Das passiert, wenn der Franken zu stark ist
1:42
In 100 Sekunden erklärt:Das passiert, wenn der Schweizer Franken zu stark ist

Die Rätsel der Nationalbank
Wieso die SNB ohne Kritik Milliarden an Devisen kaufen darf

Im zweiten Quartal hat die Nationalbank seit langem wieder einmal in grossem Stil Fremdwährungen gekauft – um den Franken zu schwächen. Blick erklärt, was dahintersteckt und warum sich niemand über den Eingriff am Devisenmarkt beklagt hat.
Publiziert: 00:03 Uhr
Teilen
Schenken
Anhören
Kommentieren
1/5
Die Nationalbank (SNB) gibt Beobachtern Rätsel auf.
Foto: AFP

Darum gehts

Die Zusammenfassung von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast.
RMS_Portrait_AUTOR_928.JPG
Christian KolbeRedaktor Wirtschaft

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) gibt derzeit einige Rätsel auf. Vor kurzem wurde bekannt, dass sie im zweiten Quartal kräftig am Devisenmarkt interveniert hat – doch der Aufschrei, die Nationalbank sei eine Währungsmanipulatorin, blieb aus. 

Möglicherweise hat das mit der gemeinsamen Erklärung der Schweiz und der USA zu tun, dass die Nationalbank unter bestimmten Umständen durchaus am Devisenmarkt intervenieren darf. Dass sie also zum Beispiel in besonders volatilen Zeiten etwas gegen eine aussergewöhnliche Auf- oder Abwertung des Frankens unternehmen kann. 

Zu Beginn des zweiten Quartals waren die Zeiten tatsächlich aussergewöhnlich: Am 2. April schockte US-Präsident Donald Trump (79) die Welt und die Märkte am sogenannten Liberation Day mit seinem Zollhammer. Die Schweiz erhielt damals einen Strafzoll von 31 Prozent aufgebrummt. Wir alle wissen, es sollte am 1. August noch schlimmer für die Schweiz kommen – heute stehen wir mit den weltweit beinahe höchsten Zöllen von 39 Prozent mehr oder weniger allein da. 

Gegen abrupte Bewegungen

Doch Anfang April hatte es alle getroffen: Der Franken wertete gegenüber Dollar und Euro innert weniger Tage stark auf, weltweit brachen die Börsen ein. Die Nationalbank musste etwas tun – und kaufte Devisen im Gegenwert von über 5 Milliarden Franken. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2024 hat die SNB Fremdwährungen im Umfang von gerade mal 1,2 Milliarden gekauft. 

Für Thomas Gitzel (52), ist klar, weshalb die SNB kurz nach dem «Liberation Day» am Devisenmarkt interveniert hat: «Abrupte Bewegungen sind nicht im Sinne der SNB», so der Chefökonom der VP Bank. «Der Dollar ist eine wichtige Kalkulationsbasis für die Industrie, und er beeinflusst über die Importpreise die Inflation.» Gitzel geht davon aus, dass die Nationalbank vor allem Dollar gekauft hat. 

Maxime Botteron (40), Ökonom bei der UBS, glaubt, dass die SNB nicht nur Dollar, sondern auch Euro gekauft hat: «Doch so genau wissen wir das nicht, wir sehen ja nur die Veränderung in den Devisenbeständen insgesamt.» Was ebenfalls für Euro-Käufe spricht: «Der Euro ist tendenziell unterbewertet zum Franken, der Dollar dagegen ist fair bewertet», so Botteron. 

Einmalige Angelegenheit

Er ergänzt: «In den Monaten nach dem April haben wir keine weiteren Interventionen der SNB mehr gesehen.» Die Feuerwehrübung der Nationalbank war offenbar ein Erfolg, denn seit dem Absturz im April hat sich die Währungssituation wieder beruhigt – auch wenn sich weder Euro noch Dollar vom Absturz im April gegenüber dem Franken wirklich erholt haben. 

Gitzel betont: «Das zweite Quartal war eine Ausnahmesituation. Beim aktuellen Wechselkursgeschehen wird die SNB nicht mehr intervenieren.» 

Warum aber schreit niemand auf, wenn die Nationalbank wieder im grossen Stil an der Devisenfront interveniert? Das liegt zunächst an der im Vergleich geringen Summe, die die Nationalbank unter Präsident Martin Schlegel (49) für die Schwächung des Frankens eingesetzt hat: «Die 5 Milliarden Franken sind ein kleiner Tropfen im globalen Devisenhandel», ordnet Botteron ein. 

Der Devisenmarkt ist der grösste Finanzmarkt der Welt. Täglich werden Fremdwährungen für rund 7,5 Billionen Dollar gekauft und verkauft. Davon entfällt mit rund 6,6 Billionen der Löwenanteil auf den Dollar. Da fallen die 5 Milliarden der SNB nicht gross auf – auch wenn aus Schweizer Sicht schon lange nicht mehr in so grossem Stil am Devisenmarkt interveniert wurde. 

Was darf die SNB?

Und was hat es mit der gemeinsamen Erklärung der Schweiz und der USA zu den Devisenmarktinterventionen der SNB auf sich? Ist das für die SNB ein Persilschein für Käufe am Devisenmarkt, ohne gleich als Währungsmanipulatorin dazustehen? 

Schwierig zu interpretieren, sagen die meisten Beobachter. Gitzel und Botteron versuchen es trotzdem: «Die SNB darf in einem gewissen Mass intervenieren, es darf keine langfristige Intervention sein», sagt Gitzel. «Es ist eine Anerkennung, dass Devisenkäufe ein geldpolitisches Instrument der SNB sind», erklärt Botteron. «Aber zugleich verpflichtet sich die Nationalbank, den Wechselkurs nicht nachhaltig zu manipulieren.» 

Vielleicht erfährt die Öffentlichkeit etwas mehr, wenn die Nationalbank am 23. Oktober zum ersten Mal eine Zusammenfassung der geldpolitischen Diskussionen ihrer Lagebeurteilung veröffentlichen wird – exakt vier Wochen nach dem letzten Zinsentscheid. Am 23. September hat die SNB den Zinssenkungszyklus beendet und auf die Wiedereinführung von Negativzinsen verzichtet

Teilen
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Liebe Leserin, Lieber Leser
Der Kommentarbereich von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast. Noch kein Blick+-Abo? Finde unsere Angebote hier:
Hast du bereits ein Abo?
Heiss diskutiert
    Meistgelesen
      Externe Inhalte
      Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.
      Meistgelesen