«Er schaut von oben zu»
Rad-Lienhard fährt trotz verstorbenem Vater in Topform

Zuerst Achter, dann Zehnter. Fabian Lienhard ist zweimal bester Schweizer. Jetzt will er mehr. Nur etwas schmerzt unendlich: Vater Erwin ist nicht mehr da.
Publiziert: 19.06.2019 um 12:06 Uhr
Fabian Lienhard sorgt an der Tour de Suisse aus Schweizer Sicht für Furore.
Foto: Urs Lindt/freshfocus
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Mathias Germann

Fabian? Nein, lieber «Lieni». So nennen fast alle Fabian Lienhard. Ihm gefällts. Und es passt zum Naturell des 25-jährigen Zürchers aus Steinmaur. Er ist offen, zuvorkommend, unkompliziert. Und er versteckt sich nicht hinter Worthülsen. Fragt man Lienhard etwas, bekommt man auch eine ehrliche Antwort. Der beste Beweis: Der Sprint-Spezialist redet auch über den Tod seines Vaters Erwin. «Das ist meine erste Tour de Suisse. Ein Highlight. Aber genau jetzt ist er aber nicht mehr da. Das tut weh.»

Der Hintergrund: Erwin Lienhard erlag Ende Januar seinem Krebsleiden. Er wurde 62 Jahre alt. Neun Mal nahm er in seiner Karriere an der Tour de Suisse teil. In Erinnerung bleibt er den Rad-Anhänger vor allem wegen seines Triumphs in der Königsetappe 1981 von Lugano TI nach Laax GR. Damals setzte sich Lienhard im Duell Mann-gegen-Mann durch. Sein Gegner? Kein geringerer als Joop Zoetemelk (Ho), der grosse Sieger der Tour de France 1980. «Ich habe mir das Video, wie mein Vater gewinnt, unzählige Male angeschaut», so Fabian.

«Es wurde ein langer Winter»

1986 beendete Erwin Lienhard seine Karriere, sieben Jahre später kam Sohn Fabian zur Welt. Dieser zeigte früh Interesse am Radsport, heute sagt er aber auch: «Mein Vater hat mich nie gedrängt. Höchstens gesagt, ich solle weniger in den Ausgang.» Fabian muss schmunzeln. Er ist seinem Vater unendlich dankbar. Dieser half ihm überall, wo es nur ging – auch später, als er den Schritt vom Quer- zum Strassenradsport machte und zuweilen hart um seine Karriere kämpfen musste.

Kein Wunder, dass Fabian die Nachricht seiner Erkrankung schwer mitnahm. Ende September 2018 erhielt er die Kündigung seines amerikanischen Teams. Nach einem Krach waren die Sponsoren ausgestiegen. Zwar fand Lienhard Unterschlupf in einem kleinen Schweizer Team, doch es wurde immer schwieriger, mit dem Kopf bei der Sache zu bleiben. Seinem Vater ging es immer schlechter. «Es wurde ein langer Winter», so Lienhard.

Lienhard hat die Einstellung seines Vater mitgenommen

Umso überraschender war Fabians Einstieg in die neue Saison. Zwei Etappensiege bei kleinen Rennen, Platz 2 in der Gesamtwertung der Tour de Bretagne. Nationaltrainer Marcello Albasini: «Fabian hatte eine schwierige Zeit, aber er hat sich befreit.»

Wie war das möglich? Lienhard: «Mein Vater hat bis zu seinem Tod immer gekämpft, nie aufgegeben. Ich denke, diese Einstellung habe ich mitgenommen.» Er habe sich super auf die Tour de Suisse vorbereitet. «Das zahlt sich bislang aus. Ich wurde Achter und Zehnter. Und in Einsiedeln habe ich noch eine Chance – ich will mehr.»

Seit fünf Monaten ist Erwin Lienhard nicht mehr da. Zumindest nicht physisch. Fabian: «Aber ich bin sicher, dass er mir von oben zuschaut. Und auch stolz auf mich ist.»

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