Coole Schweizer, panische Ausländer
Ist die Schweiz auf dem absteigenden Ast?

Alle Jahre wieder schreibt ein ausländisches Medium den Untergang der Schweiz herbei. Dieses Mal ist es die renommierte «Financial Times». Doch gerade Schweizer Topmanager sehen keinen Grund zur Panik.
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Ausländische Beobachter sehen die Schweiz auf dem absteigenden Ast.
Foto: aletheia25

Darum gehts

  • Die Schweiz steht 2025 vor wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen, inklusive EU-Frage.
  • UBS-Chef Kelleher und Roche-Präsident Schwan kritisieren langsame politische Entscheidungsfindung.
  • Manager mit Schweizer Pass sehen die Lage entspannter.
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Christian KolbeRedaktor Wirtschaft

Trump, Zölle, der Knatsch ums WEF, die EU-Frage, Pharma-Preise: Es gab im zu Ende gehenden Jahr viele Dinge, die das Zeug haben, die Schweiz in ihren Grundfesten zu erschüttern. Die entscheidende Frage: Kann sich die Schweiz in diesen Zeiten des Umbruchs neu erfinden? Ist das Erfolgsmodell nachhaltig gefährdet? 

Solche und andere Fragen hat die «Financial Times» in- und ausländischen Top-Managern gestellt, um auf das Jahr 2025 in der Schweiz zurückzublicken. Das spannende Fazit: Die meisten Topshots mit ausländischen Wurzeln an der Spitze von Schweizer Unternehmen machen sich ernsthaft Sorgen um den Zustand der Schweiz. Die meisten Schweizer dagegen nehmen die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen recht gelassen, vertrauen einmal mehr auf die Selbstheilungskräfte unseres seit Jahrzehnten bewährten Systems. 

UBS-Präsident Colm Kelleher (68) warnte an einer Finanzveranstaltung vor ein paar Wochen davor, dass die Schweiz «an Glanz verliere» und an einem «Scheideweg mit grossen Herausforderungen» stehe. Neben den oben erwähnten Problemen spielte Kellerher auch auf den verschärften Wettbewerb in der internationalen Vermögensverwaltung und die Regulierungspläne des Bundes für die UBS an. 

Besorgter Roche-Präsident

Bemerkenswert: Der Chef einer grossen Schweizer Privatbank soll sich nach eigenen Angaben den UBS-Chef noch an derselben Veranstaltung zur Brust genommen und den Pessimismus von Kelleher scharf kritisiert haben. Ein Schweizer, der mit dem Schweiz-Bashing des Iren überhaupt nichts anfangen konnte. 

Doch der UBS-Boss ist mit seiner Schweiz-Kritik nicht alleine: So warnte Roche-Präsident Severin Schwan (58) – ein gebürtiger Österreicher mit deutschem und Schweizer Pass – vor kurzem an einer Podiumsdiskussion, die Schweiz befinde sich in einer «kritischen» Situation. Das Land müsse sich «grosse Sorgen machen» und sehr «misstrauisch» sein. Das Problem in den Augen Schwans: Die Schweiz könne sich wegen der langsamen politischen Entscheidungsfindung nicht an die verändernden Investitionsströme der Weltwirtschaft anpassen, was die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz bedrohe. 

Das Fazit der FT: «In einem Land, das globale Schlagzeilen lieber vermeidet, sind solche Rügen von Säulen der Wirtschaftselite ein Zeichen dafür, wie unangenehm dieses Jahr für die Bevölkerung war.» 

Oder wie es der ehemalige Bundeskanzler Walter Thurnherr (62) im Artikel auf den Punkt bringt: «Es ist ein beklemmendes Gefühl, auf dem Pausenplatz von einem Sechstklässler schikaniert zu werden – ohne dass ein Lehrer in der Nähe ist.» 

Switzerland home alone? Und unfähig, mit seinem politischen System auf all die Herausforderungen schnell und angemessen zu reagieren? Gemach, gemach, sagen viele der Top-Manager mit Schweizer Wurzeln, mit denen die FT gesprochen hat. 

Schweizer kennen unser System besser

«Auf Unternehmensebene und aus wirtschaftlicher Sicht hat die Schweiz immer wieder bewiesen, dass wir uns an Druck anpassen können. Wir haben hervorragende Führungskräfte und Unternehmer», sagt Philipp Hildebrand (62), Vizepräsident von Blackrock und ehemaliger Präsident der Schweizerischen Nationalbank. «Man nehme nur die Währungsaufwertung – die Schweizer haben agil auf den Druck des stark gestiegenen Frankens reagiert, und heute sind unsere Exporte weiterhin stark und unsere Unternehmen wettbewerbsfähig.»

Zumal die Schweiz immer wieder ihre Lernfähigkeit unter Beweis stellt, auch wenn das manchmal etwas dauert: «Ich schäme mich ein wenig für das anfängliche Vorgehen der Schweiz im Ukraine-Krieg. Viele ausserhalb unseres Landes sahen darin eine stillschweigende Verweigerung der Unterstützung des Verteidigers», sagt Daniel Daeniker (62), Seniorpartner der Schweizer Anwaltskanzlei Homburger. «Doch die Debatte im Parlament über den Export von Material, beispielsweise die Lieferung unserer Panzer nach Deutschland zur Unterstützung der Ukraine, zeigt, dass wir uns im Laufe der Zeit angepasst haben.» 

Es scheint also noch etwas verfrüht, den unumkehrbaren Abstieg der Schweiz an die Wand zu malen: «Manche prophezeien immer wieder den Untergang der Schweiz – bisher hatte diesbezüglich noch keiner recht», beruhigt ein nicht namentlich genannter Schweizer Financier die Leserinnen und Leser der FT und seine Landsleute. 

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