Umsatz statt Tradition – das passt nicht allen
Zürcher verschieben Schwingfest für mehr Party-Fans

Seit ihren Anfängen finden Schwingfeste jeweils am Sonntag statt. Die Organisatoren des Zürcher Kantonalen entschieden sich dagegen. Der Verband ist darüber nicht restlos begeistert.
Publiziert: 12:04 Uhr
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Aktualisiert: 13:15 Uhr
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Schwinger Armon Orlik (r.) muss am kommenden Wochenende bereits am Samstag in die Zwilchhosen steigen.
Foto: BENJAMIN SOLAND

Darum gehts

  • Das Zürcher Kantonale Schwingfest findet am Samstag statt – ein Traditionsbruch
  • Organisatoren erwarten längeren Aufenthalt und höheren Konsum der Besucher
  • Der Verband spricht sich nicht klar dagegen aus – begeistert ist er aber nicht
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Nicola AbtReporter Sport

Was früher undenkbar war, wird immer häufiger Realität: Kranzfeste am Samstag. Ein Traditionsbruch. Für den sich auch die Organisatoren des Zürcher Kantonalen vom kommenden Wochenende entschieden haben. Die Idee entstand während der ersten OK-Sitzung.

Dabei diskutierten sie über eine mögliche Abendunterhaltung am Samstag. Doch wer feiert schon ausgelassen, wenn am Sonntagmorgen früh im Sägemehl gekämpft wird? Die Schwing-Fans gehen zeitig ins Bett. Für alle anderen gibt es rund um Urdorf ZH viele attraktive Party-Möglichkeiten.

Hohe Kosten für ein Schwingfest

Es drohten viel Aufwand und wenig Ertrag. Deshalb wurde das Schwingfest auf den Samstag vorverlegt. «Die Schwinger und Zuschauer bleiben dann eher länger auf dem Festplatz», erklärt OK-Mitglied Bruno Auf der Maur. Entsprechend mehr wird konsumiert. Das lohnt sich finanziell und ist für die Veranstalter überlebenswichtig.

Denn ein grösseres Schwingfest zu organisieren, ist heutzutage mit hohen Kosten verbunden. Da wäre zum einen der Aufbau einer temporären Arena für Tausende von Menschen. Zum anderen muss das Festgelände mit der entsprechenden Infrastruktur ausgestattet werden. Die gestiegenen Sicherheitsanforderungen und behördlichen Auflagen führen zu zusätzlichen Kosten. Hinzu kommen weitere kleinere Budget-Fresser.

Mit ihrer Entscheidung stehen die Organisatoren des Zürcher Kantonalen nicht alleine da. So findet das Oberaargauische Schwingfest seit mehreren Jahren am Samstag statt. Genauso wie das Bergfest auf dem Weissenstein. Nach der Premiere im Jahr 2013 bewogen die vielen positiven Rückmeldungen das OK dazu, daran festzuhalten.

Abschaffung des Pflichtschultags veränderte vieles

Die Programmänderung am kommenden Wochenende betrifft auch die Jungschwinger. Diese kämpfen erst am Sonntag. Was Stefan Hungerbühler, Medienverantwortlicher des Thurgauer Verbands, kritisiert. «Ich habe es selbst erlebt: So ein Fest kann lange dauern. Einmal war ich erst um 23 Uhr zu Hause. Und am nächsten Tag mussten wir in die Schule. Erwachsenen kann man das eher zumuten – Kindern nicht.»

Bis Mitte der 1990er Jahre wurden nahezu alle Schwingfeste für Aktive und Nachwuchs an Sonntagen ausgetragen. Dies führte häufig zu Terminkollisionen und Unzufriedenheit bei den Beteiligten. Mit der Abschaffung des Pflichtschultags am Samstagvormittag gegen Ende der 1990er Jahre wurden zahlreiche Nachwuchswettkämpfe auf den Samstag verlegt.

Ticketverkauf läuft gut

Dass diesmal der Jungschwingertag erst am Sonntag stattfindet, scheint für die Beteiligten kein Problem zu sein. «Die Jungschwinger und deren Umfeld des Schwingklubs Glatt- und Limmattal haben die Meldung positiv aufgenommen. Es gibt bereits einige Wettkämpfe, die an Sonntagen stattfinden», so das OK.

Dass die Kranzfeste ursprünglich immer am Sonntag ausgetragen wurden, ist auf die Bauern zurückzuführen. Diese hatten an Werktagen keine Zeit, um Sportanlässe zu besuchen. Obwohl gewisse Leute verhindert sind, läuft der Ticketverkauf für das Zürcher Kantonale sehr gut. «Die Tribünenplätze sind praktisch ausverkauft, und auch die Rasensitzplätze wurden stark nachgefragt», heisst es vonseiten des OK.

Verband hebt den Mahnfinger

Und was sagt der Schwingerverband zum Traditionsbruch? «Für die Festwirtschaft ist dies sicherlich von Vorteil, wenn der Samstagabend auch noch genutzt werden kann. Das Schwingfest soll jedoch im Zentrum stehen und nicht die Party am Abend», erklärt Geschäftsführer Reto Bleiker.

Der Verband spricht sich weder klar für noch gegen Schwingfeste am Samstag aus. Sie lassen jedoch durchblicken, dass sie nicht restlos begeistert sind: «Es darf nicht vergessen werden, dass es doch einige Festbesucher gibt, die samstags noch arbeiten müssen.»

Hat der Samstag eine Zukunft?

Dem stimmt Hungerbühler zu. Und bringt neben seinem Hauptkritikpunkt bezüglich des Nachwuchses noch eine weitere Sache auf, die es zu bedenken gibt: «Samstags finden auch Nationalturnwettkämpfe statt, an denen viele Schwinger teilnehmen. Diese Kollision könnte die Teilnehmerzahlen bei beiden Veranstaltungen negativ beeinflussen.»

Wann welche Schwingfeste stattfinden, liegt in der Verantwortung der Kantonal- und Gauverbände. «Wir können nur marginal Einfluss nehmen», erklärt der Verband. In diesem Jahr haben sich auch die Berner Mittelländer dazu entschieden, ihren Wettkampf am Samstag durchzuführen. Ob sich dieses Modell in Zukunft durchsetzt? Der Verband ist skeptisch: «Eine solche Entwicklung ist zurzeit nicht absehbar.»

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