Darum gehts
- Der Detailhandelsverband Swiss Retail Federation prüft den Ausstieg aus der Vereinbarung für kostenpflichtige Einweg-Plastiksäckli.
- Eine Grüne fordert gar ein gänzliches Verbot von Einwegverpackungen, die SVP spricht von einer Überregulierung.
- Durch die Gebühr sank der Plastiksäckli-Verbrauch enorm.
Ein Gratis-Plastiksäckli bei Migros, Coop und Co.? Das gibts schon seit fast zehn Jahren nicht mehr. 5 Rappen musst du bezahlen, wenn du dich für die Einweg-Plastikvariante entschiedest. Der Vorschlag kam damals von den Branchenorganisationen IG Detailhandel Schweiz und der Swiss Retail Federation, um ein vollständiges Verbot der Gratis-Säckli durch das Parlament zu verhindern. Ziel der Übung: Den Gebrauch reduzieren und so die Umwelt schonen.
Und das hat funktioniert: 2016 nahmen Schweizer Einkäufer noch 417 Millionen Einweg-Säckli mit. 2024 waren es 51 Millionen – ein Rückgang von 88 Prozent!
Zum Deal gehört aber mehr als die Fünf-Rappen-Gebühr: Auch müssen Detailhändler Buchhaltung über die Anzahl ihrer Plastiksäckli führen und diese dem Bund melden. Von diesem Zusatzaufwand hat die Swiss Retail Federation jetzt genug – und hat sich ihren Vorschlag aus 2016 wieder anders überlegt. Der Handelsverband plant, aus der bestehenden Vereinbarung auszutreten, wie die «SonntagsZeitung» zuerst berichtete.
Trotz des beeindruckenden Rückgangs von 88 Prozent sieht Geschäftsführerin Dagmar Jenni keinen Grund mehr für den administrativen Aufwand: «Da die Ziele mehr als erfüllt wurden, kann man auf die zusätzliche Erhebung der Plastiksäcke verzichten», so Jenni gegenüber der Zeitung.
Grüne schlagen Alarm
Diese Entscheidung ist den Grünen ein Dorn im Auge. Nationalrätin Marionna Schlatter (44) kündigte gegenüber «Watson» am Mittwoch an, eine Motion für ein Verbot von Einwegpackungen wie Plastiksäckchen einzureichen. Die Grünen-Politikerin ist überzeugt: «Wenn es die Branche nicht schafft, muss der Staat eingreifen.»
Das kommt nicht bei allen im Parlament gut an. Der SVP-Nationalrat Christian Imark (43), der mit Schlatter in der Umweltkommission sitzt, sagt zu «Watson»: «Es ist schade, dass die Schweiz wegen Einzelpersonen, die sich nicht zu benehmen wissen, immer mehr regulieren muss.» Die Motion sei ein klassischer Fall von «Probleme suchen, wo keine sind.»
Das Problem mit dem Mikroplastik
Doch ist Plastik wirklich kein so dringendes Problem? Umweltschützerinnen und grüne Politiker warnen schliesslich immer wieder eindringlich vor den langfristigen Folgen. Unter anderem wegen der Langlebigkeit des Materials: Plastik benötigt Hunderte bis Tausende Jahre, um sich zu zersetzen. Andere Rohstoffe wie Karton, Papier oder Glas zersetzen sich in der Regel schneller. Der Zerfall in der Natur führt schliesslich zum unerwünschten Mikroplastik, der in Ozeane, Flüsse und Böden gelangt.
Erst kürzlich fanden Forschende der ETH-Lausanne selbst in abgelegenen Regionen Plastikpartikel in Kotproben von Wildtieren – und das in alarmierend hohen Konzentrationen.
Greenpeace sagt dazu: «Gesundheitsschädlicher Mikroplastik befindet sich in der Luft, die wir einatmen, und in den Lebensmitteln, die wir essen. Mikroplastik findet sich sogar im menschlichen Blut, in der Muttermilch und im Gehirn. Es ist alarmierend und erschreckend», so Joëlle Hérin (55), Expertin bei Greenpeace.
Die Non-Profit-Organisation fordert deshalb, auf Recyclinglösungen zu verzichten, da sie die Produktion von neuem Plastik nicht eindämmen. «Wir müssen auf Mehrwegsysteme setzen oder ganz auf Plastik verzichten», so Hérin. Die fünf Rappen Gebühr ist ein Schritt in diese Richtung – und Greenpeace warnt vor den Folgen der geplanten Aufkündigung mit den eindringlichen Worten: «Wir versinken in Plastik!»