Hamburg, Frankfurt, Portland, Barcelona, Madrid und Seattle: Seit gut 16 Jahren lebt Ana-Maria Crnogorcevic (35) als Profi-Fussballerin im Ausland. Nach ihrem Abenteuer an der Westküste der USA, wo sie bei Seattle in diesem Jahr zu zwölf Liga-Einsätzen kam und mit dem Klub in den Playoff-Viertelfinals scheiterte, steht die Berner Oberländerin vor ihrem wohl letzten grossen Ausland-Abenteuer der Karriere. Blick hat die Schweizer Rekord-Natispielerin in ihrer Heimat besucht.
Ihr Vertrag in Seattle läuft offiziell in wenigen Tagen aus. Wie geht es für Sie weiter?
Ana-Maria Crnogorcevic: Ich werde aller Voraussicht nach meine Karriere in Europa fortsetzen. England ist ein Thema, Spanien und Deutschland auch, aber auch Frankreich. Richtig Französisch zu lernen, täte mir gut, auch im Hinblick auf meine berufliche Zukunft nach der Karriere.
Welche Rolle spielen solche Faktoren bei einer Klubwahl?
Ich habe immer über den Tellerrand geschaut. In Hamburg zum Beispiel schloss ich meine KV-Lehre ab. Als ich nach Barcelona ging, war es mir wichtig, innerhalb weniger Monate die Sprache zu lernen.
Wie wichtig ist das Finanzielle?
Wenn es ums Geld gehen würde, müsste ich nach Mexiko oder Saudi-Arabien wechseln. Aber wenn ich diesem nachrennen würde, wäre meine Karriere anders verlaufen. 2013, als ich bei Frankfurt spielte, hatte ich ein Angebot von PSG. Oder später, als ich in Spanien war, hätte ich früher wieder in die USA oder nach Mexiko wechseln müssen, wenn das Geld der entscheidende Faktor gewesen wäre.
Mit 176 Länderspielen sind Sie Rekord-Natispielerin, obwohl sie als Mädchen eigentlich gar nicht Fussball spielen sollten.
Mein Vater wollte das nicht. Deshalb musste ich Tennis spielen, auch in der Leichtathletik war ich gut, Karate habe ich auch einmal gemacht.
Warum landeten sie trotzdem im Fussball?
Ich habe wohl bei meiner Mutter so lange 'gegrännt', dass sie mich schliesslich angemeldet hat. Ich musste von klein auf lernen, mich durchzusetzen.
Ana-Maria Crnogorcevic wird am 3. Oktober 1990 in Steffisburg BE geboren. Ihre Eltern stammen aus Kroatien. Nach dem Cupsieg mit dem FC Thun 2009 wechselt sie als Teenager zu Hamburg in die Bundesliga. 2011 geht es weiter nach Frankfurt, wo sie 2014 den Cup und 2015 die Champions League gewinnt. Nach einem ersten Abstecher in die USA (Portland) wechselt sie Ende 2019 zum FC Barcelona, wo sie mit den Katalaninnen vier Meistertitel holt und zweimal die Champions League gewinnt. Nach der WM 2023 geht es für eine Saison zu Atlético Madrid, ehe sie im Sommer 2024 zu Seattle wechselt, wo ihr Vertrag Ende dieses Jahres ausläuft. Ihr Debüt in der Nati gibt Crnogorcevic 2009 gegen Schweden, inzwischen ist sie mit 176 Länderspielen (74 Tore) die Schweizer Rekordspielerin. Mit der Schweiz nahm sie an der WM 2015 und 2023 sowie an der EM 2017, 2022 und 2025 teil.
Ana-Maria Crnogorcevic wird am 3. Oktober 1990 in Steffisburg BE geboren. Ihre Eltern stammen aus Kroatien. Nach dem Cupsieg mit dem FC Thun 2009 wechselt sie als Teenager zu Hamburg in die Bundesliga. 2011 geht es weiter nach Frankfurt, wo sie 2014 den Cup und 2015 die Champions League gewinnt. Nach einem ersten Abstecher in die USA (Portland) wechselt sie Ende 2019 zum FC Barcelona, wo sie mit den Katalaninnen vier Meistertitel holt und zweimal die Champions League gewinnt. Nach der WM 2023 geht es für eine Saison zu Atlético Madrid, ehe sie im Sommer 2024 zu Seattle wechselt, wo ihr Vertrag Ende dieses Jahres ausläuft. Ihr Debüt in der Nati gibt Crnogorcevic 2009 gegen Schweden, inzwischen ist sie mit 176 Länderspielen (74 Tore) die Schweizer Rekordspielerin. Mit der Schweiz nahm sie an der WM 2015 und 2023 sowie an der EM 2017, 2022 und 2025 teil.
Sie gelten als eine, die kein Blatt vor den Mund nimmt. Hat Ihnen das geschadet?
Ich bin keine, die Ja sagt, wenn ich weiss, dass mehr gehen könnte. Ich kann unangenehm sein und habe auch ein paar Mal den Kopf angeschlagen. Es gibt Menschen, die es nicht gerne hören, wenn dir jemand sagt, was nicht gut ist. Habe ich dadurch einen Nachteil gehabt? Ja, manchmal. Aber ich würde es wieder machen.
Auch in der Nati wurde das wiederholt offensichtlich. Zuletzt begrüssten auch Sie den Abgang von Pia Sundhage.
Halt. Es heisst immer, wir Spielerinnen hätten entschieden, dass Pia nicht mehr Trainerin ist, dabei hat uns gar nie jemand gefragt. Der Verband trifft den Entscheid. Uns werden in den Medien oft Worte in den Mund gelegt, die wir so nie gesagt haben. Aber wenn man um das Team herum gewesen ist, hat man gespürt, dass einiges nicht gestimmt hat.
Was war das Problem?
Die Kommunikation war schwierig. Zudem haben wir in den Trainings oft dasselbe gemacht. Der Frauenfussball hat sich in den letzten Jahren enorm entwickelt, da muss man mitgehen, aber das war nicht der Fall. Das Hauptproblem war aber die Kommunikation, welche bei so vielen jungen Spielerinnen und einem so grossen Staff noch wichtiger geworden ist.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Ich hatte schon eine Weile Probleme mit dem Rücken und musste diesen im Mai infiltrieren lassen. Ein paar Tage später spielten wir in Nancy gegen Frankreich. Mit dem Arzt abgemacht war, dass ich eine Stunde spiele. Ich wurde aber nicht ausgewechselt und verletzte mich nach 75 Minuten. Klar hätte ich vielleicht auch intervenieren können, aber während des Spiels denkt man nicht daran. Dies ist eines von vielen Beispielen, in denen die Kommunikation nicht optimal verlief.
Nervt es Sie eigentlich, dass viele sich nur hinter vorgehaltener Hand beklagen?
Ich weiss nicht, wer sich wo und wie beklagt. Ich persönlich versuche, die Dinge direkt anzusprechen. Das können nicht alle und es ist auch nicht immer einfach, weil es auch einmal gegen dich gehen kann. Es gibt Menschen, die mit starken Charakteren umgehen können, andere wollen Leute und Spielerinnen um sich, die Ja und Amen sagen.
Sie absolvierten Ihr erstes Länderspiel am 12. August 2009. Wie hat sich der Frauenfussball seither entwickelt?
Es sind zum Teil banale Dinge. Als ich in der Nati angefangen habe, mussten wir unsere Trainingskleider zweimal tragen, weil wir nur jeden zweiten Tag gewaschen haben. Wir haben also reingeschwitzt und sie danach noch einmal getragen. Die Rahmenbedingungen sind viel besser geworden; die Hotels, die Trainingsbedingungen, die Reisen. Wir haben einen viel grösseren Staff, viel mehr Physios und sogar einen eigenen Koch bei Auslandsreisen.
Was muss noch getan werden?
Ich würde sagen, dass wir im Verband mittlerweile gut aufgestellt sind. Der Unterschied liegt bei den Turniereinnahmen, wobei von der Fifa und Uefa aufgrund von Merchandising und den TV-Geldern nicht die gleichen Preisgelder bezahlt werden.
Wo harzt es im Klubfussball?
Es geht um die Entwicklung von Strukturen, von Chancen und Möglichkeiten. Als ich 2019 zu Barcelona kam, war Barça nur bei den Männern ein grosser Name. Inzwischen sind die Frauen fast die einzige Abteilung, die sich finanziell selber trägt. Oder nehmen wir Arsenal, die verkaufen inzwischen 30’000 bis 40’000 Tickets pro Heimspiel. In der Schweiz wäre es wünschenswert, dass wir ein Halb-Profitum erreichen würden, denn wenn man von 9 bis 17 Uhr arbeitet und dann ins Training fährt, bleibt die Erholung auf der Strecke. Und dann ist auch klar, dass sich die spielerische Qualität nicht wirklich weiterentwickeln kann.
Wie haben Sie die EM erlebt?
Es gab zwei Seiten, die emotionale und die sportliche. Ich hätte mir nie erträumt, dass 20’000 Menschen durch Bern marschieren oder die Leute am Gurtenfestival unser Spiel auf Grossleinwand schauen. Als wir in Thun jeweils ins Café gingen und Brändi Dog spielten, mussten wir fast nie unsere Getränke zahlen, weil andere Gäste uns einluden und viel Glück wünschten. Und der späte Ausgleich gegen Finnland oder die Geste der Spanierinnen, die für uns Spalier standen, waren natürlich sehr emotional.
Und sportlich?
Ich bin sehr selbstkritisch! Es hätte besser laufen können. Wir hatten als Gastgeber Losglück, denn in einer anderen Gruppe wäre es schwierig geworden, sich für die Viertelfinals zu qualifizieren. Gegen Norwegen spielten wir eine starke erste Halbzeit, gaben das Spiel aber nachher aus der Hand. Island hatte zwei Lattenschüsse bevor wir die letzten 20 Minuten das Spiel zu unseren Gunsten gedreht haben und Finnland mehr Ballbesitz als wir. Und das Spiel gegen Spanien hätte auch 0:6 enden können, hatten sie doch zwei Pfostenschüsse und verschossen zwei Penaltys. So ehrlich muss man sein. Viele Leute sagen, ich sei zu negativ, aber ich bin einfach realistisch, sonst wäre ich in meiner Karriere nicht so weit gekommen.
Sie kennen den neuen Nati-Trainer Rafel Navarro aus Ihrer Zeit in Barcelona. Was ist er für ein Typ?
Er ist sehr offen und einer, mit dem man auch über andere Sachen reden oder auch einmal ein Spässchen machen kann.
Und als Trainer?
Er ist ein Fussballfanatiker und eigentlich sehr ruhig, auch wenn er bei Barça derjenige auf der Bank war, der gelegentlich wegen Motzen auch einmal Gelb sah. Er zeigt auf, was geht und was nicht, und er kann sehr klar in seinen Ansagen sein.
Ihm schwebt ein dominanter Ballbesitzfussball vor. Geht das überhaupt mit der Schweiz?
Man kann es lernen und trainieren, das hat Barcelona gezeigt. Wir haben im Mittelfeld technisch gute und ballsichere Spielerinnen. Aber der Einsatz und die Mentalität machen viel aus, man muss nicht unbedingt die beste Fussballerin sein. Aber man muss die Reife haben, bis zur letzten Minute diszipliniert zu sein und die Räume und Positionen zu besetzen. Wichtig sind Cleverness, Antizipation und Mentalität. Es braucht etwas Zeit, aber man hat bereits in den ersten Trainings gesehen, wie viel Spass es machen kann. Ich habe die Mannschaft in den Trainings schon lange nicht mehr so fröhlich gesehen.
Sind 200 Länderspiele ein Ziel?
Nein, mein letztes grosses Ziel ist die WM 2027, aber die Quali wird kompliziert. Viele haben nur die Heim-EM gesehen, aber ich habe schon vor der letzten Nations League gesagt, dass es wichtig wäre, oben zu bleiben. Wir müssen unsere Gruppe gewinnen, keine Diskussion. In den Playoffs brauchen wir auch etwas Losglück. Denn wenn wir gegen England spielen müssten, dann wird es sehr, sehr schwierig.
Was folgt nach dem Karriereende?
Ein Traum wäre, einmal eine Kaffeefarm in Kolumbien zu besuchen. Denn ich mag Kaffee sehr und habe damals in Madrid auch einen Barista-Kurs besucht. Beruflich würde ich gerne im Fussball bleiben, es gibt noch viel zu machen.
Gibt es andere Berufswünsche?
Ich wäre gerne Ärztin geworden. Als eine Teamkollegin einmal eine Platzwunde hatte, wollte ich diese sehen und beim Nähen zuschauen (lacht). Aber dieser Zug ist wohl abgefahren. Einen Job bei der Kriminalpolizei fände ich auch megainteressant.
Gibt es Familienpläne?
Ich würde gerne Kinder haben. Aber falls dies nicht möglich wäre, weil ich beispielsweise nicht schwanger werden könnte, ist es nicht so, dass mein Leben keinen Sinn mehr haben würde.
Sie haben im Gegensatz zu anderen Ihr Privatleben immer sehr bedeckt gehalten. Warum?
Als Fussballerin stehst du permanent im Fokus der Öffentlichkeit. Man kann jedes Wochenende über mich urteilen, wie ich gespielt habe. Das Einzige, was ich noch für mich habe, ist mein Privatleben. Dort will ich selbst entscheiden, ob ich was poste, wie als ich mit den Mädels nach der EM nach Ibiza ging, oder nicht – egal, was ich dann mache, wo ich bin, und mit wem ich unterwegs bin. Letztlich muss jeder selber entscheiden, wie er oder sie damit umgeht. Kommt hinzu, dass vieles in den sozialen Medien jeweils schön aussieht, aber die Realität eine andere ist.
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
|---|---|---|---|---|---|
1 | Norwegen | 3 | 3 | 9 | |
2 | Schweiz | 3 | 1 | 4 | |
3 | Finnland | 3 | 0 | 4 | |
4 | Island | 3 | -4 | 0 |
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
|---|---|---|---|---|---|
1 | Spanien | 3 | 11 | 9 | |
2 | Italien | 3 | -1 | 4 | |
3 | Belgien | 3 | -4 | 3 | |
4 | Portugal | 3 | -6 | 1 |
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
|---|---|---|---|---|---|
1 | Schweden | 3 | 7 | 9 | |
2 | Deutschland | 3 | 0 | 6 | |
3 | Polen | 3 | -4 | 3 | |
4 | Dänemark | 3 | -3 | 0 |
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
|---|---|---|---|---|---|
1 | Frankreich | 3 | 7 | 9 | |
2 | England | 3 | 8 | 6 | |
3 | Niederlande | 3 | -4 | 3 | |
4 | Wales | 3 | -11 | 0 |
