Raimondo Ponte weinte bei Maradonas Tod
«Diego sass bei mir im Auto, als alle durchdrehten»

Raimondo Ponte (65) trainiert 1985 mit Maradona in Napoli und verbringt mit dem Fussball-Gott auch seine Freizeit.
Publiziert: 29.11.2020 um 17:20 Uhr
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Aktualisiert: 29.11.2020 um 17:37 Uhr
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Januar 1985: Der damalige GC-Star Ponte trainiert mit Welt-Star Maradona für zwei Monate in Neapel.
Foto: Blicksport
Michael Wegmann

Als Raimondo Ponte (65) von Maradonas Tod erfährt, kommen ihm die Tränen. «Dass Diego so früh sterben musste, macht mich traurig. Plötzlich sind all die Erlebnisse und Ereignisse von früher wieder da.»

Es ist im Januar 1985, als der gebürtige Neapolitaner Ponte seine Kontakte spielen lässt und nach seinem Bänderriss seine Reha beim SSC Neapel machen darf. Bei GC ist man glücklich, so ist ihr Mittelfeldstar beim Trainingsauftakt in Zürich wieder fit. Zwei Monate trainiert Ponte mit Napoli. Mit Diego Maradona. Wenige Monate nachdem der Argentinier im Stadion San Paolo von 85’000 Menschen wie ein Messias empfangen wurde. Ponte zeigt ein Foto, welches ihn Seite an Seite mit dem Fussball-Gott im San Paolo zeigt. «So wie er da steht, mit den offenen Schuhen, so hat er auch trainiert. Es kam vor, dass Diegos Schuhe durch die Luft geflogen sind.»

Raimondo Ponte, wie war Maradona?
Raimondo Ponte:
Diego war ein einfach ein lieber Kerl, nett und zuvorkommend. Er hat jeden Tag Kleinigkeiten ins Training mitgebracht, die er allen verteilt hat. Getränke, Kuchen oder Guetzlis.

Er hat Kuchen ins Training mitgebracht?
Ja. Das war aber nur ein Beispiel für seine Grosszügigkeit. Würde Ihnen der damalige Napoli-Masseur erzählen, wem Diego damals alles geholfen hat und was er für seine Freunde und die Freunde seiner Freunde und deren Freunde alles getan hat, Sie hätten Tränen in den Augen. Es gab damals wohl keine Familie in Neapel, die Probleme hatte, der Maradona nicht geholfen hat.

Er wurde auch ausgenutzt.
Er wurde geliebt, vergöttert und auch ausgenutzt, ja. Aber das habe ich in der Zeit, als ich da war nicht realisiert. Für mich war er jemand, der viel verteilte, aber auch unglaublich viel hatte. Sie hätten seine Villa sehen sollen. Er hatte alles, was man sich wünschen kann. Natürlich liess er aber auch sehr viele Menschen bei sich wohnen.

Sie waren auch bei ihm zuhause?
Ja. Alle, die ihn sehen wollten, mussten zu ihm in die Villa. Er konnte sie ja eigentlich nur fürs Training und die Spiele verlassen, weil er auf der Strasse von den Fans wohl zerdrückt worden wäre. Ich durfte mal erfahren, wie es ist, wenn man mit Diego unterwegs ist.

Erzählen Sie.
Als wir in den Aargau gezügelt sind, war ich acht. Geboren und aufgewachsen bin ich in Licignano, einem Dörfchen rund 10 Kilometer von Neapels Hauptbahnhof entfernt. Als ich dann bei GC und in der Nati spielte, gründeten meine Jugendfreunde in Licignano einen kleinen Ponte-Fanklub. Um mich zu revanchieren, wollte ich eines Abends mit Diego da vorbeischauen. Er hat sofort zugesagt. So kam es, dass ich ihn in seiner Villa abgeholt habe und wir nach Licignano fuhren. Aber schon zwei, drei Kilometer vor dem Klubhaus gabs kein Durchkommen mehr. Ein Riesen-Menschenauflauf, verstopfte Strassen. Wir mussten wenden.

Ist durchgesickert, dass Maradona kommt?
Das kann man auch so sagen. (Lacht). Der Grund war, dass ich am Vortag wohl einen kleinen Fehler gemacht habe und einem Kumpel erzählt habe, wen ich mitbringen würde. Für Maradona liessen die Neapolitaner alles stehen und liegen. Diego nahm es locker. Er meinte, dass wir ein anderes Mal gehen würden. Doch es kam leider nicht mehr dazu.

Sie waren Schweizer Nationalspieler, spielten bei GC, Nottingham und Bastia. Wie war’s mit Maradona zu trainieren?
Mit dem Ball war er in einer anderen Welt. Ich habe ihn oft beim Jonglieren beobachtet und habe versucht dasselbe zu tun. Es ist mir kaum gelungen. Der Ball klebte nur an Diego. Im Vergleich mit ihm konnte ich nichts!

Und im Lauftraining?
Viele sagen ja, Diego hätte regelmässig Trainings ausgelassen. Als ich da war, ist das nie passiert. Nur beim Lauftraining ist er nie dabei gewesen. Aber nicht aus Faulheit, sondern weil er sich geschämt hätte, wenn er immer das Schlusslicht gewesen wäre. Diego hat jeweils die Einheit mit dem Konditrainer nachgeholt, als die anderen schon weg waren. Ich war manchmal noch da wegen der Reha. Für mich ist er der beste Fussballer aller Zeiten. Ich bin überzeugt, mit den heutigen Regeln, wäre er gar noch besser.

Weshalb?
Dass heute Stars wie Messi von den Schiedsrichtern geschützt werden, haben sie einzig Diego zu verdanken. Heute unvorstellbar, was er auf dem Platz hat einstecken müssen. Die haben ihn immer Mann-gedeckt und dann oft auch absichtlich weggeschrubbt. Diego war Freiwild auf dem Platz – und dennoch hat er Spiele im Alleingang entschieden.

Haben Sie Maradona später wiedergesehen?
Ja, immer wenn er in die Schweiz kam. Als er zum Beispiel im Uefa-Cup mit Napoli gegen Wettingen spielte, habe ich ihn am Tag vor dem Spiel auf seinem Zimmer im Hotel Holiday Inn in Regensdorf besucht. Wir haben Kaffee getrunken und geplaudert. Ich habe Diego als lieben Kerl kennengelernt und so werde ich ihn in Erinnerung behalten.

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