Auf einen Blick
Das Training des FC Schaffhausen ist 20 Minuten alt und Ciriaco Sforza (54) hat noch kein Wort gesagt. Während seine beiden Assistenten die Einheit leiten, steht der Cheftrainer mit verschränkten Armen da, beobachtet mit ernstem Blick. Er rudert ab und an mit dem Arm, legt den Kopf zur Seite, macht sich Gedanken. Dann schnappt er sich seinen Rechtsverteidiger Noel Wetz, gibt ihm Tipps, klopft ihm aufmunternd auf die Schulter, zieht sich wieder zurück, tigert herum. Im Kopf wohl schon die Aufstellung und die Taktik für den Cup-Knüller am Sonntag um 14.30 Uhr gegen Servette.
Dann, wie auf Knopfdruck, gehts richtig zur Sache. Brutal intensives 10 gegen 10 auf ein Tor. Und Sforza ist plötzlich bis unters Stadiondach zu hören. Seine Ansprache ist klar, seine Anweisungen unmissverständlich. Oft fällt «Zentrum!» Jenes Wort, das Sforza als FCB-Trainer dermassen oft auf den Rasen brüllte, dass Pajtim Kasami wohl heute noch davon träumt.
Immer wieder unterbricht Sforza die Einheit, immer wieder sagt er seinen Spielern, wo sie sich positionieren müssen. Die heissen Mauricio Willimann, Iwan Hegglin oder Willy Vogt. Und sie haben nicht mal annähernd jene Klasse, die Sforza als Spieler hatte. Keiner im Kader hat den ehemaligen Bayern- und Inter-Star spielen sehen. Einzig Captain Bujar Lika (32) ist schon auf der Welt, als Sforza 1996 den Uefa-Pokal gewinnt und 1994 mit der Nati an die WM fährt.
Sforza hat abgeschlossen
Wissen seine Spieler, wie gut Sforza als Spieler war? Schauen Sie sich auf Youtube Videos an? «Das interessiert mich nicht. Mit meiner früheren Karriere habe ich abgeschlossen. Es geht mir nur darum, die jungen Spieler weiterzubringen. Ich wurde selbst mit 16 Profi und verstehe, was sie durchmachen, welchen Druck sie spüren, welche Verantwortung. Dank meiner Erfahrung als Spieler kann ich sie anders abholen und eine gute Energie reinbringen», sagt der 79-fache Nationalspieler.
Als Spieler war Sforza einer der Besten, die die Schweiz je hatte. Er hatte eine überragende Übersicht, einen feinen Fuss, war der Chefstratege auf dem Platz. Gegen Ende seiner Aktivkarriere dirigierte er seine Mannschaften praktisch aus dem Stand, sagte seinen Mitspielern, wo sie stehen müssen. Es sind Eigenschaften, die für gewöhnlich auf eine grosse Trainerkarriere hindeuten. Oft sind jene ehemaligen Spieler die besten Coaches, die schon auf dem Platz das Spiel gelesen haben.
Sforza aber hat als Trainer keine grossen Fussabdrücke hinterlassen. Was auch daran liegt, dass er bei Vereinen angestellt war, die für ihr schwieriges Umfeld bekannt sind. Der FC Luzern war schon Mitte der Nullerjahre ein Intrigantenstadl und bei GC, dem Verein seiner Jugend, wurde zu jener Zeit, als Sforza Trainer war, massiv gespart.
Zur falschen Zeit in Basel
Am schwierigsten aber waren die Bedingungen zweifellos beim FCB. Der einst stolze Serienmeister torkelte unter Bernhard Burgener Richtung Abgrund, die Fans gingen gegen die Bosse auf die Barrikaden. Hinter den Kulissen tobte ein Machtkampf mit David Degen und mittendrin ein Trainer, der auf sich allein gestellt war. «Die Zeit war nicht einfach. Covid. Chaos im Verein. Es war für mich der falsche Zeitpunkt, um nach Basel zu wechseln», sagt Sforza.
Im April 2021 wurde er entlassen, es glich einer Erlösung. Assistent Patrick Rahmen übernahm. Und Sforza hat viel aus dieser Zeit gelernt. «Ich weiss jetzt, worauf ich achten muss. Es ist wichtig, auch mal loszulassen, statt überall helfen zu wollen. Ich will meine Ruhe haben, damit ich mich auf meine Arbeit auf dem Trainingsplatz fokussieren kann. Das hat in Basel gefehlt. Beim FC Schaffhausen kann ich mich auf meine Stärken konzentrieren. Auch, weil ich ein hervorragendes Team um mich herum habe.»
Dass ein Challenge-League-Klub wie der FCS beispielsweise einen Medienchef habe, sei wichtig. Weil er keine Zeit habe, nebenbei auch noch Interviewtermine zu organisieren, so Sforza. Insgesamt 16 Mitarbeiter arbeiten auf der Geschäftsstelle, von CEO Jimmy Berisha über Sportchef Marc Hodel bis zu COO Samuel Haas. Jeder habe seine Aufgabe, jeder wisse, was seine Kompetenzen sind.
Jene von Sforza liegt auf dem Rasen. Fast drei Jahre lang war der Vollbluttrainer ohne Job. Nun aber brennt er auf seine neue Aufgabe. Und er sieht seine Arbeit als Privileg: «Ich habe das grosse Glück, Trainer im Profibereich sein zu dürfen. Ich kann den Jungen etwas weitergeben. In diesem Stadion mit dieser Infrastruktur zu arbeiten, das ist nicht selbstverständlich.» Gerüchte, wonach Sforza fast gratis arbeiten würde, dementiert der Trainer nicht. «Ich bin gerne hier», sagt der 54-Jährige mit einem herzhaften Lachen.
Es ist kein Vergleich zu jener Zeit in Basel. Damals ist ihm das Lachen gründlich vergangen.
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
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1 | FC Luzern | 9 | 6 | 18 | |
2 | FC Zürich | 9 | 6 | 18 | |
3 | FC Lugano | 9 | 5 | 18 | |
4 | Servette FC | 9 | -2 | 17 | |
5 | FC St. Gallen | 9 | 6 | 14 | |
6 | FC Basel | 9 | 7 | 13 | |
7 | FC Sion | 9 | 3 | 12 | |
8 | Yverdon Sport FC | 9 | -5 | 9 | |
9 | Grasshopper Club Zürich | 9 | -4 | 8 | |
10 | FC Lausanne-Sport | 9 | -6 | 8 | |
11 | FC Winterthur | 9 | -10 | 7 | |
12 | BSC Young Boys | 9 | -6 | 6 |