«Spannende Spieler, aber brauchen noch Zeit»
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Sutter über Neuzugänge:«Spannende Spieler, aber brauchen noch Zeit»

GC-Sportchef Sutter über Risiko, Entlassungen und Abrashi
«Ich will der Leuchtturm sein, an dem sich die Leute orientieren»

Seit Anfang Mai ist Alain Sutter der starke Mann bei GC. Vor dem Saisonstart am Samstag gegen Luzern nimmt er gegenüber Blick zu verschiedenen Punkten Stellung und sagt: «Ich fahre eine Hochrisikostrategie.»
Publiziert: 23.07.2025 um 17:00 Uhr
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Aktualisiert: 23.07.2025 um 17:04 Uhr
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Alain Sutter ist der starke Mann bei GC, wenn es um die sportlichen Belange geht.
Foto: Sven Thomann

Im ersten grossen Blick-Interview als Sportchef von GC spricht Alain Sutter (57) über die vielleicht schwierigste Aufgabe seiner Managerlaufbahn und erklärt, weshalb er nicht der populärste Entscheidungsträger ist und er sich als Leuchtturm sieht. Sein Führungsprinzip ist klar: «Es geht nicht um Macht, es geht immer um Orientierung.» 

Und bei einem Themenpunkt wirkt Sutter auf dem Campus energisch. Gegen den Vorwurf, er wildere beim Liga-Konkurrenten St. Gallen, wehrt sich der frühere FCSG-Sportchef vehement: «Das mache ich nicht!»  

Blick: Warum riskiert die GC-Ikone Alain Sutter die Grossbaustelle GC?
Alain Sutter: Ich sehe Gestaltungspotenzial. Es geht darum, in einer Führungsposition einen Traditionsverein zu übernehmen, der in einer ganz schwierigen Situation steckt. Seit Jahrzehnten hat es niemand geschafft, diesen Klub zu stabilisieren. Ein anderer Grund sind die Führungspersonen, mit denen ich Kontakt hatte. Sie pflegen die gleichen Werte wie ich, die gleiche Kultur. Das Fussball-Know-how im direkten Umfeld ist für mich extrem reizvoll. 

Wie viel Freiraum benötigen Sie, um als starker Mann auftreten zu können, um Ihren Plan durchzusetzen? Wie unabhängig von den Besitzern in Los Angeles können Sie operieren?
Es geht doch gar nicht darum, was ich alles brauche. Viel wichtiger ist, wovon ich überzeugt bin. Wie müssen die Voraussetzungen sein, um als Gesamtprojekt erfolgreich sein zu können? Dort habe ich eine klare Meinung. Für mich ist wichtig, dass klar ist, wer entscheidet. Die Besitzer wussten, dass ich den Job nur machen werde, wenn ich der Leuchtturm bin, an dem sich die Leute zu orientieren haben. Es braucht eine klare Ausrichtung. Es geht nicht um Macht, es geht immer um Orientierung – sie ist für mich essenziell für ein erfolgreiches Projekt im Geschäftsleben. 

Blick hat die Umstrukturierungen hinter den Kulissen publik gemacht. Der Kommerz-Chef, der Leiter Marketing und Kommunikation sowie die Leiterin des Internats müssen ihre Posten räumen. Wie sehr sind Sie daran beteiligt?
Ich bin verantwortlich für den Sportteil bei GC. In der Geschäftsleitung gibt es einen Verantwortlichen für die Finanzen und einen für die Business Unit. Alle sind die Leuchttürme ihrer Abteilung. Wenn wir diese drei Personalien anschauen, dann sind zwei nicht in meiner Abteilung. Im Fall der Internatsleiterin habe ich entschieden. Dass man bei einer Mitarbeiterin, die seit 20 Jahren da ist, die viel für den Verein geleistet hat, über meinen Entscheid diskutiert, ist völlig normal. Wir versuchen auch nicht, irgendetwas unter den Teppich zu kehren. Es war eine normale Kündigung, die nun öffentlich ist. Das gehört zu meinem Job dazu. 

Warum haben Sie so entschieden?
Es ist nicht der Entscheid gegen eine Person, sondern ich bin überzeugt, dass, wenn man etwas verändern will, es Veränderungen braucht, neue Energien und frischen Wind auf allen Ebenen. Wenn wir eine Chance haben wollen, GC vorwärtszubringen, müssen wir jeden Stein umdrehen und uns komplett neu erfinden. 

Blick nannte ein paar mögliche neue GC-Mitarbeiter, die aktuell noch in St. Gallen engagiert sind: beispielsweise Boro Kuzmanovic (Leiter Entwicklung) und Ramin Pandji (Teammanager). Kommentieren Sie diese Dossiers?
In eurer Headline ging es ja darum, dass ich in St. Gallen wildern würde. Um es einmal klarzustellen: Das mache ich nicht! Nehmen wir Boro Kuzmanovic. Wenn einem Mitarbeiter gekündigt wird, er auf dem freien Markt ist, ich seit Jahrzehnten mit ihm gut zusammengearbeitet habe und ihn dann vielleicht irgendwann mal zu GC lotse, dann hat das nichts mit Wildern zu tun. Wenn jemand noch unter Vertrag ist, kontaktiere ich ihn nicht. Das gilt für Stefano Razzetti (Goalietrainer) oder auch für Nnamdi Aghanya (Chefscout) gleichermassen. Ich habe bei uns vor zwei Monaten Andreas Hilfiker für zwei Jahre zum Chef der ganzen Goalieabteilung gemacht. Ramin Pandji ist eine andere Geschichte. GC wollte ihn schon vor meiner Zeit unbedingt verpflichten. Dass er brillant ist, ist kein Geheimnis.

Alain Sutter persönlich

Alain Sutter wird am 22. Januar 1968 in Bern geboren und wechselt als 17-Jähriger von Bümpliz zu GC. Mit den Zürchern wird er je zweimal Meister und Cupsieger. 1993 wechselt er zu Nürnberg in die Bundesliga, später spielt er auch bei Bayern München und Freiburg, ehe er 1998 nach einem Abstecher in die USA zu Dallas seine Karriere beendet. Für die Nati absolviert er 62 Länderspiele und nimmt mit ihr an der WM 1994 in den USA teil. Nach seiner aktiven Karriere ist Sutter unter anderem jahrelang Experte beim Schweizer Fernsehen. Anfang 2018 wird er Sportchef beim FC St. Gallen, Anfang 2024 trennen sich die Wege. Seit Mai 2025 ist der verheiratete Familienvater Sportchef bei GC.

Alain Sutter wird am 22. Januar 1968 in Bern geboren und wechselt als 17-Jähriger von Bümpliz zu GC. Mit den Zürchern wird er je zweimal Meister und Cupsieger. 1993 wechselt er zu Nürnberg in die Bundesliga, später spielt er auch bei Bayern München und Freiburg, ehe er 1998 nach einem Abstecher in die USA zu Dallas seine Karriere beendet. Für die Nati absolviert er 62 Länderspiele und nimmt mit ihr an der WM 1994 in den USA teil. Nach seiner aktiven Karriere ist Sutter unter anderem jahrelang Experte beim Schweizer Fernsehen. Anfang 2018 wird er Sportchef beim FC St. Gallen, Anfang 2024 trennen sich die Wege. Seit Mai 2025 ist der verheiratete Familienvater Sportchef bei GC.

Einer Ihrer aktuellen Leader ist Coach Gerald Scheiblehner. Der frühere Linzer hat gar nicht mehr mit dem Job bei GC gerechnet, weil Sie ihm abgesagt haben sollen. Können Sie uns zu etwas Klarsicht verhelfen?
Ich hatte das Glück, ganz viele spannende Trainerkandidaten auf meiner Liste zu haben, mit denen ich mir eine Zusammenarbeit hätte vorstellen können. Mit Gerald führte ich früh Gespräche und war begeistert. Dann habe ich mir gleichwohl die Freiheit genommen, mit Kandidaten zu sprechen, die ebenfalls noch andernorts engagiert waren. Der Prozess zog sich etwas in die Länge. Irgendwann kam der Zeitpunkt, bei dem es wieder weiterging in Linz, und ich konnte ihm dennoch nicht definitiv zusagen. Erst nach Abschluss aller Gespräche sagte ich Gerald, er sei die Nummer 1 – die Frage war ganz simpel: Willst du es noch machen oder nicht? Innerhalb von einem Tag brachten wir alles über die Bühne. 

GC ist eine Wundertüte, das Team wurde erneut verjüngt. Das Budget ist vergleichsweise klein, die Erwartungshaltung ist dennoch gross. Wie ist das für den neuen Trainer zu schaffen?
Er muss nur sich selber sein. Wenn jemand authentisch ist und seinen Überzeugungen folgt, bietet dies immer die grösste Chance auf den grösstmöglichen Erfolg. Klingt simpel, ist es aber nicht. Wir haben vor seiner Verpflichtung über die Werte gesprochen, die mir wichtig sind. Selbstverständlich habe ich keinen Trainer engagiert, der den Fussball komplett anders sieht als ich. Mich interessiert die Art und Weise, wie wir Fussball spielen. Und mich interessiert, wie man mit den Menschen umgeht. Da sind wir auf der gleichen Linie. 

Welchen Fussball muss Ihr Team zeigen, um Sie im Stadion nicht zu langweilen?
Die Mannschaft soll in jeder Phase aktiv sein und die Führung des Spiels übernehmen. Um das geht es. Wenn du Ballbesitz hast, willst du ein Tor machen. Wenn du den Ball verlierst, willst du ihn sofort wieder. Das sind Schlagwörter, klar. Ich will, dass etwas passiert, dass sie nie passiv sind und nur reagieren. 

In Ihrer Equipe sind 14 U23-Spieler, Sie haben mehrere 17-Jährige im Kader. Wie stabil ist diese GC-Ausgabe? Was darf man nach zuletzt schwierigen Jahren von ihr erwarten?
Ich habe mir abgewöhnt, Erwartungen zu haben im Leben – sonst sind die Enttäuschungen immer inbegriffen. Es wird interessant sein, wie sich die Mannschaft entwickelt. Ich fahre eine Hochrisikostrategie, das ist so. Wir haben nicht unendlich Ressourcen zur Verfügung. Mich reizt es unheimlich, junge Spieler, eine Mannschaft, zu entwickeln, einen Spielstil zu finden. Wohin es führt, werden wir sehen. Wir werden gegen Teams antreten, die schon viel weiter sind als wir. Aber wir nehmen die Herausforderung an. 

Einer der zahlreichen neuen Hoffnungsträger ist Jonathan Asp Jensen. Welche Rolle soll die 19-jährige Bayern-Leihgabe künftig spielen?
Es geht um seine persönliche Entwicklung, er ist bei uns, um besser zu werden. Wir werden ihn dabei unterstützen. Er spielt seine erste Saison auf diesem Niveau. Zu grosse Erwartungen wären völlig fehl am Platz. 

Wie schaut der Horizont aus bei den erst 17-jährigen italienischen Junioren-Nationalspielern Matteo Mantini und Pantaleo Creti? Sie kommen aus der Primavera (Jugendliga), beide haben bis 2028 unterschrieben.
Ich habe etwas Erfahrung mit einem Spieler, den ich aus der Primavera nach St. Gallen geholt habe: Mattia Zanotti (inzwischen beim FC Lugano). Er war vom ersten Tag an Stammspieler und einer der besten Aussenverteidiger in seinem ersten Super-League-Jahr. Ich weiss, was möglich sein könnte. Die Erwartung, dass es immer so aufgeht, habe ich hingegen nicht. Aber wir sehen in ihnen über einen längeren Zeitraum Potenzial und sind überzeugt von ihnen. 

Könnten die beiden Italo-Teenager auch sofort funktionieren?
Wir würden natürlich nicht auf die Bremse stehen. Ich selber bin mit meiner persönlichen Geschichte ja das Paradebeispiel dafür (Sutter kam 1985 als 17-Jähriger zu GC), dass es extrem schnell gehen kann und nichts mit dem Alter zu tun hat. Aber auch bei ihnen gilt: Zu grosse Erwartungen sind absolut fehl am Platz.

Als Gegenentwurf dazu könnte man den langjährigen Captain Amir Abrashi (35) sehen. Was haben Sie mit dem Routinier vor?
Ich würde mir wünschen, dass er seine letzten Jahre als Fussballprofi geniessen kann – mit weniger Druck, mit weniger Last auf den Schultern. 

Wer soll ihn denn entlasten?
Wenn der ganze Verein gut funktioniert, wird er automatisch entlastet werden. Er soll nicht immer im Fokus stehen müssen – auf und neben dem Platz. Das ist weder für ihn noch für den Verein gesund. Er soll sich auf seine Aufgabe als Spieler konzentrieren können, dann wird er auch den grössten Mehrwert für die Mannschaft und den gesamten Verein bringen. 

In den letzten Jahren hat die GC-Führung immer wieder versucht, die erfolgreiche Vergangenheit auszublenden. Sind Sie für einen etwas entspannteren Umgang mit der früheren Glorie?
Die Vergangenheit, von welcher ich selber Teil war, ist schön, sie gehört dazu. Die kann und soll man nicht negieren, wichtig ist aber, die Erwartungen der Realität anzupassen. Wir sind heute an einem komplett anderen Punkt als vor 20, 30, 40 Jahren. Und trotzdem will ich eine Mannschaft sehen, die jedes Spiel gewinnen und dominieren will. Diese Haltung will ich im Verein sehen. Nicht mehr, nicht weniger.

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