Darum gehts
- Marlen Reusser erholt sich von Post-Covid-Syndrom und zeigt starke Leistung
- Wechsel zu spanischem Team Movistar bringt neue Leader-Rolle
- Bei der Vuelta wurde sie zweimal Zweite und Gesamtzweite – und bei der Tour de Suisse?
Ist das wirklich die gleiche Frau wie vor einem Jahr? Manch einer dürfte sich bei Marlen Reusser (33) zuletzt genau dies gefragt haben und verwundert die Augen gerieben haben. «Nach alldem, was war, ist das ultrakrass», sagt das Berner Rad-Ass.
Im Mai 2024 fuhr Reusser bei der Burgos-Rundfahrt wie ein Gespenst – kraftlos, freudlos, hilflos. Sie litt an einem Post-Covid-Syndrom, was sie damals nicht wusste. Nach dem Rennen sah sie ein: «Es geht nicht mehr.»
Sie brach die Saison ab, ihre Träume von Olympia in Paris und der Heim-WM in Zürich platzten, gar die ganze Karriere war in Gefahr. «Wird es jemals wieder wie früher?», fragte sie sich.
Heute kennt Reusser die Antwort: Ja! Sie ist vielleicht stärker als je zuvor. Bei der Vuelta fuhr sie letzte Woche brillant. Obwohl die fünftägige Rundfahrt kein Einzelzeitfahren (ihre grosse Stärke), dafür viele Berge enthielt, wurde sie zweimal Zweite. Und auch im Gesamtklassement wurde sie nur von der 13 Kilo leichteren Rad-Überfliegerin Demi Vollering (28) bezwungen.
Speziell: Reusser legte am genau gleichen Anstieg wie vor Jahresfrist, hinauf zu den Lagunas de Neila, den Grundstein für ihren Erfolg. «Das war damals mein letzter Renntag und der Beginn meiner halbjährigen Krankheitsgeschichte. Ein sehr emotionaler Moment. Der Berg ist super steil, aber ich hatte tolle Beine und den besten Tag meiner Karriere erwischt», so Reusser.
Stimmung im neuen Team beflügelt sie
Man spürt: Die Olympia-Silberfrau von Tokio 2021 fühlt sich wieder wohl in ihrer Haut. Das hat auch mit ihrem neuen spanischen Team Movistar zu tun. Nach drei Jahren in Holland bei SD Worx, wo sie unzählige Teamerfolge feierte, aber häufig nicht ihre eigenen Karten spielen konnte, ist Reusser nun fast immer in einer Leader-Rolle.
«Es ist wirklich cool», sagt sie. Vor allem die Atmosphäre hat es ihr angetan – man ist zwar äusserst professionell, aber alles ist auch etwas lockerer.
Schlägt sie bei der Tour de Suisse erneut zu?
Wohin das Reusser noch führen wird? Auch bei der Tour de Suisse (12. bis 15. Juni) gibt es kein Zeitfahren. Angesichts ihrer neuen Stärke am Berg muss man die Frau, die mit ihrem Freund und Trainer Henrik Werner neu in Andorra lebt, allerdings auf der Rechnung haben.
Bereits 2023 gewann Reusser die Tour – bleibt sie gesund, könnte sie nachdoppeln. Hätte dies jemand im Winter in Erwägung gezogen, wäre er wohl von Reusser selbst für verrückt erklärt worden.