Darum gehts
- Weshalb Leon Avdullahu zu Hoffenheim geht
- Seine Eltern arbeiten trotz Millionenvertrag
- Wer sein grosses Vorbild ist
Der Wickelfisch ist eine grossartige Erfindung. Da packt man seine Kleider rein, wirft sich beim Tinguely-Museum in den Rhein und lässt sich am Basler Münster vorbei bis zur Mittleren Brücke treiben.
Leon Avdullahu hat keinen Wickelfisch. «Weil ich noch nie im Rhein geschwommen bin.» Sagts und blickt zu jenen Dutzenden von Menschen rüber, die sich bei schweisstreibenden Temperaturen ins kühle Nass stürzen. Überraschend ist die Nichtschwimmer-Aussage nicht. Zumindest nicht für jene Menschen, die Avdullahu nahestehen. Weil es für den zentralen Mittelfeldspieler seit frühster Kindheit nur eines gibt: Fussball. Im Sommer 2017 zügelte der damals 14-Jährige von seinem Heimatort Gerlafingen SO ins Wohnheim des FC Basel. Knapp sieben Jahre später ist er das erste Eigengewächs seit Noah Okafor, das den Durchbruch geschafft hat.
Porto war im Winter interessiert
71 Pflichtspiele für den FCB mit erst 21 Jahren, auf zentraler Position. Mittelfeld-Hirn jener Mannschaft, die das Double holte. Überragende Passquote, starke Zweikampfwerte. Ein defensiver Mittelfeldspieler, wie gemalt. Im Winter ist der FC Porto an Avdullahu dran, auch Gladbach ist brandheiss, andere Vereine aus der Bundesliga ebenfalls. Klubs aus England schielen. Am Ende wirds, angesichts von Avdullahus Qualitäten doch etwas überraschend, die TSG Hoffenheim.
Warum die Turn- und Sportgemeinschaft? «Weil ich die Wertschätzung von Anfang an gespürt habe. Weil mich der Klub schon seit Jahren verfolgt und sich detailliert mit mir auseinandergesetzt hat. Weil man einen klaren Plan mit mir hat und mich maximal fördern will», antwortet Avdullahu. Und: Weil Hoffenheim Nägel mit Köpfen macht.
Andere Super-League-Spieler hätten gepokert, hätten Angebote verglichen, hätten bis zum Deadline-Day gewartet, um möglichst viel aus der Zitrone zu pressen. Avdullahu und sein Berater Sascha Fischer aber wollten Planungssicherheit und optimale Voraussetzungen für den Saisonstart. Weil sie wissen, wie wertvoll es ist, sich sofort im Teamgefüge integrieren zu können.
Es ist ein Karriereschritt, der zu jenem jungen Mann passt, den ausnahmslos alle als ordentlich, als aufgeräumt, als Musterathlet beschreiben. Leon, der Profi. Ein Chrampfer, der vor dem Termin mit Blick noch eine dreistündige Extraschicht schiebt, statt sich am Rhein zu fläzen und die wohlverdienten Ferien zu geniessen.
Eltern arbeiten noch immer
Die Disziplin hätten ihm seine Eltern mit auf den Weg gegeben, sagt Avdullahu. Die Mama arbeitet bis heute in einer Gemüsefabrik, der Papa auf dem Bau. Daran, nicht mehr zu arbeiten, nur weil der Sohn gerade einen lukrativen Bundesliga-Vertrag unterzeichnet hat, denken die beiden derzeit nicht.
«Langfristig» hat Avdullahu unterschrieben, heisst es seitens TSG. Dass er den Vertrag erfüllt, ist unwahrscheinlich. Zu dominant tritt der Rechtsfuss bereits in jungen Jahren auf. Für Real Madrid, seinen Lieblingsverein, dürfte es dann zwar doch nicht reichen, aber eine grosse Karriere in einer Topliga ist ihm zweifellos zuzutrauen.
Zum Vergleich: Der grosse Granit Xhaka, der mit 20 Jahren zu Gladbach ging, hat weniger Spiele für den FCB absolviert als Avdullahu. Kein Wunder, kommen da Vergleiche zwischen den beiden Mittelfeldstrategen auf. Xhaka sei «ein Vorbild», sagt Avdullahu zwar. Sein Herz aber gehört einem der besten defensiven Mittelfeldspieler der Geschichte: Sergio Busquets.
Ob Avdullahu einst Xhakas Nachfolger in der Schweizer Nati werden wird? Beim Schweizerischen Fussballverband (SFV) schwärmen sie jedenfalls vom U21-Nationalspieler, der auch für das Land seiner Eltern, den Kosovo, spielen könnte. Klar, dass der kosovarische Verbandsboss höchstpersönlich um das Juwel buhlt und ihn in der Schweiz besucht.
Gedanken, für welche A-Nati er einst spielen wird, verschwendet Avdullahu derzeit aber keine. Sein Fokus gilt der Bundesliga. Und der TSG. Einem Klub, der eine miserable Saison hinter sich hat und bis kurz vor Schluss um den Ligaerhalt zittern musste. Angst, erneut in den Abstiegsstrudel zu geraten, hat der Mittelfeldspieler aber nicht. Und wenn doch, dann hat er in seiner ersten Saison beim FCB gelernt, was es heisst, in der Krise zu stecken.
Sowohl Timo Schultz als auch Heiko Vogel und Fabio Celestini setzten von Anfang an konsequent auf den damals 19-Jährigen, der den FCB erst aus dem Abstiegssumpf befreite, ehe er ihn auf zentraler Position zum Double führte.
Auch wegen Avdullahu ist der FCB damals nicht baden gegangen. Er selbst tut es ebenfalls nicht. Weil er pausenlos Fussball spielt, um seinen Traum zu verwirklichen.