Gold-Schützin Christen über ihren Rücktritt
«Brauchte Abstand von all den Emotionen»

Die beste Schweizer Sportschützin aller Zeiten sagt Tschüss. Nina Christen spricht offen über Höhen und Tiefen ihrer grossartigen Karriere – und stellt etwas klar.
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Nina Christen wird ihr Gewehr im Profisport niederlegen.
Foto: keystone-sda.ch

Darum gehts

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Marco PescioReporter Sport

Nina Christen (31) musste im Schiessstand stets ruhig, überlegt und konzentriert handeln – eine überhastete Vorgehensweise hätte ihre Treffsicherheit gefährdet. Und auch jetzt, bei ihrem Rücktritt vom Profisport per Ende Jahr, erfolgt die Entscheidung alles andere als aus dem Affekt. «Ich habe mir dieses Jahr nach den Sommerspielen 2024 in Paris bewusst genommen», sagt die Nidwaldnerin, «ich musste Abstand gewinnen von all den Emotionen, die solche Grossanlässe hinterlassen». Christen weiss, wovon sie spricht. Sie hat in ihrer enorm erfolgreichen, aber auch bewegten Laufbahn alles erlebt.

Mit Gold im Dreistellungsmatch mit dem Kleinkalibergewehr sowie Bronze mit dem Luftgewehr über 10 m avancierte Christen 2021 an den Olympischen Spielen in Tokio zur Heldin und erfolgreichsten Schützin im Schweizer Schiesssport. Hinzu kamen zahlreiche nationale und internationale Top-Ergebnisse und 2016 ein olympisches Diplom in Rio de Janeiro. Den Abschluss bildete kürzlich die WM in Kairo, wo sie mit Emely (17) und Vivien Jäggi (19) Team-Silber gewann.

Christen tritt stolz zurück – und im Wissen, enorm viel aus 15 Jahren Spitzensport herausgeholt zu haben: «Ich habe immer gross geträumt und immer daran geglaubt, viel erreichen zu können.»

«Ich habe in jener Zeit viel gelernt»

Doch Christen erlebte auch herausfordernde Zeiten. 2024 ging sie in Paris als Hoffnungs- und Schweizer Fahnenträgerin an den Start, reiste jedoch enttäuscht ohne Olympiamedaille wieder ab. Den grössten Kampf bestritt sie allerdings 2021 nach ihrem Höhenflug in Tokio, als sie nach einem immensen Rummel um ihre Person in ein mentales Loch fiel. Rückblickend sagt sie hierzu: «Ich habe in jener Zeit viel gelernt – auch über mich. Etwa, dass ich netter zu mir sein und mir nicht zu viel Druck machen sollte. Und dass ich lockerer an gewisse Dinge herangehen sollte.»

In jener schwierigen Zeit war Christen völlig erschöpft und ausgelaugt, kam morgens kaum aus dem Bett und wollte das Haus nicht mehr verlassen. Diesbezüglich betont sie allerdings, dass das herumgereichte Wort «Depression» so nicht ganz stimmte, zumal es sich bei diesem um eine Krankheit handelte: «Bei mir war es keine postolympische Depression, die diagnostiziert wurde. Es war ein Tief, das trifft es am besten.»

Christen streicht im Rückblick auf ihre Karriere die Unterstützung vieler Weggefährten heraus, jene von ihrem Lebenspartner Camille jedoch will sie besonders würdigen: «Wir sind seit 14 Jahren zusammen. Er war immer an meiner Seite und wusste ganz genau, was mir dieser Sport bedeutet. Es gab mir so viel Energie, ihn als Rückhalt zu haben. Als jemanden, der mich verstand und gewisse Dinge von einer Aussensicht einschätzen konnte. Er hat für meine Karriere auch persönlich auf viel verzichtet, dafür bin ich sehr dankbar.»

Berufsfliegen als «riesiger Traum»

Nach ihrem Abschied aus dem Profisport freut sich Christen auf die Zeit mit ihm – und auf neue berufliche Wege. Wohin sie diese führen, ist aktuell noch unklar. Seit Oktober besitzt die leidenschaftliche Helikopterfliegerin die Privatpilotlizenz. Eine professionelle Ausübung und eine dementsprechende Ausbildung bezeichnet sie als «riesigen Traum», allerdings sei auch dies wiederum mit einer grossen Verpflichtung verbunden. Daneben würde sie gerne ins Gesundheitswesen oder in den Bereich Meteorologie «hineinschnuppern».

Als Trainerin im Schiesssport sieht sie sich momentan nicht, dafür werde sie als Hobbyschützin nach wie vor auf den Schiessanlagen vorzufinden sein. Lachend meint sie: «Ich werde nicht von der Bildfläche verschwinden.»

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