Darum gehts
- Kospo wechselt überraschend zur bosnischen Nationalmannschaft trotz SFV-Planung
- Bosniens Nationalcoach Sergej Barbarez persönlich warb um das Talent
- Kospo spielte 30 U-Länderspiele für die Schweiz, davon 15 als Captain
Der Absprung von XXL-Talent Eman Kospo (18) bebt nach. Dass ein Junior, der in 30 Länderspielen 15-mal die Captain-Binde getragen hat und unter renommierten Experten als kommender Leader gehandelt wird, zur Weltnummer 72 ohne jegliche EM-Vergangenheit wechselt, wirft grosse Fragen auf. Beim SFV hat die Causa Kospo offenbar niemand als problematisch taxiert.
In der Verbandsplanung war Kospo als Stammverteidiger für die kommende EM-Ausscheidung der U19 eingeplant. Signale, sich mit einem Nationenwechsel zu befassen, seien vom Fiorentina-Professional keine ausgegangen, wird aus der Verbandszentrale in Muri BE gemeldet.
Der SFV-Version hält Kospo im exklusiven Gespräch mit Blick seine Sicht der Dinge entgegen: «Mein Umfeld hat die Schweizer Verantwortlichen schon vor einem Jahr über das intensive Werben der Bosnier orientiert.» Ganz so überraschend kommt der Absprung offenbar nicht: «Ich habe mich schon länger damit befasst. Einen solchen Entscheid fällt man nicht über Nacht. In meiner Brust schlagen zwei Herzen. Ein Teil meiner Familie lebt in Bosnien, der andere in der Schweiz, die uns viel gegeben hat.»
In Bosnien ist Kospo-Dossier Chefsache
Im Austausch mit Kospo sind dessen Zweifel spürbar: «Ich habe auf mein inneres Gefühl gesetzt, aber ich habe mit mir gerungen. Hinter mir liegt ein schwieriger Prozess. Dabei spielen ganz viele Elemente eine Rolle.» Ein grosses Thema ist die Wertschätzung, das Interesse an seinem Weg, an seiner persönlichen Zukunft, das Vertrauen, der Einbezug der Eltern. Kurzum: die weichen Faktoren.
«Bosnien hat mir auf eine gute Art und Weise einen klaren, realistischen Plan aufgezeigt.» Nationalcoach Sergej Barbarez (53) persönlich, mit 330 Bundesliga-Spielen eine respektable Grösse im Land, hat sich um die Personalie Kospo gekümmert – das Ringen um das Juwel war Chefsache. Die bosnische Delegation hat Eindruck hinterlassen: «Ich spürte bei ihnen die hundertprozentige Überzeugung, mir alle Türen zu öffnen.»
Auf ein solch prominentes Commitment hat Kospo eigenen Angaben zufolge vergeblich gewartet. Er habe von Pierluigi Tami, dem Chef der Männer-Nationalteams, «noch nie etwas gehört». Kospo wird in diesem Zusammenhang sehr deutlich: «Es kam keiner der Chefs und zeigte mir die Perspektiven auf. Darauf habe ich lange gewartet. Ich hätte mir auch eine Chance gewünscht, mich mal in der Schweizer U21 zeigen zu dürfen.»
Den engsten Kontakt pflegte er mit seinem U18- und U19-Coach Ilija Borenovic: «Ihm bin ich unendlich dankbar. Er hat sich um mich gesorgt, er kämpfte um mich. Er hat mir auch Varianten aufgezeigt. Es tut mir sehr leid, ihn nun enttäuschen zu müssen», sagt Kospo zu Blick. Die Stimme wird leiser, die persönliche Tragweite ist spürbar.
Marinis Bild von Kospo: «Eine gute Persönlichkeit»
Stefan Marini, während neun Jahren Coach auf Junioren-Nationalteam-Ebene, hat die ersten SFV-Schritte Kospos eng begleitet. Er schickte das grosse Talent beim U15-Debüt am 3. Mai 2022 gegen Spanien (2:2) als Captain aufs Feld. Die Turbulenzen um Kospo mag er nicht kommentieren: «Ich bin zu weit weg und kenne die Hintergründe nicht.»
An Kospos Talent zweifelt Marini hingegen nicht. Der FCL-Botschafter und Ex-Entwicklungsdirektor der Innerschweizer hat seinen früheren Abwehrchef in bester Erinnerung: «Er war ein zugänglicher Typ mit grossen Führungsstärken. Mir fiel auf, dass er nicht nur körperlich sehr weit war, sondern auch im Kopf – eine gute Persönlichkeit.»
Guter Start in Florenz
Welche Flughöhe Kospo dereinst erreichen wird, ist aktuell nicht absehbar. Spürbar ist: Er nimmt auf europäischer Bühne Fahrt auf. Der 18-Jährige, der seine Karriere in der Juniorenabteilung von Aarau und GC lancierte, später dann zwei Jahre in Barcelonas sagenumwobener Akademie «La Masia» zum internationalen Juwel reifte, wird im September ins Camp der bosnischen Nationalmannschaft einrücken – der verlustpunktlose Leader der WM-Ausscheidungs-Gruppe H spielt in San Marino und empfängt Österreich.
In Florenz hat sich der Innenverteidiger nach seinem überraschenden Abschied aus Barcelona in der Vorbereitung mit ansprechenden Leistungen einen fixen Platz im teuren Kader des ambitionierten Serie-A-Klubs erkämpft. «Ich bin sehr gut aufgenommen worden und profitiere enorm vom hohen Rhythmus im Alltag», meldet Kospo zwei Tage vor dem Conference-League-Playoff der Fiorentina.