Darum gehts
Der «Liberation Day» von Zollzampano Donald Trump (78) am 2. April brachte viele Anleger auf den Boden der Realität zurück. In der folgenden Woche lösten sich Milliarden von Kursgewinnen an den Aktienmärkten in Luft auf, manch einer sah beträchtliche Teile seines in Aktien angesparten Vermögens auf Nimmerwiedersehen verschwinden.
Doch der Börsenkater dauerte nur kurz, an den Märkten setzte die Trendwende ein, die Verluste sind grösstenteils wieder wettgemacht. Die Schweizer Börse hinkt der Erholung etwas hinterher, was auch mit der Ankündigung von Trump zu tun hat, die Medikamentenpreise in den USA drastisch zu senken. Darunter leiden die beiden SMI-Schwergewichte Novartis und Roche.
Alles nur ein böser Traum, die Aktienmärkte bereit für den nächsten Höhenflug? Die Anlagechefs dreier Schweizer Banken ordnen die Börsenturbulenzen ein.
Das Prinzip Hoffnung
Die schnelle Erholung hat auch die Profis überrascht. «Die Stimmung bei institutionellen Anlegern wie Pensionskassen oder Fondsgesellschaften ist nach wie vor pessimistisch», erklärt Anastassios Frangulidis (56), Chefstratege von Pictet Asset Management.
Die Vorsicht der Grossen bestätigt auch der Anlagechef von Raiffeisen, Matthias Geissbühler (50). «Erstaunlicherweise haben viele Kleinanleger nach der Korrektur Aktien zugekauft. Vor allem auch viele Trump-Anhänger.» Diese hätten weniger die Auswirkungen der Zölle im Blick, würden vielmehr den Kaufaufforderungen von US-Präsident Trump vertrauen. «Was sicher auch eine Rolle spielt, ist die Hoffnung, dass die Zollsuppe nicht ganz so heiss gegessen wird, wie sie gekocht wurde. Die Pause von 90 Tagen bei den reziproken Zöllen hat wesentlich zur raschen Kurserholung beigetragen», so Geissbühler.
«Wir haben darauf gesetzt, dass es nicht ganz so schlimm kommt und der Markt überreagiert hat», sagt Fabienne Hockenjos (40), Anlagechefin bei der Basellandschaftlichen Kantonalbank (BLKB). Auch die Anlagespezialisten der BLKB haben zugekauft, als die Kurse nach unten korrigiert haben – und einen Teil der Gewinne realisiert, als die Märkte wieder anzogen. Zudem seien viele Firmen gut ins neue Jahr gestartet, hätten solide Gewinne im ersten Quartal ausgewiesen. «Das hat die Kurserholung begünstigt», glaubt Hockenjos. Allerdings war das erste Quartal zu Ende, bevor Trump mit seiner Zollpolitik die Welt geschockt hat.
Trump macht Europa stark
Was Hockenjos auffällt: «Viele US-Investoren haben europäische Aktien gekauft.» Was sie beobachtet, spiegelt sich auch darin wider, dass die Schweizer und die europäischen Börsen seit Jahresbeginn besser abgeschnitten haben als der US-Markt. «Das ist eine Folge der Wirtschaftspolitik von Trump», sagt Frangulidis. «Er will den Dollar schwächen und das Handelsbilanzdefizit verringern. Das heisst, er muss die US-Konsumenten dazu bringen, weniger – und vor allem weniger ausländische Produkte – zu kaufen.»
All das führt dazu, dass weniger Kapital in die USA fliesst, um die Schulden zu finanzieren. Geld, das nun zum Beispiel in Europa oder der Schweiz bleibt und in die eigenen Unternehmen und Märkte fliesst. Dazu kommen die angekündigten Ausgaben für Verteidigung und Infrastruktur in Europa, was die Wirtschaft ankurbelt. «Die ersten 100 Tage Trump waren aus Sicht der US-Anleger nicht sehr erfreulich», bilanziert Geissbühler.
Make Europe Great Again – MEGA statt MAGA: Trump hat es geschafft, Europa zu Beginn seiner Amtszeit wirtschaftlich zu stärken. Das entspricht kaum seiner ursprünglichen Absicht von «Make America Great Again».
Durchzogener Ausblick
«In der jüngsten Erholung steckt zu viel Optimismus», erklärt Geissbühler. «Die alte Welt wird unter Trump nicht so schnell zurückkehren.» Frangulidis ergänzt: «Die wirtschaftliche Stimmung verschlechtert sich, bei Investoren wie Konsumenten, vor allem in den USA.» Das Land stehe vor schwierigen Zeiten, ist der Chefstratege überzeugt: «In den USA werden die Preise steigen und das Wachstum sinken.» Das klingt nicht nach einer Kaufempfehlung für US-Aktien.
Generell sei bei Aktien Zurückhaltung geboten. «Wir empfehlen unseren Kunden derzeit, etwas weniger Aktien zu halten und dafür eher auf Gold oder Immobilienfonds zu setzen», sagt Geissbühler. Das sieht Hockenjos ähnlich – ausser bei den Aktien: «Aufgrund des tiefen Zinsniveaus in der Schweiz herrscht Anlagenotstand, es gibt zu Aktien nur wenig Alternativen. Anleger brauchen jetzt Geduld und Disziplin.»