Darum gehts
- Jan Scherrer kehrt nach Verletzung zurück und strebt Olympia 2026 an
- Seltene Rippenverletzung erforderte eine lange Regenerationsphase und viel Geduld
- 16 Monate verletzt, 2 Metallplatten und 18 Schrauben bei der Behandlung
Er steht wieder oben auf dem Berg und im Leben. Fast ein Jahr lang musste Jan Scherrer (31) zuschauen, während andere die Halfpipes dominierten. Der Toggenburger holte 2022 in Peking Olympiabronze, dann stoppte ihn ein schwerer Sturz im Training brutal.
Die Diagnose Ende Oktober 2024: komplizierter Bruch des Rippenknorpels, dazu gebrochene Rippen. Zwei Metallplatten und 18 Schrauben waren nötig, um den Körper des Halfpipe-Spezialisten wieder zusammenzufügen. «So etwas sieht man fast nie», sagt er. «Ich musste lange suchen, bis ich Ärzte fand, die das überhaupt behandeln konnten.»
Geduld als neues Talent
Im Gespräch mit Blick verrät er: «Die Regeneration hat viel länger gedauert, als ich gedacht hatte. Den ganzen Frühling bis im Juni machte ich nur kleine Fortschritte.» Geduld musste er lernen: «Ich war in den letzten zwei Jahren insgesamt 16 Monate verletzt. Das zwingt dich dazu, runterzufahren.»
Monatelang stemmte er Gewichte im Kraftraum, joggte einsam durch den Wald. Trampolin oder Skateboard? «Tabu», sagt er und lacht. Seit Ende August geht es für Scherrer endlich wieder bergauf. «Ich bin bei etwa 90 Prozent. Wenn ich mich nicht gut fühle, höre ich auf das Gefühl. Da ist die Routine, die mit dem Alter kommt.»
Sprünge ins Luftkissen
Im Tiroler Regenerationscamp fliegt Scherrer wieder. «Dort gibt es ein spezielles Luftkissen, ideal für die Vorbereitung, bevor wir auf den Schnee gehen», erklärt er. Drei Stunden pro Tag trainiert das Schweizer Halfpipe-Team, das rund zehn Fahrer umfasst. «Nach zehn Monaten Physio tut es gut, den Fokus wieder auf den Sport zu legen und nicht nur auf die Erholung.»
Hat er Angst, mit den Sprüngen wieder richtig loszulegen? «Vor dem Training denke ich manchmal, es könnte wieder etwas passieren», gibt er zu. «Aber sobald ich auf dem Schnee bin, vergesse ich alles.»
Olympia im Visier
Sein Ziel ist klar: Olympia 2026 in Mailand/Cortina. «Ich will am Start stehen», sagt er ohne Zögern. Zunächst muss er sich über die Saison qualifizieren. Nach fünf Wochen Training in Saas-Fee will er ab Ende November wieder an Wettkämpfen teilnehmen.
Konkrete Platzierungsziele formuliert er bewusst nicht: «Ich bin überzeugt, dass ich immer noch grosse Dinge erreichen kann. Natürlich will ich in den Final und meinen besten Run zeigen. Ob es für die Top 3 oder Top 8 reicht, lasse ich offen.» Es könnten seine letzten Spiele sein. «Es kann gut sein, dass Olympia der Schlusspunkt meiner Karriere wird. Aber sicher nicht der letzte grosse Event.»
Gelassenheit statt Druck
Die Verletzung hat Scherrer verändert. «Letztes Jahr habe ich den Fehler gemacht, zu sehr auf Ergebnisse zu schauen. Das passiert mir nicht mehr», sagt er. «Meine besten Erfolge kamen immer, wenn ich locker am Start war.»
Wenn Aussenstehende meinen, er solle lieber zurücktreten, kann er nur lachen: «Wenn Leute sagen, Simon Ammann oder Roger Federer hätten früher aufhören sollen, finde ich das lächerlich. Ich halte nichts von einer Bilderbuchkarriere.»
Mehr als Medaillen
Nach Olympia will Scherrer sich neuen Projekten widmen. «Ich möchte ein Videoprojekt in der Halfpipe realisieren, ein kleines Kunstprojekt mit anderen Fahrern», verrät er.
Für den Moment zählt jedoch nur der Spass. «Wenn die Saison völlig in die Hose geht, dann ist das halt so. Solange ich viele Tage auf dem Berg bin und Freude habe, ist alles gut.»