Darum gehts
- Frauenfussballfans sind sauberer
- Es wird weniger Alkohol getrunken
- 150 Volunteers allein in Zürich im Einsatz
Am Freitagmorgen herrscht ganz normaler Marktbetrieb in St. Gallen, kein Mensch trägt ein Fussball-Trikot, die Leute trinken Kaffee statt Bier. Einzig das Mini-Fussballfeld in der Fanzone erinnert an die EM. Ein paar Meter weiter sieht es schon etwas mehr nach Fussball aus: Im Waaghaus befindet sich das Public Viewing, es sind Schweizer Flaggen aufgehängt und Aufkleb-Bildli der Schweizer Nati.
Daniel Ledergerber und Stefanie Krüsi, zwei der drei Betreiber, sind vor Ort. Sie haben eher spontan entschieden, das Public Viewing auf die Beine zu stellen, nachdem die Stadt St. Gallen publik gemacht hatte, dass es in der Fanzone keins geben wird. Zum Auftaktspiel der Schweiz kamen am Mittwoch so viele Leute, dass das kalte Bier ausging. «Wir haben nur zwei Kühlschränke, die irgendwann leer waren. Wir hatten dann nur noch Bier in Kellertemperatur», erzählt Ledergerber. Deshalb wird jetzt umdisponiert, beim nächsten Spiel werden sie gezapftes Bier anbieten.
Mit einem Kaffee in der Hand ist der nächste Stop Winterthur ZH. Geübter in Sachen Public Viewing ist die Winti Arena. Für die Frauen-EM stehen neben den klassischen Festbänken aber auch kleine Tische, es gibt Liegestühle und im Hintergrund ein Streetfood-Festival. Die ganze Atmosphäre wirkt familiär. Marco Wolfensberger, Social-Media-Verantwortlicher der Winti Arena, sagt, dass das Konzept bisher funktioniere. «Die Leute, die das Streetfood-Festival besuchen, bleiben und schauen Fussball, und die Fussballfans verpflegen sich an den Essständen hinten. Es vermischt sich gut.»
Frauen-Fans sind sauberer
Nur am Mittwoch waren für das Spiel der Schweizerinnen hauptsächlich Fussballfans da. «Wir mussten dauernd neue Stühle aufstellen, am Ende sind viele auch gestanden», sagt Wolfensberger. Er sei positiv überrascht, von der grossen Anzahl Menschen und der Art Menschen, die vorbeigekommen sind bisher. «Die Frauenfussball-Fans sind sauberer als die der Männer vergangenes Jahr, es liegt viel weniger Müll am Boden nach einem Spiel.»
Für noch mehr Fussball-Feeling geht es weiter nach Opfikon ZH. Dort trainieren fernab der EM-Stadien die Titelverteidigerinnen aus England. Das Team trainiert heute hinter verschlossenen Türen, trotzdem stehen drei Engländerinnen in der Mittagssonne am Zaun. «In England kommen wir unseren Spielerinnen nie so nahe wie hier», sagt Kerry, sie ist mit ihrer Partnerin und deren Tochter für das Spiel gegen Frankreich aus Newcastle angereist. «Wir hoffen, dass wir ein Foto oder Autogramm bekommen.» Sie hofften bis am Schluss, doch Ende Training begeben sich die Lionesses direkt in den Bus, ohne auf die Bitte der drei Fans einzugehen. «What a shame!»
Von der Abgeschiedenheit ins Getümmel: Am Nachmittag lebt die Zürcher Fanzone in der Europaallee bereits. Wobei das vor allem an den Kindern liegt, die Tennis oder Hockey spielen; dass es sich um eine Fussball-Fanzone handelt, merkt man kaum. 150 freiwillige Helferinnen und Helfer, sogenannte Volunteers, sind während der ganzen EM im Einsatz in der Europaallee. Viele machen regelmässig solche Volunteer-Einsätze, einige helfen das erste Mal an so einem Event mit. Zum Beispiel Andrina Marugg. Sie spielt selbst schon lange Fussball und sagt: «Ich wollte unbedingt selbst einen Teil von dieser EM sein und mithelfen, dass der Frauenfussball grösser wird.»
Hoffen auf trinklustige Engländer
Eine Strasse neben der Fanzone befindet sich das Kennedy Irish Pub. Barth Trayers hat schon manches Fussballturnier als Pubbesitzer mitgemacht. In seinem Pub zeigt er das ganze Jahr Fussball, in diesen Wochen natürlich auch die Frauen-EM. Die Schweizer Frauenfussball-Fans würden sich aber anders verhalten als die Männerfussball-Fans, sagt er. «Egal bei welchem Turnier, wenn die Männer-Nati spielt, ist der Pub voll mit Schweizer Fans. Am Mittwoch waren aber alle in der Fanzone, hier bei uns war es verhältnismässig ruhig.»
Trayers sagt, er freue sich vor allem auf die englischen und walisischen Fans. «Die haben dieselbe Pubkultur wie wir Iren», sagt er, deshalb werde der Pub wohl schon mittags am Spieltag voll sein. «Die England-Fans trinken viel. Ich hoffe daher, die Engländerinnen kommen weit, das ist besser fürs Geschäft.» Er freut sich aber vor allem auf die Stadionbesuche während der EM mit seiner Nichte, die extra aus Irland angereist ist.
Der letzte Halt ist Basel. Inzwischen wurde das 18-Uhr-Spiel in Genf angepfiffen. In Basel sitzen ein paar Fans in Trikots vor der Grossleinwand. Die Temperaturen sind einiges angenehmer als noch beim Eröffnungsspiel, die Sprühdusche bleibt aber ein beliebter Stop für die Besucherinnen und Besucher auf dem Barfüsserplatz.
Samariter haben es ruhig
Die Veranstalter haben verschiedene Massnahmen ergriffen, damit sich die Fans vor Hitze und Sonne schützen können. «Man muss aber auch sagen: Das Klientel ist anders als bei anderen Anlässen. Es wird weniger Alkohol getrunken, was gerade bei diesen Temperaturen einen Unterschied macht», sagt Samariterin Theresia. Die Samariter sind in Basel immer wieder an kleinen und grossen Anlässen im Einsatz. Während der ersten EM-Woche hatten sie bisher nicht viel zu tun. «Das ist immer gut für die Leute, für uns dann teilweise etwas langweilig», sagt Samariterin Sylvia.
Der Tagestrip von St. Gallen nach Basel zeigt: Die EM findet zwar in der Schweiz statt, ist aber nicht in jeder Strasse unseres Landes präsent. Das muss auch nicht sein. An vielen Orten gibt es die EM zu erleben – für Familien, für Fussballfans, für Neugierige. Diese EM-Orte haben alle etwas gemeinsam: Die Menschen, die dort sind – egal ob zum Arbeiten oder in der Freizeit – sind zufrieden.
Die Frauen-EM zeigt, dass ein Turnier nicht nur Party und Alkohol sein muss, sondern viel mehr sein kann.