Kilde, Boisset, Hintermann und Caviezel
Die Comeback-Pläne von vier Ski-Helden

Frankreichs Abfahrts-Held Cyprien Sarrazin wird aufgrund der Nachwehen seines fürchterlichen Abflugs in Bormio im kommenden Olympia-Winter keine Rennen bestreiten. Aber was ist mit Aleksander Aamodt Kilde und den Schweizer «Kummerbuben»? Die Antwort gibt es hier.
Publiziert: 09:59 Uhr
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Aktualisiert: vor 16 Minuten
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Arnaud Boisset avancierte im letzten Winter zum Dauergast im Krankenhaus.
Foto: Instagram/arnouille8

Darum gehts

  • Arnaud Boisset kehrt nach schwerem Unfall zurück zum Skirennsport
  • Gino Caviezel verpasst Weltcup-Auftakt wegen erneuter Knieoperation
  • Niels Hintermann trainiert nach Krebserkrankung wieder mit dem Team
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Marcel W. PerrenSki-Reporter

Boisset überrascht positiv

Es ist eine der hässlichsten Szenen der letzten Abfahrts-Saison: Arnaud Boisset prallt im Dezember in Beaver Creek nach einem missglückten Sprung über den «Harrior» mit 120 km/h Kopf voran auf die vereiste «Birds of Prey». Der Walliser erleidet bei diesem Crash eine schwere Gehirnerschütterung sowie Prellungen im Gesicht und an der Schulter. Erstaunlicherweise gibt der 27-Jährige, der 2024 beim Super-G in Saalbach als Dritter erstmals den Sprung auf ein Weltcup-Podest geschafft hat, knapp sechs Wochen später am Lauberhorn sein Comeback (Rang 28 im Super-G) und sichert sich sieben Tage danach als Dreissigster beim Super-G in Kitzbühel einen Weltcup-Punkt. Doch nach weiteren Stürzen bei der Hahnenkamm-Abfahrt und im Training in Crans-Montana bricht Boisset im Februar seine Wettkampf-Saison vorzeitig ab. Es ist zu diesem Zeitpunkt offensichtlich, dass sich die in den USA erlittene Gehirnerschütterung gravierend auf das Reaktionsvermögen des Draufgängers aus Martigny ausgewirkt hat.

Und weil er zu Beginn der Vorbereitung auf den kommenden Winter starke Schmerzen im rechten Fuss verspürt, muss Arnaud im Juni aufgrund von sogenannten Gelenkmäusen eine weitere Operation über sich ergehen lassen. Entsprechend tief waren die Erwartungen seiner Trainer, als Boisset in der zweiten September-Woche ins Schnee-Camp nach Chile geflogen ist. «Wir haben auf der Piste im Valle Neavado einen grossen Sprung gebaut. Und ich gebe zu, dass ich mir unsicher war, ob Arnaud dieser Herausforderung gewachsen ist. Letztendlich hat er uns aber positiv überrascht. Boisset hat sich in diesem Südamerika-Camp sehr gut entwickelt», resümiert Speed-Cheftrainer Reto Nydegger. Deshalb spricht aktuell nichts dagegen, dass der Romand in der letzten Novemberwoche beim Speed-Auftakt in Copper Mountain am Start stehen wird.

Verwirrender SRF-Beitrag über Caviezel

Gino Caviezel reagiert verdutzt, als er am Abend des 7. September im «Sportpanorama» einen Beitrag über sich selber sieht. In der Einleitung zur jüngsten Caviezel-Story im SRF wird behauptet, dass die körperlichen Gebrechen neun Monate nach dem üblen Super-G-Abflug in Bormio (Totalschaden im rechten Knie gepaart mit einer Schulterluxation) mehr oder weniger verheilt seien. Dass diese Information nicht der Wahrheit entspricht, wird knapp zwei Wochen später deutlich, als sich der Bündner nach einer Arthroskopie am Knie erneut aus dem Spitalbett meldet. «Dieser Eingriff war aufgrund der zahlreichen Vernarbungen und Verklebungen notwendig, weil meine Beweglichkeit dadurch eingeschränkt war. Nun werde ich vier bis sechs Wochen pausieren müssen, bis ich auf die Trainingspiste zurückkehren kann.»

Damit ist klar, dass der Weltcup-Auftakt am 25. Oktober in Sölden ohne den 33-Jährigen stattfinden wird. Unklar ist, wann der jüngere Bruder von Ex-Super-G-Weltcupsieger Mauro Caviezel (37) sein Weltcup-Comeback geben kann. «Ich werde alles dafür tun, damit ich im November mit meinem Teamkollegen ins Trainingscamp nach Copper Mountain reisen kann. Ob ich dort auch den ersten Super-G dieses Winters bestreiten kann, ist allerdings fraglich.» Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob Gino den grausamen Sturz auf der «Stelvio» mental verarbeitet hat. «Diesbezüglich bin ich sehr zuversichtlich», sagt der Modellathlet, der im Weltcup drei Top-3-Platzierungen herausgefahren hat. «Ich habe meinen Sturz bereits am Tag danach im Krankenhaus auf Video analysiert. Und ich glaube daran, dass ich diesbezüglich das Gen von meinem grossen Bruder Mauro geerbt habe, der nach noch schwereren Stürzen wieder kompromisslos ans Limit gehen konnte.»

Caviezel steht nach 231 Tagen wieder auf dem Schnee
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Nach brutalem Bormio-Crash:Caviezel steht nach 231 Tagen wieder auf dem Schnee

Das Problem von Hintermann

Niels Hintermann, der schnellste Zürcher Skirennfahrer seit dem legendären Peter Müller (Weltmeister 1987), schaut auf die schlimmste Zeit in seinem Leben zurück! Vor zwölf Monaten erhält der Sieger von zwei Weltcupabfahrten die Diagnose Lymphdrüsenkrebs und muss danach mehrere Chemos und Bestrahlungen über sich ergehen lassen. Die brutalste Phase erlebt der 30-Jährige in der zweiten Novemberhälfte. «Ich bin ein paarmal am Morgen aufgewacht, und mir war einfach nur schlecht. Es hat ein, zwei Tage gegeben, an denen ich derart schwach war, dass ich nicht gewusst habe, wie ich es zu Hause von meinem Bett auf die Couch schaffe.» Das erfreuliche Ende dieses Dramas: Seit Februar gilt Hintermann als krebsfrei.

«Musste meinen Teamkollegen ins Gesicht lügen»
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Hintermann über den Krebs:«Musste meinen Teamkollegen ins Gesicht lügen»

Die letzten Wochen hat der gebürtige Bülacher mit seinen Teamkollegen im Trainingslager im südamerikanischen Winter verbracht. «Rein skitechnisch betrachtet hat mir Niels in Chile sehr gut gefallen. Aber sein grosses Problem ist die mangelnde Geduld», sagt Erfolgscoach Reto Nydegger. Der Berner Oberländer wird konkret: «Obwohl seit seiner schweren Erkrankung noch nicht viel Zeit vergangen ist, reiste Niels mit dem Anspruch nach Chile, in den teaminternen Trainings Bestzeiten aufzustellen. Weil ihm das nicht gelungen ist, war seine Stimmung im Keller. Dabei ist es weiss Gott keine Schande, dass Niels eine halbe Sekunde auf den Weltmeister Franjo von Allmen oder Alexis Monney verloren hat.» Hintermann weiss, «dass Geduld nicht meine Stärke ist.»

Der Mann mit dem Spitznamen «Cinghiale» (Wildsau) spricht aber ein grosses Lob an seinen Übungsleiter aus: «In der Schlussphase unseres Südamerika-Camps sind wir von Valle Nevado nach La Parva gereist. Weil dort ein paar Tage zuvor der Italiener Matteo Franzoso tödlich verunglückt ist, hätte ich alleine aus Respekt gegenüber seiner Familie niemals auf dieser Piste trainieren können. Ich wäre aber auch mental nicht in der Lage gewesen, im hohen Tempo an der Unfallstelle vorbeizuschiessen. Grandioserwiese hat es Reto in kürzester Zeit geschafft, dass wir in La Parva auf einer anderen Strecke trainieren konnten.»

Kilde zeigt beim ersten Schwung seine Extraklasse

Seit er am 13. Januar 2024 bei seinem Abflug im Ziel-S der Lauberhornabfahrt eine Schulterluxation mit Bänderrissen und eine tiefe Schnittwunde an der Wade erlitt, hat Aleksander Aamodt Kilde kein einziges Rennen mehr bestritten. Doch jetzt verkündet Atomic-Rennchef Christian Höflehner richtig gute Neuigkeiten vom Gesamtweltcupsieger der Saison 2019/20: «Kilde hat in den letzten Wochen mit der norwegischen Mannschaft in Chile trainiert. Und er hinterlässt auf mich aktuell einen so glücklichen Eindruck wie schon lange nicht mehr. Das liegt nicht nur daran, dass er endlich wieder auf Schnee trainieren kann. Aleksander ist auch deshalb so happy, weil er wieder ein Teil des Teams ist.»

Kilde trainiert in Chile mit Shiffrin
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Trainingslager vor Comeback:Kilde trainiert in Chile mit Shiffrin

Und der Chef von Kildes Ausrüster macht deutlich, dass der Wikinger seine geniale Ski-Technik nicht verloren hat: «Bei den ersten Schwüngen in Chile war Kildes Extraklasse deutlich zu erkennen!» Insider von Norwegens Alpin-Team gehen davon aus, dass der 33-jährige Ausnahme-Athlet spätestens im Dezember in Gröden sein Weltcup-Comeback geben wird.

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