Erstmals seit dem goldenen November der Generation um Granit Xhaka (33) vor 16 Jahren taucht wieder eine Schweizer U17-Auswahl auf dem WM-Radar auf. In Katar betritt das Team von Coach Luigi Pisino eine globale Bühne – mit Gruppenspielen gegen die Elfenbeinküste (4. November), Südkorea (7. November) und Mexiko (10. November). Experten und Scouts messen der internationalen Standortbestimmung auf dieser Altersstufe extrem viel Bedeutung zu. «Für uns ist es eine grosse Chance, eine wichtige Erfahrung in der Entwicklung machen zu können», meldet Pisino unmittelbar vor dem letzten Test gegen Afrika-Meister Marokko (0:2) aus dem SFV-Camp in Dubai.
Den Fehler, sich mit den früheren U17-Weltmeistern zu vergleichen, begehen die Team-Verantwortlichen selbstredend nicht. Zu mächtig sind die Titulare von damals inzwischen – Xhaka führt als Captain das Nationalteam mit grosser Wahrscheinlichkeit an die kommende WM in Nordamerika, immer noch an der Seite von Ricardo Rodriguez (33). Zusammen kommt das Duo auf sagenhafte 274 Länderspiele. Pisino kennt die Tragweite des Helden-Jahrgangs: «Man muss sich von ihnen inspirieren lassen. Sie sind ein Topbeispiel. Aber wir sind jetzt auf uns fokussiert, auf unsere Realität. Es ist eine andere WM; die Fifa hat viel verändert.»
Xhaka: «Wir hatten eine sensationelle Zeit»
Blick erreicht unmittelbar vor dem Kickoff Sunderlands Captain Granit Xhaka für eine Einschätzung der Bedeutung der Junioren-Endrunde: «Es könnte der Anfang einer Karriere sein. Die Jungs müssen den Moment einfach nur geniessen. Das Turnier kann ein Dosenöffner sein.» Und dann warnt der Star aus der Premier League die neuen Hoffnungsträger: «Es kann aber auch in die falsche Richtung gehen. Es gibt einige Beispiele dafür – auch von unserer damaligen Mannschaft in Nigeria.»
Für Sead Hajrovic begann nach dem Gold-Coup der schleichende Abstieg. Via Arsenal-Nachwuchs ging es in die Challenge-League-Provinz. Auch andere verschwanden komplett in der Anonymität. «Es ist nicht so, dass wir unseren Weg nur gemacht haben, weil wir U17-Weltmeister waren. Was nachher kommt, ist viel schwieriger», macht Xhaka keine falschen Hoffnungen. Erinnern tut sich der Schweizer Rekord-Nationalspieler aber selbstredend gerne an die wunderbaren Tage in Lagos: «Wir hatten eine sensationelle Zeit und eine riesige Harmonie. Das war fast noch wichtiger als der Rest.»
Spanien verpasst das WM-Ticket
Xhakas Nachfolger finden in Katar ein Feld vor, das vor allem mit vielen zusätzlichen Teams aus Asien aufgebläht worden ist. 2009 gehörte die Schweiz zu einem erlesenen Kreis von 24 Nationen. Ab nächster Woche sind 48 Teilnehmer aus sechs Konföderationen startberechtigt. Die Schweiz hat sich ihren Platz im Schaufenster dank Siegen gegen Schweden und die Türkei gesichert; zwei der weltweit besten Nachwuchs-Produzenten haben den schwierigen europäischen Cut nicht überstanden: Spanien und Holland.
Gerade mit dem Blick auf die zuletzt abflachende Schweizer Leistungskurve im Junioren-Elite-Bereich ist das WM-Comeback Gold wert. Erfahrungen im Profi-Business haben die Schweizer Talente nur vereinzelt vorzuweisen. Einzig der 16-jährige YB-Linksverteidiger Olivier Mambwa kann bereits auf mehrere Einsätze in der Super-League-Startformation zurückblicken. Er sei ein gutes Beispiel, einer mit einer «grossen Persönlichkeit und einer Topmentalität», sagt Coach Pisino.
Demut und Ambitionen
Einige wie der Sittener Ausnahmekönner Adrien Llukes (17) gehören regelmässig zum Kader der ersten Mannschaft, aber das Gros ist in der drittklassigen Promotion League engagiert oder spielt noch in einer U19-Kategorie des Verbands. «Wir haben noch keinen Spieler, der seine Rolle ganz oben bestätigt hat, der schon richtig angekommen ist im Erwachsenen-Fussball.» Aber die Unterschiede seien nicht riesig, so der Schweizer U17-Selektionär.
Und ausschlaggebend ist für Pisino die richtige Mentalität: «Es ist ein langjähriges Projekt, das in der U15 begonnen hat.» Sie hätten Werte definiert, einen Geist kreiert. «Jeder braucht den anderen. Wir kommen über den Zusammenhalt.» Der Teamspirit werde am Ende den Unterschied ausmachen, um die veröffentlichten Ziele zu erreichen: «Wir wollen die Knockout-Phase erreichen!» Sie hätten eine klare Vereinbarung getroffen innerhalb der Mannschaft: «Wir gehen mit Demut in das Turnier, aber mit Ambitionen.»



