Darum gehts
- Julien Wanders (29) startet am Sonntag am Hamburg-Marathon
- Der Genfer sagt: «2025 soll mein Comeback-Jahr werden»
- Er spricht über Leidenszeit und wie er sein altes Level erreichen will
Im Februar 2019 sorgte Julien Wanders (29) für einen Paukenschlag: Bei einem Halbmarathon in den Vereinigten Arabischen Emiraten gelang dem Genfer eine Fabelzeit – 59:13 Minuten für die gut 21 Kilometer. Der Schweizer Langstreckenläufer pulverisierte die Zeit von Lauf-Legende Mo Farah (42, Gb). Sechs Jahre später hält sein Europarekord noch immer, trotz Revolution bei den Laufschuhen.
Wanders, der Sohn einer Genfer Musikerfamilie, war mit 22 Jahren plötzlich der beste Ausdauerläufer des Kontinents. Verrückt. Und es hätte erst der Anfang sein sollen. «Zu diesem Zeitpunkt war ich fast an der Spitze der Welt», blickt er wehmütig zurück. «Und dann folgte der Absturz, das war hart zu akzeptieren.»
200 bis 220 Kilometer pro Woche für den Traum
Wanders ist in seiner Wahlheimat Kenia am Telefon, als er mit Blick über seine turbulenten letzten Jahre spricht – mit vielen Rückschlägen, aber auch privaten Höhepunkten. Grund für das Gespräch? Wanders greift wieder an! «Ich hoffe sehr, dass 2025 mein Comeback-Jahr wird.» Und: «Ich glaube daran, wieder mein Level von früher zu erreichen.» Am Sonntag hat er Grosses vor: In Hamburg wird er den Marathon laufen.
Wanders lässt tief blicken: «Ich war für etwa drei Jahre nicht mehr in der Lage, weiter als 30 Kilometer zu rennen.» Nun hat sich sein Körper erholt. Wanders teilt Bilder von 40-Kilometer-Trainingsläufen. «Süsser Schmerz», nennt er es. Einen Umfang von 200 bis 220 Kilometern pro Woche spulte er zuletzt ab. Und ist dabei endlich wieder glücklich.
Verletzungen, Übertraining, Magenkrämpfe
Denn es ist noch nicht lange her, da war sein Körper am Ende. Im Frühjahr 2023 ging kaum mehr etwas. Dem «Tages-Anzeiger» enthüllte er später: «Mein Körper war ganz einfach sehr müde. Ich war wohl in einem Übertraining – nicht nur für einige Monate, sondern vielleicht über Jahre.» Ein brutales Eingeständnis für den Mann, der der Beste der Welt werden wollte und diesen Traum mit aller Hartnäckigkeit verfolgte.
Er musste lernen, sich zu kontrollieren. Nun sagt er: «Mein Naturell ist es, mich zu pushen, wenn es geht. Aber je mehr ich mich antrieb, desto mehr gings abwärts. Ich denke, ich bin nun geduldiger.» Es soll auch im Marathon zum Erfolg führen. Seine bisherigen zwei Versuche waren brutal: Beim Debüt in Paris 2022 plagten ihn Magenkrämpfe (2:11:52). Dann in Valencia musste er aufgeben. Jetzt? «Alles unter 2:10 wäre gut», sagt Wanders.
Der Ausnahmeläufer ist der Mann ohne Uhr
Hat er eine Idee im Kopf, ist er konsequent. Schon als Gymi-Schüler schrieb er über das Geheimnis kenianischer Läufer. Nach der Matura flog er als 18-Jähriger nach Nairobi. Nicht viel später wanderte er aus. Er fragte sich: Was muss man tun, um so gut wie die Kenianer zu werden? Seine Antwort: Ein Kenianer werden. Er ist in Ostafrika heimisch geworden, hat hier seine Frau Kolly kennengelernt, letztes Jahr geheiratet. Und ein Haus gebaut: «Wie ein grosses Chalet, halt im Herzen Afrikas», erzählte er der «Schweizer Illustrierten».
Im Läufer-Mekka Iten (2'400 M.ü.M.) arbeitet er daran, auf das Level von einst zu kommen. «Ich denke, es ist möglich.» Aber es braucht Zeit. Der Hamburg-Marathon am Sonntag (9.30 Uhr) soll ein erster Schritt sein. Auch jetzt wird er ganz auf sein Gefühl vertrauen. «Ich trage an Rennen keine Uhr», sagt er. Selbst beim Marathon nicht? «Nein, ich denke nicht.» Julien Wanders ist wieder da, wie man ihn kennt.