Darum gehts
- Estelle Alphand erhebt Vorwürfe gegen ehemaligen französischen Ski-Cheftrainer Anthony Séchaud
- Alphand und andere Skifahrerinnen berichten von Schikanen und moralischer Belästigung
- Athletinnen um Tessa Worley stärken Séchaud in gemeinsamer Mitteilung den Rücken
Estelle Alphand (30) trat in die Fussstapfen ihres Vaters Luc Alphand (59) und fährt ebenfalls Ski. Nun sorgt die Tochter des Gesamtweltcupsiegers 1997 mit heftigen Vorwürfen für Aufsehen.
2017 wechselte sie die Nation und startet nicht mehr für Frankreich, sondern neu für Schweden, das Heimatland ihrer Mutter. Der Grund: Frankreichs damaliger Cheftrainer Anthony Séchaud (von 2014 bis 2018 im Amt). Mit Ex-Teamkolleginnen wirft Alphand ihm gegenüber «Le Monde» «moralische Belästigung und Schikanen junger Skifahrerinnen» vor.
«Diese Zeit war schrecklich», erinnert sich Alphand. Ob sie beim Rennen starten durfte, erfuhr sie oft aus der Presse. Teilweise durfte sie nicht ran, «obwohl ich mich vorbereitet hatte und im Training die Schnellste war». Wer nicht in der Gunst des Coachs stand, musste im Training rutschen oder sich ums Material kümmern. So kommt Alphand irgendwann an den Punkt, an dem es nicht weitergeht: «Entweder ich höre mit dem Skifahren auf oder ich gehe woanders hin.» Sie wechselte nach Schweden – und fuhr sogleich ihr Bestresultat ein (Platz 5).
«Ich will dich hier nicht haben»
Marie Massios (33) ging es ähnlich, sie trat 2018 zurück, weil sie das Gefühl hatte, sonst «verrückt zu werden». Nicht nur Schikane habe es vonseiten des Trainers gegeben, sondern auch sexistische Bemerkungen und Beschimpfungen. Jennifer Piot (33), Abfahrt-Juniorenweltmeisterin 2017, wurde als 20-Jährige in einem Trainingslager von Séchaud mit den Worten «Ich will dich hier nicht haben» begrüsst. Sie bezeichnet es rückblickend als «die Hölle».
Ein weiteres Beispiel: Einige Athletinnen mussten einen Vertrag unterschreiben, der sie in die zweite Reihe verbannte. Alphand, die unter starken Rückenschmerzen litt, musste deswegen etwa länger auf den Physio-Termin warten.
Andere Athletinnen stärken ihm den Rücken
Gegenüber «L'Équipe» äussert sich Séchaud zu den Vorwürfen. Er sei «am Boden zerstört». Klar, habe es angespannte Diskussionen gegeben, aber deswegen müsse man nicht alles verunglimpfen. «Wenn ich über moralische Belästigung lese, berührt mich das am meisten.»
Auch andere Ex-Athletinnen reagieren – und stärken Séchaud den Rücken. Eine Gruppe um die zweifache Riesenslalom-Weltmeisterin Tessa Worley (35) schreibt in einer Mitteilung, dass seine Ansätze zwar anspruchsvoll waren, aber «stets auf Fortschritt und Leistung ausgerichtet». Er übe seinen Beruf mit «Sorgfalt, Leidenschaft und Hingabe» aus. Abschliessend halten sie fest, sie hätten «volles Vertrauen in die Integrität und Berufsethik von Séchaud».