Warum ausgerechnet Madrid?
Nati spielt im grössten Seuchenherd Europas

Spanien ist das von Corona am heftigsten durchgeschüttelte Land Westeuropas. Und im Land selber ist Madrid der Seuchenherd Nummer eins. Warum spielt die Nati ausgerechnet hier?
Publiziert: 10.10.2020 um 09:57 Uhr
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Aktualisiert: 10.10.2020 um 10:07 Uhr
Madrid gleicht einer Geisterstadt.
Foto: imago images/ZUMA Wire
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Alain Kunz, Madrid

Stadtteil Barajas im Norden der Stadt. Autobahnen, Einkaufszentren, gewaltige Bürogebäude, das Estadio Wanda Metropolitano von Atletico Madrid, der Flughafen Barajas, das Estadio Alfredo di Stefano im Trainingscenter von Real Madrid, wo das Spiel vom Samstag steigt. Auf den Strassen begegnet man Menschen maximal tröpfchenweise. Und wenn, sind alle maskenbewehrt. Der gewaltige Park Juan Carlos ist offen. Viele Jogger und Radfahrer sind unterwegs.

Das ist die Realität der Umgebung, in welcher das Spiel heute stattfindet. Hier deutet ausser den Masken und den vielen geschlossenen Restaurants wenig auf die Zustände in den südlicheren Stadtteilen hin, die seit Wochen von der Aussenwelt abgeriegelt sind. Hinein und hinaus darf man nur mit triftigem Grund. Die Zufahrten werden kontrolliert. Spezialeinheiten das Militärs desinfizieren mit auf Lastwagen montierten Kanonen Märkte und Bahnhöfe. In den Restaurants ist die Zahl der Gäste halbiert worden. Um zehn Uhr ist der letzte Einlass. Um elf ist Feierabend. In den Bars darf nicht mehr gestanden werden. Viele haben deswegen dichtgemacht. «Und viele werden das nicht überleben», klagt ein Gastwirt.

Schwierige Verhältnisse in Madrid

Die massiven Einschränkungen, welche die sozialistische spanische Zentralregierung verfügt hat, kommen bei der konservativen Madrider Regionalregierung nicht gut an. Sie hat vor Gericht Einspruch eingelegt – und Recht erhalten. Die Absperrung Madrids und neun weiterer Kommunen in der Umgebung wurden wieder aufgehoben. Doch die Zentralregierung verhängte den Notstand über Madrid und kann so die Abriegelung der Hauptstadt doch noch durchsetzen. Der Notstand soll vorerst für zwei Wochen gelten. «Wir müssen diese Pandemie ernst nehmen. Doch ich habe das Gefühl, dass sei bei einigen Politikern nicht der Fall», sagt der spanische Ministerpräsident Pedro Sanchez. Und verweist auf die Zahlen: Die 14-Tage-Inzidenz, also die Fälle pro 100 000 Einwohner, betrug zuletzt in den südlichen Vierteln immer über 600. Zum Vergleich: In Spanien sind es rund 250, das ist die höchste Zahl in der EU.

Spaniens Gesundheitsminister Salvador Illa erklärt die Verhängung des Notstands so: «Die Regionalregierung hat entschieden, nichts zu tun. Allein in Madrid sind in der vergangenen Woche 63 Menschen gestorben. 3361 Patienten werden in der Hauptstadtregion in Krankenhäusern behandelt, 498 kämpfen auf Intensivstationen um ihre Leben. Wir können Däumchen drehen und nichts tun oder wir können das Virus stoppen.» Erschreckende Zahlen und man fragt sich, ob man sich in diesem Umfeld auf Fussball konzentrieren soll und kann.

«Ich hoffe, die Spieler können das beiseiteschieben», sagt Sevilla-Star Ivan Rakitic, der seit Corona-Ausbruch noch nie in Madrid gespielt hat. «In unserer Liga sind die Vorsichtsmassnahmen extrem streng. Die Kabinen darf man nur in der Pause benutzen. Genau acht Minuten lang. Vor und nach dem Spiel hat man sechs Minuten, um vom Car aufs Spielfeld zu gelangen und zurück. Aber man muss sich vor Augen führen: Es ist ein Riesenspiel in Spanien gegen Spanien. Da sollte ein Spieler schon abschalten können.»

Im Team sei das jedenfalls nicht gross thematisiert worden, sagt Goalie Jonas Omlin. «Wir vertrauen darauf, dass der Verband und die Uefa das Beste unternehmen, um uns zu schätzen. Ich glaube, das Sicherheitskonzept von denen, die das entschieden haben, ist sehr gut aufgelistet. Solange wir uns an die Auflagen halten, sollten wir auch in Madrid ohne grosse Komplikationen durchkommen.»

La Roja will nicht fliegen

Remo Freuler sieht das ein wenig kritischer: «Okay, wir reisen im kleinen Kreis und werden praktisch keinen Kontakt haben mit den Leuten vor Ort.» Zur Veranschaulichung: Der Busfahrer zum Beispiel muss permanent mit Glas oder einem Vorhang von seinen Fahrgästen abgetrennt sein. «Es wäre sicher auch möglich gewesen, dieses Spiel an einem anderen Ort auszutragen, wenn es so schlimm ist in Madrid», sagt Freuler. Und spricht aus, was viele denken.

Aber eben: Real spielt ja auch im Estadio die Stefano, solange keine Fans zugelassen sind. Und die spanische Nationalmannschaft will natürlich für ein Heimspiel nicht fliegen. Die Furia Roja ist in der Ciudad del Futbol untergebracht und trainiert auch dort, im Trainingscenter des Verbandes, das in Las Rozas liegt. Auch im Norden der Stadt, auch ausserhalb, einfach im Osten statt im Westen, wo Barajas ist. Jeder Flug ist ein Zusatzrisiko, das man so ausschaltet. Ein bisschen Egoismus ist bei der Wahl des Spielortes also auch mit im Spiel. Was wohl jeder Veranstalter so hält. Corona hin, Covid-19 her.

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