Haiti an der Fussball-WM
Und ein Ex-Hopper jubelt mit

Haiti, das ärmste Land des amerikanischen Kontinents, hat sich für die WM-Endrunde qualifiziert. In der Schweiz jubelt Kim Jaggy mit. Die Kolumne von Felix Bingesser.
Publiziert: 18:06 Uhr
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Kim Jaggy als junger GC-Spieler mit Trainer Marcel Koller.
Foto: TOTO MARTI

1983 adoptiert ein Ehepaar aus dem Zürcher Limmattal über eine Genfer Agentur ein fünf Monate altes Baby aus Haiti. Der Junge wächst in behüteten Verhältnissen auf. Zusammen mit einem weiteren Adoptivbuben und der leiblichen Tochter der Familie. 

Der junge Kim Jaggy findet sein Glück im Fussball. Er hat Talent. Und macht eine beachtliche Fussballkarriere. Er spielt für GC, für den FC Aarau, für Sparta Rotterdam, in Griechenland für Xhanti. Später auch in Wil, in Tuggen und in Rapperswil. 

Jaggy durchläuft auch alle Nachwuchs-Nationalmannschaften. Von der U15 bis zur U21. «Ein Aufgebot der A-Nati habe ich leider nie erhalten, die Konkurrenz war zu gross», sagt Jaggy. Und entscheidet sich dann, ein Aufgebot seines Geburtslandes Haiti anzunehmen. 

Haiti ist das ärmste Land auf dem amerikanischen Kontinent. 60 Prozent der 12 Millionen Einwohner leben unter der Armutsgrenze. Beim verheerenden Erdbeben 2010 sterben 300'000 Menschen. Die Bandenkriminalität gehört zur Tagesordnung. Die Hauptstadt Port au Prince hat die höchste Mordrate der Welt. 2024 sind bei Gewaltverbrechen 5600 Menschen gestorben.

2011, ein Jahr nach dem furchtbaren Erdbeben, fliegt Kim Jaggy zu seinem ersten Zusammenzug der haitianischen Nationalmannschaft. Und reist damit auch zum ersten Mal in das Land seiner Wurzeln. Für ihn ein fremdes Land. «Die Vorbereitung vor den Länderspielen machten wir meistens in Miami. Die Heimspiele dann in Port au Prince mit 14'000 Zuschauern, obwohl das Stadion nur 10'000 Plätze hat.» 

Jaggy will in Haiti auch seiner persönlichen Geschichte näherkommen. Und hofft, über den Fussball vielleicht auch seine leiblichen Eltern zu finden. Es ist aussichtslos. «Ich war nirgends registriert», sagt er. Es melden sich zwar Menschen, die als mögliche leibliche Eltern des Fussballers ausgeben. «Seriös war nichts», sagt er.

Zwischen 2011 und 2016 macht er mehr als 50 Länderspiele für Haiti. Viele der Spieler von damals wie auch von heute sind im Ausland geboren und spielen auch dort. Vor allem in Frankreich. Aber auch in England, in Griechenland und in der Major League Soccer. Zwei ehemalige Nationalmannschaftskollegen von Kim Jaggy machen auch Station in der Schweiz. Kevin Belfort spielt in Sion, Frantz Bertin eine Saison beim FC Luzern.

2016 qualifiziert sich Haiti für die Copa America. Es ist der Höhepunkt in der Nationalmannschaftskarriere von Kim Jaggy. Danach tritt er zurück. In die Nähe einer WM-Qualifikation hat es nie gereicht. 

Das hat dieses von Schicksalsschlägen und bitterer Armut gebeutelte Land 51 Jahre nach der letzten Endrundenteilnahme nun geschafft. Nach dem 2:0-Sieg gegen Nicaragua ist das WM-Ticket gesichert, und in Haiti brechen alle Dämme. 

Jaggy, mittlerweile 43 Jahre alt und Vater von zwei erwachsenen Söhnen, hat das haitianische Märchen in der Schweiz im Internet mitverfolgt. «Wer das Elend in diesem Land nicht mit eigenen Augen gesehen hat, der kann nicht ermessen, was dieser Erfolg für die Menschen dort bedeutet», sagt er. 

Die Haitianer, sagt Jaggy, seien Stehaufmännchen. «In ihrem ganzen Elend sieht man sie trotzdem immer wieder lachen.»

Kim Jaggy lacht und tanzt mit ihnen. «Es ist phänomenal, unglaublich, ein Märchen», sagt er.

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Brack Super League 25/26
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