«Wettbewerb macht süchtig»
Bochum-Boss Kaenzig (52) bleibt dank seines stressigen Jobs jung

Bochum-Geschäftsführer Ilja Kaenzig erzählt, was seine Mitarbeiter tun müssen, um nicht umzukippen. Und er schildert, wie man den neuen Coach mithilfe von KI gefunden hat.
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Der Kluge reist im Zuge, also auch Bochum-Geschäftsführer Ilja Kaenzig. Hier am HB Luzern.
Foto: Alain Kunz

Darum gehts

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Alain KunzReporter Fussball

Ilja Kaenzig (52) ist froh, ist endlich Pause. Im Sommer, wenn Transferzeit ist, hat man keine Chance, um sich auszuklinken. Über die Weihnachtstage und zwischen den Jahren ist das zumindest ein bisschen anders. «Doch auch jetzt kann ich nicht vollständig abschalten. Das Handy bleibt immer an – und ein paar Stunden am Laptop wirds auch geben», sagt der Zentralschweizer gegenüber Blick.

Der Geschäftsführer des VfL Bochum hat eine turbulente Vorrunde in der 2. Bundesliga hinter sich. Der Rückstand auf den dritten Platz und damit auf ein Relegations-Duell mit dem Drittletzten der 1. Bundesliga beträgt zwölf Punkte. Nicht gänzlich unaufholbar, bei noch 17 ausstehenden Spielen. Aber es sind eben auch nur vier Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz im Abstiegssumpf.

Vorerst ist Kaenzig aber zurück in Sursee LU – mit Abstand aufs Business und die Aufregung. «Diese Zeit ist enorm wichtig für die Hygiene jedes einzelnen Mitarbeiters. Man muss in diesem Zirkus auch mal durchschnaufen können und Energie tanken. Tun das unsere Mitarbeiter nicht, kippen die eines Tages noch um», sagt Kaenzig. Denn: «Bei uns dreht sich alles schneller. Wir haben weniger Ressourcen als der Grossteil der Konkurrenz. Gleichwohl müssen wir dasselbe leisten wie die anderen.»

«Dieser permanente Wettbewerb macht süchtig»

Die Abnützung ist darum gross. «Mein Job als Geschäftsführer beinhaltet Komponenten der Bereiche Sport, Kommerz, Politik, Kommunikation, Wirtschaft und so weiter. Altert man bei diesem gewaltigen Aufwand und Druck nun schneller, wie man annehmen müsste?», fragt Kaenzig, leise schmunzelnd. «Bei mir ist das Gegenteil der Fall. Das Adrenalin hält mich jung. Denn der permanente Wettbewerb, in dem man steckt, macht süchtig.»

Nach jeder Runde ändert sich die Ausgangslage. Wenig ist wirklich lange von Bestand. Nach dem nächsten Match kann alles wieder anders aussehen. «Dieses Tempo gibt dir schon einen Kick.»

«Kaenzig raus»-Rufe? Fehlanzeige!

Und Kaenzig ist da mittendrin. Der Klub hat sich neue Strukturen gegeben, in denen es weder einen Geschäftsführer Sport noch einen Sportchef gibt, sondern einzig eine Geschäftsleitung Sport. Diese legt Kaenzig ihre Beschlüsse vor. Ich mache dann den Haken darunter, bevor der Beschluss ans Präsidium geht. Da in der Sport-Geschäftsleitung Fachleute aus allen Bereichen sitzen, soll die Fehlerquote minimiert werden. Wir können es uns nicht leisten, bei jedem Trainer das Kader umzubauen.»

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Man wolle aus den Unzulänglichkeiten der Vergangenheit lernen, so Kaenzig. Und aus den Fehlern, für die bisher einzig die Trainer, der Sportchef und der Geschäftsführer Sport die Zeche zu bezahlen hatten. Kaenzig blieb da immer aussen vor. Auch im Stadion hörte man nie ein «Kaenzig raus!», als es letzte Saison in Richtung Abstieg ging und der Saisonstart in die 2. Bundesliga ein Debakel sondergleichen war.

Einen Abstieg muss man in Bochum immer einkalkulieren

«Die Leute sehen, dass wir die Voraussetzungen geschaffen haben, um aus dem VfL einen etablierten Bundesligisten zu machen – ähnlich wie das Mainz und Augsburg auch geschafft haben.» Aber Kaenzig ergänzt: «Wenngleich ein Abstieg immer auch möglich ist.»

Das sei nicht mehr derselbe Verein, der letztmals 2010 abgestiegen war, skizziert Kaenzig. «Das ist ein für seine Verhältnisse grosser Verein geworden, der die wirtschaftliche Kraft für die erste Liga hat. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die Hundert-Millionen-Umsatz-Marke zu knacken. Letzte Saison waren wir bei 95. Und auch in der zweiten Liga heben wir ein Budget von 70 Millionen.» Als Kaenzig in Bochum angefangen hatte, betrugt das Budget noch 30 Millionen Euro.

Ilja Kaenzig (r.) im Interview mit Alain Kunz von Blick.
Foto: zVg

Nicht nur deswegen spüre man das Vertrauen der Mitglieder. «Wir haben auch den Dialog gepflegt, waren immer transparent und dadurch berechenbar. Die Leute stehen hinter dieser Art Vereinsführung.» Er spüre grosse Zustimmung zu seiner Arbeit, so der Geschäftsführer. Und wenn er bei der Entlassung von Dieter Hecking (61), den man in Bochum gemocht hat, mehrmals sagt, das sei ein «schrecklicher Moment» für ihn gewesen, dann kommt das authentisch rüber und gut an.

Trainersuche: zuerst KI, dann viel Gespür

Dasselbe gilt für den neuen Trainer Uwe Rösler (57), der den Klub wieder in die Spur gebracht hat. Gesucht haben ihn Kaenzig und sein Team in einem ersten Schritt mit künstlicher Intelligenz. «Wir haben viele Parameter reingeworfen und geschaut, welche Namen dann da rauskommen, um uns ein erstes Bild zu verschaffen.» Da war der Name Rösler dann auch dabei.

Für den endgültigen Entscheid brauchte es dann aber mehr als nur KI: «Weil wir in Bochum einen Manager brauchen, der von Emotionen, von Leidenschaft, von Solidarität lebt, mehr als einen Übungsleiter, der einzig vom Technisch-Taktischen lebt, haben dann Kriterien entschieden, bei welchen dir KI nicht helfen kann», erklärt Kaenzig. «Wir wollten spüren, dass der Coach in die Köpfe der Spieler reinkommt. Das hat Uwe geschafft.»

Statt im Anzug steht er jetzt in Bermudas an der Seitenlinie

Erschüttern kann den Mann aus Thüringen, der fünf Länderspiele für die DDR bestritten hat, ohnehin nichts mehr, seit er den Krebs besiegt hat. «Diese Furchtlosigkeit strahlt er auch aus. Mut, keine Angst vor den Grossen, totale Überzeugung, Power, Energie. Und er ist ein Malocher. Das sind die Dinge, die sich die Menschen aus dem Ruhrpott wünschen. Und das alles gepaart mit einer Portion Show.»

Und da kommt die Geschichte ins Spiel, warum Rösler in kurzen Hosen coacht. Ob im Sommer oder jetzt bei null Grad. Und die geht so: «Er fragte uns, ob er im Anzug coachen dürfe, so fühle er sich am wohlsten. Aber kein Mensch coacht mehr im Anzug in Deutschland. Gerry Seoane war der Letzte. Bei Bochum war der Letzte Marcel Koller gewesen. Wir sagten ihm, das sei in Bochum vielleicht ein bisschen schwierig.» Am Spieltag dann entschied sich Rösler für das krasse Gegenteil: «Aber nicht für kurze Trainingshosen. Für Bermudas!»

Uwe Angus Rösler

So sah er aus wie ein Rocker, wie Angus Young von ACDC. «Das braucht Eier», lacht Kaenzig.

Röslers Bermudas sind mittlerweile Kult. Aber sowas funktioniert auch nur, wenn man Erfolg hat. In der «Rösler-Tabelle», also nur die letzten neun Spieltage heranziehend, liegt Bochum auf Rang zwei.

Dieser Aufschwung ist auch ein Grund, warum die Tage jetzt für Kaenzig zurück in der Schweiz etwas geruhsamer sind. Der Bochum-Geschäftsführer verbringt seine wenigen freien Tage zu Hause im Kreise seiner Familie, also seiner Frau und seinen Kids, die 19, 16 und 13 sind. Er nennt es die «schönste Zeit im Fussball». Weil dann alle mal zurücklehnen müssen. Damit man, und er wiederholt das Wort, nicht umkippe.

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2. Bundesliga 25/26
Mannschaft
SP
TD
PT
1
Schalke 04
Schalke 04
17
12
37
2
SV 07 Elversberg
SV 07 Elversberg
17
16
34
3
SV Darmstadt 98
SV Darmstadt 98
17
12
33
4
SC Paderborn 07
SC Paderborn 07
17
10
33
5
Hannover 96
Hannover 96
17
8
29
6
Hertha BSC
Hertha BSC
17
5
28
7
1. FC Kaiserslautern
1. FC Kaiserslautern
17
8
27
8
1. FC Nürnberg
1. FC Nürnberg
17
-4
22
9
Karlsruher SC
Karlsruher SC
17
-8
22
10
VfL Bochum
VfL Bochum
17
1
21
11
Holstein Kiel
Holstein Kiel
17
-2
20
12
SC Preußen 06 Münster
SC Preußen 06 Münster
17
-4
20
13
Eintracht Braunschweig
Eintracht Braunschweig
17
-9
20
14
Arminia Bielefeld
Arminia Bielefeld
17
3
19
15
1. FC Magdeburg
1. FC Magdeburg
17
-8
17
16
Fortuna Düsseldorf
Fortuna Düsseldorf
17
-12
17
17
SpVgg Greuther Fürth
SpVgg Greuther Fürth
17
-18
15
18
SG Dynamo Dresden
SG Dynamo Dresden
17
-10
13
Aufstieg
Aufstiegsspiele
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