Darum gehts
- Charyl Chappuis erlebt dramatische Wochen mit Geburt und Notfällen
- Ehefrau Lena überlebt lebensbedrohliche Komplikationen nach der Entbindung
- U17-Weltmeister hat 1,3 Millionen Instagram-Follower als Thai-Fussballikone
Es sind Wochen, die Charyl Chappuis (33) nie mehr vergessen wird. Der U17-Fussballweltmeister spricht im Telefonat mit Blick wenige Tage nach dem Beben in Bangkok über die aufwühlendsten Stunden seines Lebens.
Ein Drama in drei Akten: Am 12. März bringt Chappuis’ Frau Lena Söhnchen Cai zur Welt. «Wir waren alle überwältigt, ein wunderbares Gefühl.» Dann kommt es zu Komplikationen, das Baby verbringt die erste Nacht auf der Intensivstation – getrennt von den Eltern. Chappuis spricht leise: «Mich schickten die Ärzte in einen anderen Raum, liessen mich warten. Da macht man sich natürlich sehr grosse Sorgen.»
Die medizinische Lage des Kleinkinds entspannt sich innerhalb von 24 Stunden, der Sprössling kommt dank inniger Fürsorge ohne weitere Probleme im Leben an.
Die Partnerin liegt blutüberströmt im Bad
Der unangenehme Moment der Angst verflüchtigt sich, ehe eine zweite Schockwelle die junge Familie in Bangkok mit voller Wucht erfasst: Zehn Tage später bricht Chappuis’ Ehefrau Lena in der Wohnung zusammen. Die Modeunternehmerin liegt ohnmächtig in der Badewanne. «Es war knapp, sehr knapp. Meine Mutter und Lenas Stiefmutter haben sie blutüberströmt gefunden», beschreibt Charyl die Situation, die für ihn kaum zu begreifen war.
«Sie hatte sich einen Infekt eingefangen. Das kommt in den besten Krankenhäusern vor. Der eigentliche Fehler ist aber, dass sie zu früh nach Hause geschickt worden war», sagt Chappuis.
Er selbst erfährt von der Notlage erst später, weil er mit dem Bangkok FC ein Testspiel bestreitet. Seine Angehörigen reagieren sofort. Mit dem privaten Auto pflügen sie sich durch den dichten Stadtverkehr. «Hätten sie auf den Krankenwagen gewartet, wäre vermutlich jede Hilfe zu spät gekommen.»
In der Klinik spitzt sich die Lage zu. Unter Hochdruck kämpft eine mehrköpfige Crew um das Leben der Ehefrau des bekannten Profifussballers. «Zunächst konnten sie die Blutung nicht stoppen. Lena bekam mehrere Blutinfusionen und war in einem kritischen Zustand», schildert Chappuis, den das bis heute tief bewegt. Dank einer Not-OP und dem Einsatz eines Silikonballons ebbte der Blutfluss ab. Die Werte blieben kritisch. Erst zwei Tage später kam die Entwarnung.
Das Nachbeben in Bangkok
Ende März: Lena, die schwedische Mutter von Cai, hat sich von den Strapazen einigermassen erholt, es geht körperlich und psychisch endlich aufwärts. Charyl Chappuis sitzt im Auto und rollt im Schritttempo durch die Millionenmetropole. «Alles wie immer. Mir fiel einzig auf, dass viele Menschen aus den Häusern ins Freie drängen. Im gleichen Moment klingelte mein Handy. Lena fragte mich, ob ich die Erdstösse auch wahrgenommen habe.» Er reagiert überrascht, während der Fahrt hat er auf dem gepolsterten Sitz kaum eine Schwingung registriert.
«Bei uns zu Hause muss sich alles total anders angefühlt haben. Bei allen kam ein Gefühl der Ohnmacht auf. Lena erlitt eine mittlere Panikattacke, weil sie glaubte, dass körperlich erneut etwas nicht stimmen würde», so Chappuis. Weil in unmittelbarer Nähe des Appartements eine Brücke beschädigt wird, ordnen die Behörden vorübergehende Sicherheitsmassnahmen an: «Meine Familie wurde für ein paar Stunden evakuiert.»
Sie seien alle glimpflich davongekommen und hätten vermutlich nur das Nachbeben gespürt: «Die Menschen in Myanmar hat es richtig schlimm erwischt. Was sich dort abgespielt hat, kann man mit nichts vergleichen.»
WM-Gold und eine schwere Knieverletzung
Fügungen des Schicksals spielen beim 33-Jährigen immer wieder eine Rolle. Im November 2009 ist er zusammen mit Granit Xhaka und Co. am emotionalsten Moment der SFV-Geschichte hauptbeteiligt und gewinnt den U17-WM-Titel.
2013 wandert das Fussballtalent in die Heimat seiner Mutter aus, gewinnt zwölf Monate später mit dem thailändischen Nationalteam die Südostasien-Trophäe. Sein Status schiesst durch die Decke, 1,3 Millionen Instagram-Follower interessieren sich für die neue Thai-Fussballikone. Ein Kreuzbandriss und ein Knorpelschaden stoppen seinen Höhenflug.
Heute, in seinem zwölften Jahr in Asien, spielt der U17-Weltmeister vor knapp 1000 Zuschauern und Zuschauerinnen für einen Quartierverein in Bangkok. «Ich habe nach ein paar schwierigen Jahren und körperlichen Beschwerden wieder Spass am Fussball und würde gerne noch ein, zwei Jahre anhängen.» Eine Rückkehr in die Schweiz kommt nicht mehr infrage: «Wir haben uns hier eine wunderbare Existenz aufgebaut.»