Darum gehts
«Ich bin ein paarmal an meine Grenzen gekommen – psychisch und finanziell», sagt Andrea Fischer. Ihr Ex-Mann müsste jeden Monat 3800 Franken für die gemeinsamen Söhne zahlen, heute 16 und 11 Jahre. Plus 800 Franken für die 40-Jährige selbst.
Das hat das Gericht bei der Scheidung 2021 festgelegt. Als selbständiger Treuhänder verdiente ihr Mann gut, und Andrea Fischer war nicht berufstätig. Sie heisst in Wirklichkeit anders.
Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.
Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.
Vater zahlt nicht – die Inkassohilfestelle unterstützt
Doch das Geld kam von Anfang an unregelmässig. Fischer machte ihrem Ex-Mann jedoch nie Druck, weil sie wusste, dass sein Einkommen als Selbständiger schwankt.
Als er dann aber gar nichts mehr zahlte, wandte sie sich an die Inkassohilfestelle ihrer Gemeinde im Tessin (siehe unten «So helfen die Behörden»). Diese zahlte ihr einen Teil der geschuldeten Kinderalimente als Vorschuss aus – monatlich 700 Franken pro Kind. «Das war aber ein langwieriger Prozess», sagt Fischer. Er dauerte fast ein halbes Jahr.
Für die Inkassohilfe
- Gerichtsurteil oder einen von der Kesb genehmigten Unterhaltsvertrag: Der Betrag der geschuldeten Alimente muss genau beziffert sein.
- Schriftliches Gesuch: Mit den Personalien von beiden Parteien sowie einer Liste mit den ausstehenden Unterhaltsbeiträgen.
- Vollmacht zuhanden der Fachstelle.
Für die Bevorschussung
- Gerichtsurteil oder einen von der Kesb genehmigten Unterhaltsvertrag: Der Betrag der geschuldeten Alimente muss genau beziffert sein.
- Schriftliches Gesuch: Ist in den meisten Kantonen nötig.
- Auskünfte zu den finanziellen Verhältnissen der Person, die eine Bevorschussung möchte, sowie von weiteren Personen, die mit ihr zusammenleben. Denn die Bevorschussung hängt davon ab, wie gross das Einkommen und Vermögen aller im Haushalt lebenden Personen ist.
Für die Inkassohilfe
- Gerichtsurteil oder einen von der Kesb genehmigten Unterhaltsvertrag: Der Betrag der geschuldeten Alimente muss genau beziffert sein.
- Schriftliches Gesuch: Mit den Personalien von beiden Parteien sowie einer Liste mit den ausstehenden Unterhaltsbeiträgen.
- Vollmacht zuhanden der Fachstelle.
Für die Bevorschussung
- Gerichtsurteil oder einen von der Kesb genehmigten Unterhaltsvertrag: Der Betrag der geschuldeten Alimente muss genau beziffert sein.
- Schriftliches Gesuch: Ist in den meisten Kantonen nötig.
- Auskünfte zu den finanziellen Verhältnissen der Person, die eine Bevorschussung möchte, sowie von weiteren Personen, die mit ihr zusammenleben. Denn die Bevorschussung hängt davon ab, wie gross das Einkommen und Vermögen aller im Haushalt lebenden Personen ist.
Sie erreichte nach einigen Monaten auch, dass die Kinderzulagen, die ihr Ex-Mann nicht weiterleitete, direkt an sie ausgezahlt wurden. Dazu musste sie ein entsprechendes Gesuch bei der Familienausgleichskasse stellen. Die Inkassohilfestelle hatte ihr erklärt, dass dies möglich ist, und sie hat sich dann online schlaugemacht.
Fischer und die beiden Söhne leben heute also von den bevorschussten 1400 Franken Kinderalimente, den Kinderzulagen von knapp 500 Franken sowie ihrem schwankenden Teilzeiteinkommen in der Tourismusbranche zwischen 1000 und 1700 Franken pro Monat. «Wenn wir nicht in meinem eigenen Haus wohnen könnten, kämen wir gar nicht durch», sagt Fischer.
Nicht bezahlte Alimente von früher muss sie eintreiben
Mehr reinholen kann im Moment aber auch die Inkassohilfestelle nicht. Denn Fischers Ex-Mann lebt auf dem Existenzminimum – er wird bereits gepfändet. Und zwar von Andrea Fischer für die Unterhaltsbeiträge, die er früher nicht gezahlt hat. Für dieses Geld konnte sie nicht auf die Unterstützung der Fachstelle zählen. Denn die hilft lediglich für Unterhaltsbeiträge, die für die Zukunft geschuldet sind, und nicht für das Geld, das er ihr von früher schuldet.
Fischer musste die offenen Alimentenschulden, etwa 37’000 Franken, also selbst eintreiben – und hatte dabei einige Schwierigkeiten. Sie füllte ein Betreibungsbegehren aus und schickte es dem Betreibungsamt am Wohnort ihres Ex-Manns. Nach zwei Monaten erhielt sie das Doppel des Zahlungsbefehls. Dann geschah nichts mehr.
«Ich habe gewartet und gewartet. Bis mir ein Bekannter sagte, dass das Betreibungsamt nichts von sich aus mache, ich müsse selber handeln», sagt Fischer. Ihr Ex-Mann hatte nämlich Rechtsvorschlag erhoben – diesen musste sie gerichtlich beseitigen lassen.
Fischer reichte also auf Rat ihres Bekannten dem Gericht ein sogenanntes Rechtsöffnungsbegehren sowie ihr Scheidungsurteil ein. Und bekam recht – doch das dauerte wiederum Monate. «Dann habe ich wieder gewartet. Bis ich erfahren habe: Ich muss nun beim Betreibungsamt verlangen, dass es die Pfändung einleitet.» Fischer machte dies im Mai. Und wartet seither wieder.
- Bundesamt für Sozialversicherungen: weitere Informationen zu Kinder- oder Ausbildungszulagen
- Beobachter-Rechtsratgeber: Merkblatt Betreibung
- Betreibung einleiten: alle Informationen dazu
- Rechtsvorschlag beseitigen: Formular Bundesamt für Justiz
- AHV/IV: Gesuch um Drittauszahlung von Leistungen der AHV/IV/EO/EL/ÜL/FamZ
- Formular um Rechtsöffnung beim Bundesamt für Justiz downloaden: Formulare für Parteieingaben
- Bundesamt für Sozialversicherungen: weitere Informationen zu Kinder- oder Ausbildungszulagen
- Beobachter-Rechtsratgeber: Merkblatt Betreibung
- Betreibung einleiten: alle Informationen dazu
- Rechtsvorschlag beseitigen: Formular Bundesamt für Justiz
- AHV/IV: Gesuch um Drittauszahlung von Leistungen der AHV/IV/EO/EL/ÜL/FamZ
- Formular um Rechtsöffnung beim Bundesamt für Justiz downloaden: Formulare für Parteieingaben
Denn weil ihr Ex-Mann kein pfändbares Vermögen hat, wird sein Lohn gepfändet. 2500 Franken pro Monat gehen ans Betreibungsamt. Dieses rechnet aber erst nach einem Jahr ab und leitet erst dann das eingegangene Geld an sie weiter.
Für den Rest wird Andrea Fischer einen Verlustschein erhalten. Und muss dann wieder neu betreiben. «Dabei wäre ich schon jetzt froh um jeden Franken mehr», sagt Fischer ziemlich frustriert.
Und fügt an: «Wer Alimente eintreiben muss, braucht dafür sehr viel Zeit und noch mehr Geduld. Und wer keine Ahnung vom Verfahren hat, ist ziemlich verloren.»
So helfen die Behörden bei unbezahlten Alimenten
Die kantonalen Stellen helfen Müttern und Vätern auf zwei Arten, wenn der andere Elternteil nicht oder nur teilweise zahlt:
- Bevorschussung von Kinderalimenten: Die zuständige Behörde zahlt direkt Geld aus – sie schiesst es für die Person vor, die Alimente zahlen müsste. Diese sogenannte bedarfsabhängige Sozialleistung ist kantonal geregelt und hängt in allen Kantonen vom Einkommen und Vermögen des Elternteils ab, dem die Alimente zustehen (Ausnahme: Kanton Tessin). Der Vorschuss beträgt in den meisten Kantonen höchstens so viel wie eine einfache Waisen- und Kinderrente – gegenwärtig 1008 Franken pro Monat.
- Inkassohilfe: Die kantonale Inkassohilfe-Fachstelle hilft, nicht bezahlte Alimente einzutreiben, und zwar Ehegattenunterhalt, Familienzulagen sowie Kindesunterhalt, wenn man keine Bevorschussung bekommt. Die Inkassohilfe ist schweizweit einheitlich geregelt, jeder Kanton muss gewisse Mindesthilfe-Leistungen anbieten.
Je nach Kanton macht die gleiche Stelle beides, oder es sind zwei unterschiedliche Behörden. In dieser Liste mit Adressen finden Sie die zuständige Amtsstelle in Ihrem Kanton.
Inkassohilfe: So geht die Fachstelle vor
Die Fachstelle teilt der Person, die Alimente zahlen müsste, als Erstes mit, dass sie diese ab jetzt an sie zahlen muss. Wie es weitergeht, ist vor allem abhängig davon, ob die Person nicht zahlen kann oder nicht zahlen will. Die Behörde hat verschiedene Möglichkeiten wie Mahnen, Betreiben bis hin zu einer Strafanzeige.
Wenn Geld bei der Inkassohilfestelle eingeht, leitet die Behörde es an die Person weiter, der es zusteht. Falls diese bereits Geld vom Staat bekommen hat, wird dieser Betrag aber abgezogen.
Wichtig zu wissen: Die Fachstelle entscheidet, welche Massnahme sinnvoll ist. Die Person, die Inkassohilfe beantragt hat, kann nicht mehr selber handeln oder Anweisungen erteilen.
Faktor Zeit: Nicht zu lange fackeln
Man sollte auf keinen Fall zu lange zuwarten. Denn die Alimente werden frühestens ab dem Zeitpunkt vorgeschossen, an dem man das Gesuch stellt. Und auch Inkassohilfe erhält man grundsätzlich nur für künftige Unterhaltsbeiträge.
Zudem dauert es Wochen oder Monate, bis die Stellen alle Unterlagen erhalten und geprüft haben. Man kann aber helfen, das Verfahren zu beschleunigen, indem man alles griffbereit hat und ehrlich die verlangten Auskünfte gibt.
Bezahlt der Ex-Partner die Alimente nur unzuverlässig, kann der bedürftige Elternteil bei der Gemeinde ein Gesuch zur Bevorschussung der Alimente stellen. Beobachter-Abonnentinnen und ‑Abonnenten erfahren im Merkblatt «Nicht bezahlte Alimente eintreiben», wie sie ein Gesuch um Inkassohilfe einreichen und wie sie nicht bezahlte Alimente selber eintreiben können.
Bezahlt der Ex-Partner die Alimente nur unzuverlässig, kann der bedürftige Elternteil bei der Gemeinde ein Gesuch zur Bevorschussung der Alimente stellen. Beobachter-Abonnentinnen und ‑Abonnenten erfahren im Merkblatt «Nicht bezahlte Alimente eintreiben», wie sie ein Gesuch um Inkassohilfe einreichen und wie sie nicht bezahlte Alimente selber eintreiben können.
Wenn jemand sofort Geld braucht, muss er oder sie sich ans Sozialamt wenden.
Gelder selber eintreiben
Wie gesagt, helfen Inkassohilfestellen nicht dabei, Alimente aus der Vergangenheit einzutreiben – oder höchstens für einige wenige Monate zurück. Betroffene müssen selber aktiv werden:
- Betreibung einleiten: Dafür muss man sich ans Betreibungsamt am Wohnort der Person wenden, die einem Geld schuldet. Das Formular gibt es beim Betreibungsamt oder auf www.betreibungsschalter.ch.
- Rechtsvorschlag beseitigen: Wenn die Person, die man betreibt, mit der Forderung nicht einverstanden ist, kann sie einen sogenannten Rechtsvorschlag erheben. Damit wird das Betreibungsverfahren gestoppt. Um es fortzusetzen, muss man beim Gericht ein sogenanntes Gesuch um Rechtsöffnung einreichen. Das Formular dafür kann man beim Bundesamt für Justiz herunterladen, allenfalls auch beim zuständigen Gericht. Das Gericht beseitigt den Rechtsvorschlag, wenn es ein Urteil oder einen genehmigten Unterhaltsvertrag erhält, auf dem die Alimente genau beziffert sind.
- Betreibung fortsetzen: Sobald man vor Gericht recht bekommen hat (also Rechtsöffnung erhalten hat), muss man vom Betreibungsamt verlangen, dass es die Betreibung fortsetzt.
Wichtig: Wo nichts ist, kann man nichts holen. Wenn ein Schuldner kein Geld hat oder das Betreibungsamt es nicht findet, gibt es einen Verlustschein.
Kinder- und Ausbildungszulagen
Kinder- und Ausbildungszulagen sind für den Unterhalt des Kindes gedacht. Der Elternteil, der diese Zulagen bekommt, muss sie dem Elternteil weiterleiten, bei dem das Kind lebt. Tut er es nicht, kann letzterer schriftlich bei der Familienausgleichskasse ein sogenanntes Gesuch um Drittauszahlung einreichen.
Kosten
Wer eine Bevorschussung oder Inkassohilfe für Kinderalimente verlangt, muss dafür nichts zahlen. Wenn sonst jemand Leistungen erbringt, um die Alimente durchzusetzen (zum Beispiel das Betreibungsamt oder ein Übersetzer), muss diejenige Person zahlen, die das Geld schuldet.