«Der Ablauf ist einfach und kurzweilig»
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Neuer Doping-Test:«Der Ablauf ist einfach und kurzweilig»

Schwerwiegende Vorwürfe im Fall Flückiger
Ex-Antidoping-Chef fordert Rücktritt seines Nachfolgers

Ein brisantes Dokument setzt Swiss Sport Integrity im Fall Flückiger weiter unter Druck. Dopingexperte Matthias Kamber fordert Entlassungen.
Publiziert: 25.04.2025 um 00:01 Uhr
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Der Fall Mathias Flückiger scheint kein Ende zu nehmen. Auch nach zweieinhalb Jahren sind sich die Parteien noch immer uneinig.
Foto: Pascal Muller/freshfocus

Darum gehts

  • Mathias Flückiger spricht erstmals über seine Eindrücke vom runden Tisch
  • Er zeigt sich enttäuscht über gewisse Aussagen von Swiss Sport Integrity
  • Flückiger präsentierte ein Dokument mit 51 Verbesserungsvorschlägen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Nicola AbtReporter Sport

Mitte Februar kam es im Fall Mathias Flückiger (36) zur lang ersehnten Aussprache. Zweieinhalb Jahre nach der falschen Dopinganschuldigung sassen alle Parteien an einem Tisch. Es sollte ein Schritt Richtung Versöhnung und Aufarbeitung sein. Doch das Gegenteil geschah.

Statt Lösungen entstanden neue Konflikte. Nun redet Flückiger erstmals selbst darüber. Der Berner spricht von einem «Affront». Für ihn ist klar: «Es geht gar nicht mehr um meinen Fall, sondern nur noch um sportpolitisches Geplänkel.»

Der Leitung des runden Tischs hatte sich die neu gewählte Swiss-Olympic-Präsidentin Ruth Metzler-Arnold angenommen. Doch trotz namhafter Leitung und breit abgestützter Besetzung brachte das Treffen laut Flückiger nicht die erhofften Impulse.

So kams zum Doping-Vorwurf gegen Flückiger

Am 5. Juni 2022 nach der SM in Leysin VD werden bei Mathias Flückiger in einer Dopingprobe 0,3 Nanogramm pro Milliliter der anabolen Substanz Zeranol nachgewiesen. Weil der Befund aber unter dem festgelegten Schwellenwert von 5,0 Nanogramm pro Milliliter liegt, gilt er zunächst nicht automatisch als positiv. Er wird als sogenannt atypisch gewertet, woraufhin Swiss Sport Integrity (SSI, vormals Antidoping Schweiz) weitere Abklärungen veranlasste.

Am 18. August 2022 zieht SSI Flückiger dann aber als provisorisch gesperrt aus dem Verkehr. Es ist nun fälschlicherweise von einer positiven Probe die Rede. Vier Monate später hebt die Disziplinarkammer (DK) von Swiss Olympic die Sperre wieder auf – sie folgt damit der Darstellung der Flückiger-Seite. Diese wirft SSI Verfahrensfehler vor. Ein atypischer Befund wird nicht öffentlich gemacht. Und die Beweislast liegt nicht beim Athlet, sondern bei SSI.

Der Fall bleibt über Monate hängig, die Anwälte haben viel zu tun. Dann spricht die DK im Mai 2024 Flückiger definitiv frei. Seine Probe gilt als nicht verwertbar. SSI und die Welt-Dopingagentur Wada verzichten auf einen Weiterzug. 

Am 5. Juni 2022 nach der SM in Leysin VD werden bei Mathias Flückiger in einer Dopingprobe 0,3 Nanogramm pro Milliliter der anabolen Substanz Zeranol nachgewiesen. Weil der Befund aber unter dem festgelegten Schwellenwert von 5,0 Nanogramm pro Milliliter liegt, gilt er zunächst nicht automatisch als positiv. Er wird als sogenannt atypisch gewertet, woraufhin Swiss Sport Integrity (SSI, vormals Antidoping Schweiz) weitere Abklärungen veranlasste.

Am 18. August 2022 zieht SSI Flückiger dann aber als provisorisch gesperrt aus dem Verkehr. Es ist nun fälschlicherweise von einer positiven Probe die Rede. Vier Monate später hebt die Disziplinarkammer (DK) von Swiss Olympic die Sperre wieder auf – sie folgt damit der Darstellung der Flückiger-Seite. Diese wirft SSI Verfahrensfehler vor. Ein atypischer Befund wird nicht öffentlich gemacht. Und die Beweislast liegt nicht beim Athlet, sondern bei SSI.

Der Fall bleibt über Monate hängig, die Anwälte haben viel zu tun. Dann spricht die DK im Mai 2024 Flückiger definitiv frei. Seine Probe gilt als nicht verwertbar. SSI und die Welt-Dopingagentur Wada verzichten auf einen Weiterzug. 

Besonders verärgert zeigt sich der Mountainbiker über die fehlende Bereitschaft, die begangenen Fehler aufzuarbeiten. Stattdessen lautete eine Schlussfolgerung, dass die Athletinnen und Athleten in Zukunft besser sensibilisiert werden sollen. «Von SSI (Swiss Sport Integrity, Anm. d. Red.) und Swiss Cycling wurden in meinem Fall mehrfach massive Fehler begangen. Dass dies scheinbar keine Konsequenzen haben wird und einfach ausgesessen werden kann, ist äusserst fragwürdig», so Flückiger.

Dopingexperte formuliert heftige Vorwürfe

Was sie alles falsch gemacht haben, hat der ehemalige Schweizer Antidoping-Chef Matthias Kamber dokumentiert. Das Schreiben, das Blick vorliegt, umfasst 25 Seiten. Kamber listet darin 51 Verbesserungsvorschläge für die Dopingbekämpfung auf. Die meisten beruhen auf Versäumnissen von SSI. Aber auch Swiss Cycling wird darin kritisiert.

Das Dokument wurde Swiss Olympic zugestellt. Es sollte als Basis für eine saubere Aufarbeitung des Falls dienen. Während der Aussprache fragte Flückiger, wie die Beteiligten das Schreiben bewerten. «Es wurde mit einem müden Lächeln abgetan und als völlig utopisch bezeichnet. Das ist fatal», so der Olympia-Zweite.

Denn die Vorwürfe sind schwerwiegend. Kamber schreibt von «ungenügenden Kontrollstrukturen, fehlender Fachkompetenz und Fehlerkultur sowie unethischem Verhalten». Er ist einer, der es wissen muss. Seit über 30 Jahren kämpft Kamber gegen Doping. Flückiger hatte Kamber mit einem Mandat engagiert, um ihm in dieser Angelegenheit zu helfen und seine Unschuld zu beweisen. Auch dank seiner Expertise wurde Flückiger schliesslich freigesprochen. Das Dokument verfasste er nach Mandatsende. Im Gespräch nennt er die gravierendsten Fehler der Gegenseite.

Dem Personal fehlt das Fachwissen

Angefangen bei der Abnahme der Urinprobe an der Schweizer Meisterschaft. «Die dortigen Verhältnisse hätten nicht toleriert werden dürfen.» So war der Kontrollbereich zugänglich für Dritte und nicht von der Küche abgetrennt. Entsprechend hätte dort keine Kontrolle stattfinden dürfen.

Deshalb fordert Kamber: «Das Personal muss im Hinblick auf die erhöhten Anforderungen des Kontrollablaufs wegen möglichen Kontaminationen besser geschult werden.» Fehler stellte er auch bei den weiteren Abklärungen fest.

Bereits rund 48 Stunden nach dem Probeneingang hatte das Labor erste Hinweise auf eine atypische Probe. Trotzdem dauerte es über vier Wochen, bis SSI darüber informiert wurde. Damit verstrich entscheidende Zeit für zusätzliche Untersuchungen.

Kommunikation bewusst am Vorabend der EM?

Von der Abnahme der Probe bis zum Moment, als Flückiger vom Ergebnis erfuhr, vergingen zweieinhalb Monate. Am 18. August 2022 sprachen SSI und der Schweizer Radverband fälschlicherweise von einer positiven Dopingprobe. «Entgegen der Vorschriften haben sie den Athleten davor nicht kontaktiert. Zudem wurden durch SSI ungenügende Abklärungen zur Substanz und der Kontamintationsproblematik gemacht.»

Auch andere zwingend erforderliche Schritte seien ignoriert worden. «Es macht den Anschein, als bräuchte SSI einfach wieder einmal eine positive Probe. Wieso sonst hätten sie gerade am Vortag von Flückigers EM-Start informiert? Dies ist unethisches Verhalten.»

In solch wichtigen Fällen plädiert Kamber dafür, dass künftig erst nach Überprüfung durch externe Experten und nach Absegnung durch den Stiftungsrat informiert werden darf. «Es braucht grundlegende Veränderungen», fasst Kamber zusammen.

Kamber macht brisanten Vorschlag

Wegen der vielen Fehler stellt er SSI ein miserables Zeugnis aus. «SSI hat grundlegend versagt. Deshalb müssten der Direktor und der Stiftungsratspräsident dafür die Verantwortung übernehmen und zurücktreten. Nur so kann das Vertrauen in SSI wieder hergestellt werden.»

Dem stimmt Flückiger zu. «Die Glaubwürdigkeit ins System ist für alle Athletinnen und Athleten nicht mehr gewährleistet», sagt der Mountainbiker. Was Kamber über einen radikalen Schritt nachdenken lässt. «Ich würde SSI die Dopingbekämpfung wegnehmen, zumindest für den internationalen Leistungsbereich. Sie sollen sich auf Ethikverstösse konzentrieren.»

Schweizer Antidoping-Chef wusste von nichts

Als Alternative käme die Internationale Testing Agency (ITA) mit Sitz in Lausanne infrage. «Sie könnten die Schweizer Kontrollen übernehmen. Nur so kann das zerstörte Vertrauen wiederhergestellt werden.»

Als Blick Antidoping-Chef Ernst König mit den Vorwürfen konfrontiert, reagiert dieser überrascht: «Von den 51 Verbesserungsvorschlägen habe ich noch nie etwas gehört. Deshalb kann ich dazu keine Stellung nehmen.» Auch zu den Geschehnissen am runden Tisch und zu Kambers Rücktrittsforderung äussert er sich nicht.

«Da alle Teilnehmer eine Vertraulichkeitsvereinbarung unterzeichnet haben.» Bei allen Meinungsverschiedenheiten sind sich die Parteien in einem Punkt immerhin einig: So etwas wie mit Flückiger darf nie wieder passieren.

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