Andrea Ellenberger (29) verbirgt nichts. «Ich muss immer wieder mal weinen», sagt sie. Nicht jetzt, vielleicht auch nicht heute oder morgen. Aber vielleicht schon bald, auch morgen und übermorgen. «Ich habe es nicht unter Kontrolle, es kommt und macht und tut», sagt die Riesenslalom-Spezialistin. Was sie meint: Vor zwei Monaten starb ihr geliebter Vater Manfred (†66). Das zog ihr den Boden unter den Füssen weg. «Er hat alles gegeben, um mich noch einmal bei einem Skirennen zu sehen. Das war sein Ziel. Leider hat er es nicht geschafft.»
Der Tod ihres Vaters war für Ellenberger ein grosser Schlag. «Mir fehlen die Worte, um auszudrücken, wie sehr du mir fehlst und wie unglaublich traurig ich bin, dich nicht mehr festhalten zu können», schrieb sie auf Instagram. Warum entschied sie sich, die Nachricht öffentlich zu machen? Die 30-fache Weltcup-Starterin aus Hergiswil NW erklärt: «Das ist ein Teil meines Lebens. Und es gibt viele Menschen, die mich unterstützen und das Recht haben zu erfahren, warum ich mich zurückgezogen habe und es mir manchmal nicht so gut geht.»
Ellenberger verbraucht viel Energie
An einen Rücktritt dachte die Team-Weltmeisterin von Are (2019), die in ihrer Karriere oft und vor allem schwer verletzt war, nicht. «Ich weiss, dass es Papis Wunsch war, dass ich weitermache», sagt sie. Dennoch brauchte Ellenberger eine Weile, ehe sie wieder das Training aufnehmen konnte. «Ich weiss, dass ich momentan einen grösseren Rucksack trage. Und genau darum habe ich mit den Trainern abgemacht, dass ich am Berg sofort das Training abbrechen darf, wenn ich nicht mehr fokussiert bin. Skifahren ist eine Risikosportart und ich habe mich schon zu oft verletzt.»
Obwohl sie deutlich weniger Skitage in den Beinen hat, fühlt sich Ellenberger gut in Form. «Klar fehlen mir Kilometer. Andererseits bin ich so entspannt wie noch nie. Denn sonst mache ich mir sehr viel Druck, habe enorme Erwartungen an mich. Nun aber habe ich gar nicht die Energie, um mir über solche Dinge Sorgen zu machen. Vielleicht läuft es mir deshalb auf den Ski gut», sagt sie. Beim Saisonauftakt in Sölden wäre sie mit Startnummer 24 am Start gestanden, hätten Regen und Schnee das Rennen nicht verunmöglicht.
Wechselbad der Gefühle
Noch hat Ellenberger ihren Schicksalsschlag nicht verdaut. Vielleicht muss sie dies auch gar nicht. Sie geht davon aus, dass die Saison ein Auf und Ab wird. «Das wird mich immer begleiten», sagt die Frau, die neben dem Skisport ein Psychologie-Studium erfolgreich absolviert hat. Einerseits würde sie Stolz empfinden, wieder so weit gekommen zu sein, «anderseits tut es immer noch unglaublich weh. Manchmal habe ich grosse Freude und kurz darauf ist mir zum Heulen zumute.»
Ihr Vater sei zwar physisch nicht mehr an ihrer Seite, findet Ellenberger. «Aber in mir drin. Ich habe sehr viel von ihm. Wie ich denke, rede, handle und bin – er wird immer in meinem Herzen sein.» Glaubt sie, dass er ihr beim Parallel-Event von Lech (Ö) von irgendwoher zuschauen wird? «Ja. Und ich hoffe, dass er mich den Berg runterschickt und stolz ist auf mich.»
Jetzt wird wieder durch den Stangenwald getanzt und die Abfahrtspisten runter gedonnert. Hier findest du alles, was du über die neue Ski-Saison wissen musst.
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