So tickt André Breitenreiter
«Mein Vater weiss nicht, dass ich FCZ-Trainer bin»

André Breitenreiter (47) hat eine bewegte Lebensgeschichte. Der neue FCZ-Trainer über Stress, den unerwarteten Verlust seiner Mutter und die Demenz-Krankheit seines Vaters.
Publiziert: 30.07.2021 um 00:55 Uhr
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Aktualisiert: 30.07.2021 um 06:23 Uhr
Lange hat sich der neue FCZ-Trainer André Breitenreiter als Vollgas-Arbeitstier bezeichnet.
Foto: Sven Thomann
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Matthias Dubach (Text) und Sven Thomann (Fotos)

Er führt sich mit einem spektakulären Regen-Auftritt in der Super League ein. André Breitenreiter (47) coacht bei seinem Schweizer Debüt den FCZ klatschnass zum Sieg in Lugano. «Ich mache meine Unterstützung für die Mannschaft nicht vom Wetter abhängig», sagt der Deutsche trocken.

Doch wie tickt der neue Mann beim FCZ neben dem Platz? Da fährt Breitenreiter, der emotionale Typ aus dem Regen, auch mal richtig runter: «Vor einigen Jahren habe ich das Golfspielen für mich entdeckt. Eine Runde Golf ohne Handy ist Entspannung pur.»

Neues Laster in Zürich

Doch das war nicht immer so. Breitenreiter definierte sich lange als Vollgas-Arbeitstier. Die Zigaretten zum Stressabbau stets zur Hand. Doch das Rauchen hat er vor einigen Jahren aufgegeben. «Mein Laster ist jetzt Schweizer Schokolade», sagt er schmunzelnd.

Es war die Saison 2015/16 bei Schalke, die für ihn zur Zäsur wird. «Ich bin perfektionistisch und akribisch», sagt der Zürich-Coach, «bei meinen vorherigen Stationen, insbesondere auf Schalke, war ich täglich sehr lange im Büro und habe danach auch noch zu Hause gearbeitet. Doch ich habe gelernt, dass Pausen wichtig sind.»

Momentan geht Breitenreiter am Feierabend aber nicht auf eine Golf-Runde – sondern auf einen Spaziergang mit Frau Claudia, Sohn Emil (18) und seiner geliebten Ridgeback-Hündin Bella. Nur Tochter Clara (22) fehlt, sie steckt im Studium. «Meine Familie ist jetzt zehn Tage bei mir in Zürich und wird auch bei den meisten Heimspielen im Stadion sein», sagt der frühere Bundesligaspieler. Seine ganze Familie ist fussballbegeistert. Sohn Emil ist zwar nicht Profi geworden, aber Breitenreiter sagt: «Er macht bereits seine ersten Trainer-Scheine.»

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Lebensmittelpunkt bleibt Hannover

Ein kompletter Umzug in die Schweiz war kein Thema. Der Lebensmittelpunkt der Familie war schon zu Paderborn- und Schalke-Zeiten des Trainers stets Hannover geblieben, die Kinder sollten nicht aus dem Umfeld gerissen werden.

Doch zuletzt lebt der Trainer sowieso jahrelang daheim. Weil er zuerst seinen Stammklub Hannover trainiert und sich danach eine Auszeit nimmt. Eigentlich sollte diese sechs Monate dauern, Breitenreiter steckt 2019 bereits wieder in Vertragsgesprächen. Doch dann verstirbt überraschend seine Mutter. «Ich habe für mich entschieden, meiner Verantwortung als Sohn gerecht zu werden und meinem Vater in den ersten Monaten jegliche Unterstützung zu geben, die er benötigte. Das hat alles Zeit gebraucht.» Dann muss auch noch Breitenreiters Vater mit Demenz in ein Pflegeheim umziehen.

«Für ein Tor gabs eine D-Mark»

Bei der Wohnungsauflösung fallen Breitenreiter diverse Mappen von früher in die Hände. Es sind emotionale Kindheitserinnerungen. Er hatte als Kind die ganze Freizeit mit seinen beiden älteren Brüdern auf dem Bolzplatz verbracht. Und sein Vater hatte schon ab den F-Junioren alle seine Partien fein säuberlich notiert und als Mappen abgelegt. «Für ein Tor gabs eine D-Mark, für eine Vorlage 50 Pfennig. Als Postbeamter war er da ganz genau, diese detailversessene Art habe ich wohl von ihm. Er war mein grösster Fan.»

Das ist wegen der brutalen Demenzkrankheit vorbei. «Es geht ihm gut, er wird gut betreut. An guten Tagen spricht er mich namentlich an. Aber dass ich FCZ-Trainer bin, weiss er nicht», sagt Breitenreiter, der anderen Demenz-Angehörigen Mut macht: «Er lebt jetzt in seiner eigenen Welt. Aber es ist wichtig, dass man nicht daran zerbricht, sondern die Situation annimmt und ihm positive Momente ermöglicht.»

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