Darum gehts
- Yann Sommer glänzt im Champions-League-Halbfinal für Inter Mailand gegen Barcelona
- Sommers Paraden werden mit historischen Leistungen verglichen
- Sommer hat 58 Spiele in der Champions League absolviert
Yann Sommers unfassbare Paraden, die berührenden Bilder, die gewaltigen Emotionen. Nach über 120 Minuten mit atemberaubenden Umstürzen, nach einem der spektakulärsten Halbfinals der Champions-League-Geschichte sinkt der Schweizer Goalie auf den durchnässten Rasen: übermannt von einem geschichtsträchtigen Moment für die Ewigkeit, mit Tränen in den Augen. Sein persönliches Meisterstück nach bald 20 Profijahren, der ganze Druck fällt innerhalb von Sekundenbruchteilen ab.
Um 23.39 Uhr bricht der Damm in der lautesten Betonschüssel Italiens. Die Sieger tanzen, taumeln, sind in Trance. Die Euphorie erfasst Sommer, die Kontrolle geht verloren, der Perfektionist lässt sich treiben. Die Squadra schickt ihn solo zur schäumenden Curva: Die Tifoseria spricht ihn am Vorabend der Papstwahl in Rom heilig: «Sommer, olé! Sommer, olé! Sommer, olé!» Nach Mitternacht gewährt der Schweizer Held einen tiefen Einblick in seine Gefühlswelt: «Ich werde mich ein Leben lang daran erinnern.»
Pazza Inter, verrücktes Inter, verrückter Sommer! Im Calcio sind die Elogen der Experten in solchen magischen Momenten unendlich. Die «Gazzetta dello Sport» setzt sofort die historische Duftmarke: «Ein Spiel wie der WM-Halbfinal Italien gegen Deutschland 1970!» Fabio Capello, vor drei Jahrzehnten mit Milan auf dem europäischen Klubthron, inzwischen TV-Mister, vergleicht den Schweizer Sommer mit der brasilianischen Inter-Goalie-Legende Julio César: «Er stoppte Lionel Messi, Yann stoppte Lamine Yamal.»
Benaglios Würdigung: «Herausragende Darbietung»
In seinem 58. Spiel auf der wichtigsten Klub-Bühne ist Sommer vor allem etwas: imposant. Die frühere Nummer 1 der Schweiz ist spätestens nach ihren epochalen Flügen im San Siro vorübergehend die Nummer 1 Europas. Diego Benaglio (41), mit 61 Partien ein ehemaliger SFV-Titan und mittlerweile SRF-Experte, ist beeindruckt. «Man hat gesehen, was passiert, wenn ein Goalie in einen Flow kommt. Yanns Ausstrahlung wurde immer grösser, die Brust immer breiter. Mich freut generell, wenn ein Keeper entscheidend dazu beiträgt, dass die Mannschaft als Sieger vom Platz geht», sagt der frühere Bundesliga-Champion zu Blick.
Im mentalen Bereich habe Sommer eine Parforceleistung geboten, betont Benaglio: «Ein Top-Goalie muss mental unfassbar stark sein, um sich in einer Partie mit einer derart weitreichenden Bedeutung nicht vom Drumherum ablenken zu lassen. Es geht darum, im Kopf stabil zu sein. Die grosse Kunst ist, sich nicht aus dem Tritt bringen zu lassen. Yann steckte nach einer 2:0-Führung drei Gegentore unbeeindruckt weg.» Sommer habe mit «einer herausragenden Darbietung» eine Story geschrieben, «die nur der Fussball schreiben kann».
«Seit vielen Jahren in meinen Körper und das Mentale investiert»
Auch im Nationalteam hat Sommer von 2014 bis zum Rückzug nach dem EM-Viertelfinal-Out gegen England Geschichten geprägt. Seine Penalty-Glanztat gegen Kylian Mbappé im famosen EM-Achtelfinal gegen Frankreich bleibt haften. Ebenso der Titelgewinn mit Bayern München. Die diffuse Debatte um fehlende Zentimeter, die vor allem im Land der deutschen Titanen nach Weitschusstreffern immer wieder aufgewärmt worden ist, wird sich nach der Gala gegen die beste Offensive Europas final verflüchtigen. 183 Zentimeter genügten, einen Giganten wie den FC Barcelona vom Sockel zu stossen.
Nun kehrt Yann Sommer Ende Mai als Goalie- und Mentalitäts-Monster in die Allianz-Arena zurück. In der besten Form seiner langen Laufbahn. Schon vor dem süssen Inter-Frühling hat der 36-Jährige Blick im grossen Interview an seiner Seelenruhe teilhaben lassen: «Es kommt mir jetzt zugute, dass ich schon seit vielen Jahren sehr viel in meinen Körper und das Mentale investiert habe. Ich hatte aber auch zuvor Phasen in meiner Karriere, in denen ich sehr gute Leistungen gezeigt habe, aber nicht in einem Team, das um Titel spielte.»