Darum gehts
- Migros reduziert Eigenmarken, Experte sieht Verlust des Alleinstellungsmerkmals
- 80 Eigenmarken werden in den nächsten Jahren aufs Abstellgleis geschickt
- Die Tiefpreisstrategie der Migros sei unglaubwürdig, sagt der Experte
Die Migros schickt in den nächsten Jahren 80 Eigenmarken aufs Abstellgleis. Sogar wesentliche Produkte aus dem M-Budget-Sortiment fallen weg. Volltreffer oder Eigentor?
Auf Anfrage von Blick zeigt sich Reputations-Experte Bernhard Bauhofer (63) skeptisch: «Die Migros gibt ihr Alleinstellungsmerkmal sukzessive auf.» Er kann zwar nachvollziehen, dass die Pflege und Vermarktung einer Vielzahl an Marken teuer sei und die Migros lieber in die Dachmarke investiere – «bei der Straffung des Sortiments gehen auch einige andere Konzerne wie etwa Procter & Gamble so vor». Dazu seien jüngere Generationen möglicherweise weniger eng mit Migros-Eigenmarken verbunden.
Aber: «Die Eigenmarken waren prägend für die Migros und trugen wesentlich zum Goodwill bei, den man diesem Detailhändler entgegenbringt», so Bauhofer. Nun weiche der Genossenschafts-Groove einer Corporate-Kultur: «Die Migros ist auf dem Weg, austauschbar zu werden.» Der Abbau einzelner Marken werde zwar nur punktuell zu Reklamationen führen – aber der radikale Umbau sei für die Kundenliebe nicht gerade förderlich.
Viele Migros-Eigenmarken sind völlig unbekannt
Die Migros hält dagegen, dass zwar die Anzahl Eigenmarken bis 2030 deutlich sinken werde, aber der Anteil an Eigenmarkenprodukten im Sortiment insgesamt wachsen soll. Das ist nachvollziehbar: Von den über 250 Eigenmarken der Migros sind viele wenig bis gar nicht bekannt. Oder hättest du gewusst, bei wem Produkte der Marken Alexis, J-Banks, RapiLait oder Dennys im Angebot sind?
Aber ist die Überführung diverser Eigenmarken in die Dachmarke «Migros» nachvollziehbar? «Die Migros reduziert zwar Komplexität, aber die Konsumenten dürften die Preisstrategie nicht mehr verstehen», führt Bauhofer aus. Wenn der Migros-Marketingchef sagt, dass sich die Kundschaft schäme, die knallgrüne M-Budget-Verpackung zu Hause zu haben, sei das bemerkenswert. Die Migros habe eine Tiefpreisstrategie versprochen, verfolge aber gleichzeitig eine Aufwertung bei Verpackung und Vermarktung. «Das macht die Tiefpreisstrategie der Migros unglaubwürdig.»
Bauhofer vermutet bei der Migros einen «McKinsey-Effekt», also wenn Tradition unter den Hammer der Zahlen kommt: «Die emotionale Bindung des Konsumenten wie auch der eigenen Mitarbeitenden an eine gewisse Eigenart des Unternehmens wird da völlig ausser Acht gelassen.»
Die Frage werde sein, wie die Marke Migros dem radikalen Umbau standhält. Bauhofer will nicht orakeln, hält aber fest: «Man könnte an anderen Orten vermutlich mehr einsparen – etwa wenn man den Regionalfürsten der einzelnen Genossenschaften etwas Macht wegnähme.»