Darum gehts
- Ramona Bachmann: Pionierin und Ikone des Schweizer Frauenfussballs verpasst Heim-EM
- Offener Umgang mit Homosexualität und Vorbild für junge Fussballerinnen
- 153-fache Nati-Spielerin, 2015 für den Ballon d'Or nominiert
Im EM-Camp der Nati in Magglingen wimmelt es in diesen Tagen von Talenten. Eines davon ist Alena Bienz (22). Als Blick sie darauf anspricht, wer ihre Vorbilder gewesen sind, sagt diese: «Lara Dickenmann und Ramona Bachmann.» So wie Bienz geht es vielen jungen Fussballerinnen. Doch die Hoffnung, an der Seite ihres Idols die Heim-EM zu bestreiten, ist geplatzt. Bei Ramona Bachmann bringt die MRI-Untersuchung am Donnerstag einen Kreuzbandriss im linken Knie zutage, was unweigerlich die Frage aufwirft: Kehrt die 34-Jährige und 153-fache Nati-Spielerin jemals auf den Fussballplatz zurück?
Es wäre das bittere Ende einer herausragenden Karriere. Denn Bachmann ist nicht einfach nur eine grossartige Fussballerin, sondern eine Pionierin und Ikone des Frauenfussballs hierzulande. «Der Weg, den sie gegangen ist, ist sehr beeindruckend», sagt Blick-Expertin Lara Dickenmann (39).
Die langjährige Nati-Teamkollegin lernt Bachmann kennen, als diese 15-jährig ist. «Auf dem Platz hat man sofort gesehen, dass sie eine absolute Ausnahmekönnerin ist. Sie machte Sachen, die man so in der Schweiz damals noch nie gesehen hatte.» Mit 16 bricht Bachmann ihre Lehre bei der Post ab und macht sich auf, als Profifussballerin die Welt zu erobern – ein Novum zu einer Zeit, in der die Idee, als Frau mit Fussball seinen Lebensunterhalt zu verdienen, in den Köpfen noch nicht existiert. «Sehr untypisch schweizerisch», sagt Dickenmann. «Aber Ramona machte sich nie zu viele Gedanken. Wenn sie etwas wollte, hat sie es gemacht. Egal, was andere vielleicht darüber denken könnten.»
Bachmann wechselt nach Schweden zu Umea mit Superstar Marta und erfüllt sich ihren Traum. Als 17-Jährige spielt sie 2008 im Champions-League-Final, der gegen Frankfurt aber verloren geht. Nach einem Abstecher in die USA kehrt sie nach Schweden zurück, später spielt Bachmann bei Wolfsburg, Chelsea und PSG und verdient gutes Geld. Seit 2024 steht sie bei Houston Dash unter Vertrag. «Sie hat ihren Plan durchgezogen. Und dieser ist aufgegangen», sagt Dickenmann. «Sie hat eine Weltkarriere gemacht.»
Worten folgen auch Taten
Aus ihren Ambitionen macht Bachmann nie einen Hehl. Als sie mit 16 sagt, dass sie «Weltfussballerin werden möchte» schlägt die Aussage hohe Wellen. Immer wieder wird sie später darauf angesprochen. Dass sie diesen Satz tätigte, hat sie aber nie bereut. «Dies war und ist ein Traum von mir. Und Träume sollte man im Leben immer verfolgen», sagt sie später. 2015 wird sie als eine von zehn Spielerinnen für den Ballon d'Or nominiert. Ihr grosser Traum, der Gewinn der Champions League, bleibt ihr aber verwehrt.
Ihr Debüt in der Nati gibt die Luzernerin im Juni 2007 beim 0:1 gegen Schweden. Kurz nach ihrer Einwechslung wird Bachmann verwarnt, später fliegt sie mit Gelb-Rot vom Platz. «Zu Beginn ihrer Karriere war sie ein Hitzkopf, aber sie hat schnell gelernt, damit umzugehen und diesen Charakterzug in positive Energie umzuwandeln», sagt Dickenmann. Bachmanns grösste Stärke: das Dribbling. «In diesem Bereich war sie weltweit eine Ausnahmekönnerin», so Dickenmann. Sie vom Ball zu trennen, sei schwierig gewesen. Dadurch habe sie sehr viele Chancen kreiert und für Überraschungsmomente gesorgt. «Auch das Publikum hat ihr gerne zugeschaut, da ihr Spielstil grossen Unterhaltungswert hat.»
Der Fähigkeiten und Position entsprechend, übertrieb es Bachmann gelegentlich in jungen Jahren. «Ramona war ein Freigeist auf dem Platz und brauchte ihre Freiheiten», so Dickenmann. «Aber ab und zu mussten wir sie daran erinnern, dass auch sie sich an den Matchplan zu halten habe», so Dickenmann. «Sie hat das respektiert und sich auch in den Dienst der Mannschaft gestellt.» Bachmann ist ein wichtiger Teil der Nati, als sich diese an der WM 2015 in Kanada erstmals für eine Endrunde qualifiziert.
2017, 2022 und 2023 folgen drei weitere Endrunden. «Sie ist als Person in den letzten Jahren noch einmal extrem gereift», sagt Dickenmann. Für das Trainer-Team sei sie ein Bindeglied zu den jungen Spielerinnen, für diese nicht nur aufgrund ihrer sportlichen Stärke, sondern auch wegen ihrer Art ein Vorbild. «Ramona ist eine sehr bodenständige und lustige Person, die man gerne um sich hat, und die immer sich selbst geblieben ist.»
Auch Marisa Wunderlin (37) hat Bachmann als Nati-Assistentin während vier Jahren eng begleitet. «Die Kombination von Explosivität, Antritt, Technik unter Druck und Laufvermögen war bei ihr einzigartig», so die Ostschweizerin. «Das, was sie am Ball gemacht hat, war ausserordentlich gut und werden wir in der Schweiz auch in Zukunft nicht so oft haben.» Auch neben dem Platz schätzt Wunderlin Bachmanns Persönlichkeit. «Sie ist ein Mensch, der sehr echt und authentisch nach aussen trägt, wer sie sein möchte. Das bewundere ich noch immer an ihr.»
Offener Umgang mit Homosexualität
Auch neben dem Platz ist Bachmann eine Vorreiterin. Mit ihrer Homosexualität geht sie von Beginn an offen um. Als sie dies während der WM 2015 in einem SonntagsBlick-Interview einer breiten Öffentlichkeit bekannt macht, überrascht und überfordert sie auch die SFV-Medienabteilung.
«Im mutigen Interview erklärt sie ihr Glück mit einer Frau», lautet die Überschrift des Interviews, das unkompliziert vor dem Teamhotel in der Innenstadt von Vancouver geführt wird. Für Bachmann selber hat es aber nichts mit Mut zu tun. Für sie ist es kein Outing. Ihr Umfeld ist schon lange im Bild, dass sie mit Camille, die auch in Vancouver weilt, zusammen ist. Sie gibt auch die Einwilligung, dass man ihre Paarbilder von Social Media publizieren darf.
Die Episode steht exemplarisch für Bachmanns Art: echt, ungekünstelt, offen – ein grosses Vorbild für eine ganze Generation Mädchen. «Ich habe mich damals bewusst dafür entschieden, weil ich das Thema normalisieren will», sagt Bachmann Jahre später gegenüber Blick. «Junge Menschen sollen sehen, dass Ramona Bachmann erfolgreich ist und auf Frauen steht – und dass das ganz etwas Normales ist.»
Damit ist sie auch für die LGBTQ-Community eine wichtige Stimme in einer Gesellschaft, die auch heute noch immer ein ambivalentes Verhältnis zur gleichgeschlechtlichen Liebe hat. «Was für andere vielleicht mutig war, war für sie ganz normal», bestätigt Dickenmann. «Aber damit war sie eine Vorreiterin und ein Vorbild – und hat vielen auch Mut gemacht.»
Dass sie damit zur Zielscheibe von Hasskommentaren wird, ist sich Bachmann bewusst. Aber auch damit geht sie sehr transparent um und bezieht klar Stellung. «Vielleicht sind es Leute, die ihre Homosexualität nicht leben oder sich selbst nicht akzeptieren können. Oder solche, die denken, Homosexualität sei etwas Schlimmes. Als gäbe es auf der Welt keine grösseren Probleme als Menschen vom gleichen Geschlecht, die sich lieben. Ich werde niemals verstehen, warum jemand über die Sexualität eines anderen Menschen urteilt», so Bachmann.
Ihre privaten Beziehungen hält sie nicht geheim. Als sie 2018 mit Alisha Lehmann (26) zusammenkommt, sind sie das Traumpaar des Schweizer Fussballs. Auch an der Liebe zu ihrer Ehefrau Charlotte Baret lässt Bachmann die Öffentlichkeit teilhaben. In den sozialen Medien postet sie immer wieder Bilder der beiden, so auch vom Hochzeitsfest an Weihnachten 2023 auf La Réunion. Und zuletzt die Geburt des am 8. Mai zur Welt gekommenen Sohns Luan Maël.
Vor der Heim-EM kämpft Bachmann dafür, dass die beiden im Nati-Camp dabei sein dürfen. Der SFV gibt dem Wunsch statt und veröffentlicht Ende Mai eine Regelung, welche die Vereinbarkeit von Spitzensport und Familie verbessern soll. Nati-Akteuren, die ein Kleinkind haben, ist es fortan erlaubt, dieses in Begleitung an einer Endrunde mitzubringen. Dazu wird es an der Heim-EM nicht kommen. Die Krönung der Karriere bleibt Bachmann verwehrt. Einer der grossen Pionierinnen des Schweizer Frauenfussballs – auf und neben dem Platz.
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
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1 | Deutschland | 6 | 22 | 16 | |
2 | Niederlande | 6 | 1 | 11 | |
3 | Österreich | 6 | -11 | 6 | |
4 | Schottland | 6 | -12 | 1 |
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | Frankreich | 6 | 12 | 18 | |
2 | Norwegen | 6 | -1 | 8 | |
3 | Island | 6 | -3 | 4 | |
4 | Schweiz | 6 | -8 | 2 |
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | Spanien | 6 | 13 | 15 | |
2 | England | 6 | 10 | 10 | |
3 | 6 | -7 | 6 | ||
4 | Portugal | 6 | -16 | 4 |
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | Schweden | 6 | 7 | 12 | |
2 | Italien | 6 | 4 | 10 | |
3 | Dänemark | 6 | -5 | 9 | |
4 | Wales | 6 | -6 | 2 |