Darum gehts
Einige mediale Beobachter titulierten den Transfer als Abstieg, dabei ist die Fortsetzung im Nordosten Englands ein Liga-Upgrade: Granit Xhaka (32) duelliert sich jedes Wochenende mit den Weltbesten. «Diesen Entscheid werde ich nie bereuen, egal was passiert», legt sich Xhaka nach den ersten 90 Pflichtspielminuten mit Sunderland im grossen Blick-Interview fest. «Ich mache hier Erfahrungen fürs Leben.»
Für die Kritik an der Art seines Leverkusen-Endes hat Xhaka kein Verständnis: «Ich bin vorzeitig ausgestiegen, ja. Aber nicht um jeden Preis! Und niemand sollte vergessen, was wir für Bayer 2024 mit dem historischen Double-Gewinn geleistet haben.» In der Optik des Schweizer Rekord-Nationalspielers ist der Wechsel darum legitim.
Blick: «Granit Xhaka zu Sunderland!» Wie kam es zu dieser spektakulären Sommer-Schlagzeile?
Granit Xhaka: Dieser Klub hat alles, wirklich alles unternommen, um mich wieder nach England zu bringen. Wenn ein Verein dir dieses Gefühl vermittelt, dann wäre es fast unverschämt, sich das nicht anzuschauen. Mich haben die Verantwortlichen so berührt. Ich konnte gar nicht mehr Nein sagen.
Beim Projekt mit Leverkusen spielte Xabi Alonso eine Hauptrolle. Wie wichtig ist in England für Sie Régis Le Bris?
Er ist für mich ein Monsieur à la Arsène Wenger. Eine sehr ruhige Persönlichkeit, ein gelassener, sehr sachlicher Mensch. Was er sagt, hat Hand und Fuss. Régis ist ein bemerkenswert reflektierter Coach. Wie er innert Kürze die vielen personellen Wechsel gemanagt hat: Chapeau!
Das 3:0 gegen West Ham am letzten Samstag war vor allem etwas: ein emotionales Statement, das bei den Fans Jubelstürme ausgelöst hat.
Ich habe während meiner Karriere schon in vielen Stadien gespielt, aber ganz ehrlich: Das erste Heimspiel mit Sunderland war atmosphärisch etwas vom Besten, das ich je erlebt habe. Die Euphorie der Fans und des ganzen Klubs war riesig, nach acht Jahren wieder in der Premier League spielen zu können. Gänsehaut pur, einfach der absolute Wahnsinn.
Die jahrelange Sehnsucht nach diesem Comeback in der höchsten Liga entlud sich quasi innerhalb des Stadions.
Es ist schwer, die richtigen Worte zu finden. An anderen Orten geht es mehr um das ganze Drumherum, hier in Sunderland leben, atmen und leiden sie für den Sport. Nur das Geschehen auf dem Rasen zählt. Diese Leidenschaft ist echt, sie sind mit Haut und Haaren dabei. Mich hat die Stimmung gepackt, es war für mich ein Top-3-Moment meiner Karriere, alles vibrierte.
Granit Xhaka kommt am 27. September 1992 in Basel auf die Welt. Als Junior kickt er erst für Concordia Basel, bevor er in den Nachwuchs des FC Basel wechselt. Beim FCB gibt er 2010 sein Profidebüt. Zuvor ist er mit der Schweizer U17-Nati in Nigeria Weltmeister geworden. Mit Basel feiert er zwei Meistertitel und einen Cupsieg, ehe er 2012 zu Gladbach in die Bundesliga geht. Dort lernt er seine Frau Leonita kennen, mit der er drei Töchter hat. 2016 folgt dann der Wechsel in die Premier League. Mit vielen Höhen und Tiefen und zwei FA-Cup-Siegen im Gepäck geht er von London zurück in die Bundesliga zu Leverkusen. Dort führt er das Team gleich in seiner ersten Saison zum ersten Meistertitel und zum Pokalsieg. Nach zwei Jahren zieht es den Nati-Rekordspieler und Captain (137 Einsätze, Debüt 2011) zurück auf die Insel zu Sunderland.
Granit Xhaka kommt am 27. September 1992 in Basel auf die Welt. Als Junior kickt er erst für Concordia Basel, bevor er in den Nachwuchs des FC Basel wechselt. Beim FCB gibt er 2010 sein Profidebüt. Zuvor ist er mit der Schweizer U17-Nati in Nigeria Weltmeister geworden. Mit Basel feiert er zwei Meistertitel und einen Cupsieg, ehe er 2012 zu Gladbach in die Bundesliga geht. Dort lernt er seine Frau Leonita kennen, mit der er drei Töchter hat. 2016 folgt dann der Wechsel in die Premier League. Mit vielen Höhen und Tiefen und zwei FA-Cup-Siegen im Gepäck geht er von London zurück in die Bundesliga zu Leverkusen. Dort führt er das Team gleich in seiner ersten Saison zum ersten Meistertitel und zum Pokalsieg. Nach zwei Jahren zieht es den Nati-Rekordspieler und Captain (137 Einsätze, Debüt 2011) zurück auf die Insel zu Sunderland.
Der erste Sunderland-Erfolg im August seit 15 Jahren – und Sie mittendrin.
Ja, wirklich mittendrin – in einem Verein mit einer brutalen Geschichte. Die Fans mussten in den letzten Jahren richtig viel einstecken. Der Absturz von der Premier League bis in die League One. Dann kommt mit Kyril Louis-Dreyfus ein junger Besitzer aus der Schweiz und baut den Klub Step by Step wieder auf. Mit seinen klaren Ideen, mit einer internationalen Crew, mit seinem guten Händchen für das Fussballgeschäft. Und jetzt stehen wir, wo wir sind.
Es gibt nur einen ersten Eindruck. Mit diesem Erfolg im ersten Spiel hat nahezu niemand gerechnet.
Wir haben ganz bestimmt sehr viele Experten überrascht. Ich bin erst seit rund dreieinhalb Wochen da und habe einen Teil der negativen Einschätzungen mitbekommen. Wir seien chancenlos und würden sofort wieder runtergehen. Dann schlagen wir mit West Ham eine der stabileren Mannschaften der letzten Premier-League-Jahre. Dass wir sie als Team so dominieren, hat wohl sehr viele Beobachter verblüfft.
Nur zwei Spieler der Startelf Sunderlands verfügten über Erfahrung in der höchsten englischen Liga – Sie und Simon Adingra.
Man kann die Premier League mit keiner anderen Liga vergleichen. Wenn man aber die Mentalität kollektiv ausspielt, ist alles möglich. Es braucht Glück, das man auch erzwingen kann. Von der ersten bis zur 97. Minute sind wir füreinander eingestanden und haben um jeden einzelnen Ball gefightet.
Sie kontrollierten das Aufbauspiel einen Tick weniger als üblich, führten dafür die Nebenleute noch energischer als früher. Stimmt der Eindruck?
Als ich mich intensiver mit dem Projekt Sunderland beschäftigt habe, wurde mir bewusst, dass ich keine 120 Pässe spielen werde pro Spieltag. Ich bin ein Mensch, der sich den Realitäten nicht verschliesst. Mir war schnell einmal klar, wie viel Einfluss ich haben könnte ohne Ball. Schon in den ersten Gesprächen zeichnete sich ab, dass ich mit dem Ball am Fuss weniger involviert sein werde als damals in Leverkusen, als ich an fast jedem Spielzug beteiligt war. Man muss sich klar werden, wo man spielt, für wen man spielt.
Xhaka, der Mann, der dann und wann auf die Bremse tritt?
Ich spiele nicht mehr wie ein 21-Jähriger, der überall auf dem Platz sein will, der vom Abstoss bis zum Einwurf alles machen will. Bei Gladbach war ich als Jungspund auch so. Heute hingegen ist es wichtig, den Rhythmus zu lenken, die Euphorie vielleicht mal zu bremsen, sich im richtigen Moment zurückzunehmen. Denn etwas ist klar: Begeht man in der Premier League einen Fehler zu viel, dann klingelt es. Meine Aufgabe ist es, das Team zu führen, Rückhalt zu geben, eine Linie vorzuleben auf dem Rasen, Löcher zu stopfen, die ganz junge Spieler womöglich nicht realisieren. Ich habe die Freiheit, mich im Bedarfsfall auch in die Abwehr zurückfallen zu lassen.
1997-2003: Concordia Basel (Jugend)
2003-2010: FC Basel (Nachwuchs)
2010-2012: FC Basel
2012-2016: Borussia Mönchengladbach
2016-2023: Arsenal
2023-2025: Bayer Leverkusen
2025-: Sunderland
1997-2003: Concordia Basel (Jugend)
2003-2010: FC Basel (Nachwuchs)
2010-2012: FC Basel
2012-2016: Borussia Mönchengladbach
2016-2023: Arsenal
2023-2025: Bayer Leverkusen
2025-: Sunderland
Die beiden BBC-Experten Alan Shearer und Wayne Rooney schwärmten von der guten Organisation des Teams und des Vereins. Ein schönes Kompliment?
Kyril Louis-Dreyfus verfügt als Besitzer über die entsprechenden Mittel. Aber fast wichtiger ist sein Schachzug, die richtigen Leute ins Boot geholt zu haben. Er hat 150 Millionen zur Verfügung gestellt, die in das richtige Personal investiert worden sind. Er spürte, was zu tun ist. Viele Aufsteiger glauben, mit der gleichen Philosophie wie in der tieferen Klasse antreten zu müssen. Meistens geht diese Strategie schief. Wir hingegen haben einen guten Mittelweg zwischen Ballbesitz und dem Spiel ohne Ball gefunden. Wir kennen unsere Schwächen, wir wissen selbstverständlich auch, wie wir dem Gegner wehtun können.
Der Trainer hat sie umgehend zum Captain gemacht. Wie haben die neuen Teamkollegen auf die Ankunft von Alphatier Xhaka reagiert?
Es war ein Signal des Klubs, mich zu verpflichten. Dabei ist alles sehr kurzfristig abgelaufen. Der erste Kontakt erfolgte einen Tag vor der Abreise ins Bayer-Camp nach Rio de Janeiro. Um 23 Uhr leuchtete eine Schweizer Nummer auf meinem Telefon auf. Ich war auf dem Weg ins Bett, die Kinder haben bereits geschlafen: ‹Hallo, hier spricht Kyril. Ich bin der Besitzer von Sunderland.› Ich machte das Spielchen mit, weil ich geglaubt hatte, da treibe jemand Schabernack mit mir. Mein Berater José Noguera war zu jener Zeit in Amerika – mit der entsprechenden Zeitverschiebung. Ich gab Kyril die Nummer meines Agenten. Das Gespräch war klar, aber kurz. Zehn Minuten später meldete sich José per Facetime zusammen mit dem Sportchef und Kyril. Dann begriff ich: Es wird ernst.
Sunderland lag vor wenigen Jahren in Trümmern. Die Gegend ist rau. Was hat Sie dazu bewogen, den Schritt in die wenig glamouröse Stadt zu machen?
Ich war ehrlich zu Kyril und sagte ihm, dass ich mir eine sofortige Rückkehr in die Premier League eigentlich nicht vorstellen könne. Aber nach dem Telefonat spürte ich: Das musst du machen, Granit! Der Verein kommt aus einer Situation, die mich an die Anfänge meiner Eltern erinnert hat – vom Nullpunkt. Und ich habe das Gefühl, dass mir diese Erfahrung hier für meine Zukunft am meisten bringt.
Warum das?
Ich will irgendwann meinen Trainerweg machen. Deshalb ist es wichtig, auch mal Momente des Leidens, der Solidarisierung zu erleben. Wir werden noch viel leiden müssen in den kommenden Monaten. Das ist eine andere Seite des Fussballs, die aber auch dazugehört, die mich prägen wird.
Die Netflix-Reportage, die den Absturz Sunderland dokumentiert hat und den Verein global bekannt machte, zielt auf genau diese Punkte ab.
Mit dem Ehrgeiz, mit dieser Mentalität, mit dem Hunger. So geht es, so muss es gehen. Das habe ich dann bestätigt bekommen im Stadion. Ich habe mir unter diesen Umständen vorgenommen, einfach mal die maximale Kraft auf den Rasen zu bringen.
Sie hatten Pläne, in Deutschland, in der Heimat Ihrer Frau Leonita, sesshaft zu werden. Reagierten einige aus dem Bayer-Umfeld auch deshalb irritiert auf Ihre England-Rückkehr?
Möglich, ich weiss es nicht. Dass Xabi Alonso den Verein eines Tages verlassen wird, hätte jeder prophezeien können. Die diversen Abgänge bei Leverkusen machen aus Sicht des Vereins und der Spieler Sinn. Irgendwann flatterten für mich dann mehrere Angebote herein. Da spürte ich, wie die Verantwortlichen plötzlich merkten, dass es ernst werden könnte.
Erik ten Hag wollte Ihren Transfer verhindern. Er wirkte verzweifelt. Deutsche Medien interpretierten, Unstimmigkeiten zwischen Ihnen und ihm hätten den Abschied forciert.
Mich ärgert, dass Erik als Problem dargestellt worden ist. Er war nie das Problem, nie! Er hat mich erst nach drei, vier Wochen angerufen, weil er mich in den Ferien nicht stören wollte. Ich hatte mit ihm einen sehr guten Austausch. Er wusste, dass ich mir ein spannendes Angebot anschauen werde. Und vielleicht spürte er, mich zu verlieren. Aber unsere Konversation war immer klar und korrekt. Ich wäre unter ihm als Captain aufgelaufen.
Leverkusen wollte Sie lange nicht verkaufen und pokerte mit der Ablösesumme. Milan stieg aus, andere auch. Hätte man die Zeit der vielen Spekulationen verkürzen können?
Sie haben mir die Tür geöffnet und sie blieb dann offen. Aber etwas will ich an dieser Stelle einmal klarstellen: Ich habe nie gesagt, ich wolle um jeden Preis weg – nur dann, wenn das Gesamtpaket für alle passt: für mich und für meine Familie, für Leverkusen. Wenn ich partout hätte gehen wollen, wäre ich nie und nimmer ins Trainingslager nach Brasilien geflogen.
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | 1 | 4 | 3 | ||
2 | 1 | 3 | 3 | ||
2 | 1 | 3 | 3 | ||
4 | 1 | 2 | 3 | ||
5 | 1 | 2 | 3 | ||
6 | 1 | 1 | 3 | ||
6 | 1 | 1 | 3 | ||
8 | 1 | 0 | 1 | ||
8 | 1 | 0 | 1 | ||
10 | 1 | 0 | 1 | ||
10 | 1 | 0 | 1 | ||
10 | 1 | 0 | 1 | ||
10 | 1 | 0 | 1 | ||
14 | 1 | -1 | 0 | ||
14 | 1 | -1 | 0 | ||
16 | 1 | -2 | 0 | ||
17 | 1 | -2 | 0 | ||
18 | 1 | -3 | 0 | ||
18 | 1 | -3 | 0 | ||
20 | 1 | -4 | 0 |