lebensmittelgesetz zum Tragen kommen. Eine Beschränkung der Werbung greift dann zu wenig, die Produkte dürfen für Jugendliche nicht mehr oder allenfalls nur mit angepasster Rezeptur erhältlich sein.» Eine Altersgrenze von 14 Jahren für den Konsum von Energydrinks sei aus Sicht des Konsumentenschutzes aber ohnehin wünschenswert.