Die Corona-Pandemie ist zuallererst eine Gesundheitskrise, bedroht das Leben der Menschen. Doch gerade die Gesundheitskosten sind im Corona-Jahr 2020 nicht durch die Decke gegangen, wie man vielleicht vermuten könnte. Die Zahlen aus der Grundversicherung zeigen sogar, das Kostenwachstum war im Vergleich zu den Vorjahren unterdurchschnittlich.
Konkret: Die Auswertung des Datenpool Sasis der Krankenkassen ergibt, dass die Kosten in der Grundversicherung im letzten Jahr um 1,16 Prozent angestiegen sind, auf Total 34,55 Milliarden Franken. Das ist zwar deutlich weniger als die 3,7 Prozent durchschnittlichen Wachstums der letzten zehn Jahre – aber immerhin knapp 400 Millionen Franken mehr als 2019. Und das trotz wochenlangen Behandlungsstopps in Spitälern und eingeschränkten Betriebs in den Arztpraxen.
Es drohen Folgekosten
Das Fazit: Corona hat die Gesundheitskosten nicht explodieren lassen, sondern das Kostenwachstum sogar gedämpft. Die Gründe dafür sind allerdings nicht nur erfreulich, sagt Gesundheitsökonomen Willy Oggier (55): «Es wurden deutlich weniger Herzinfarkte oder Schlaganfälle rechtzeitig behandelt.» Die Betroffenen hatten offenbar Angst, sich bei den Notfallstationen zu melden. Oggier warnt: «Das könnte in den kommenden Jahren zu hohen Folgekosten führen.»
Für den Gesundheitsökonomen ist deshalb klar: «Die Politik darf jetzt die Reserven der Krankenkassen nicht antasten.» Zudem sei auch noch nicht absehbar, ob Long Covid, also die Spätfolgen einer Corona-Erkrankung, zu einem teuren Problem des Gesundheitswesens werden oder nicht.
Verlierer Physiotherapie
Und noch etwas zeigt der Blick in den Datentopf: Der von vielen befürchtete Umsatzeinbruch hat die meisten Leistungserbringer weniger stark getroffen als angenommen – zumindest für Leistungen, die über die Grundversicherung abgerechnet werden.
Richtig darben mussten einzig die Physiotherapeuten. Der Grund: Das Behandlungsverbot während des ersten Lockdowns liess sich nicht mehr aufholen, die Einnahmen sind gesunken.
Ähnliches hatten auch die Ärzte befürchtet, denn gerade im ersten Lockdown mieden viele Patienten die Wartezimmer, verschoben Routinekontrollen nach hinten oder sagten die Termine gleich ganz ab. Im Gegensatz zu den Physiotherapeuten gab es gemäss den Sasis-Daten bei den Ärzten keinen Einnahmerückgang.
Die Rolle der Ärzte
Gesundheitsökonom Oggier hat allerdings eine Vermutung, warum die Kosten für die Ärzte nicht im üblichen Masse der letzten Jahre vor der Pandemie angestiegen sind. «Die Angst vor einer Ansteckung im Wartezimmer war so gross, dass viele direkt den Weg ins Spital gesucht haben.» Das würde den zwar moderaten aber doch deutlichen Anstieg der ambulanten Spitalkosten erklären. Oggier geht sogar so weit, die Rolle der Ärzte als Grundversorger in der Pandemie zu hinterfragen.
Dem widerspricht Philippe Luchsinger, Präsident der Haus- und Kinderärzte: «Gerade die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig eine gut funktionierende Grundversorgung ist. Zu Beginn der Pandemie haben die Hausärzte ihre chronischen Patienten persönlich beraten und unterstützen können.» Zudem hätten Hausarztpraxen gerade beim Contact Tracing oder nun bald beim Impfen bewiesen, wie wichtig sie für das Gesundheitssystem sind.
Medikamentenkosten steigen
Selbst die Spitäler rechnen 2020 etwas mehr Kosten ab als in den Vorjahren. Dies trotz eines vorübergehenden Verbots der Durchführung nicht dringlicher Operationen. Doch konnten diese zumindest teilweise nachgeholt werden.
Ein Posten allerdings macht den Krankenkassen besonders Sorgen: Wir geben immer mehr Geld für Medikamente aus. Alleine die Grundversicherung bezahlt für Pillen, Pülverchen und Therapien acht Milliarden Franken pro Jahr. Das macht die Apotheken zu den Gewinnern des Corona-Jahrs mit einem deutlichen Plus bei der Kostenentwicklung.