«Wir wollen unbedingt Mbappé sehen»
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Fans vor Hotel in Bukarest:«Wir wollen unbedingt Mbappé sehen»

Sein Vater war Müllmann
Der Aufstieg von Frankreichs bester Waffe Kanté

Kleiner Mann, grosse Leistung! Spätzünder N'Golo Kanté schaffte es aus der Pariser Banlieue an die Spitze des Weltfussballs. Aber er ist der Letzte, der sich darauf etwas einbilden würde.
Publiziert: 26.06.2021 um 18:44 Uhr
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Aktualisiert: 27.06.2021 um 13:10 Uhr
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Er bereitet den Grossen Bauchweh: N'Golo Kanté ist überall auf dem Feld, hier hat Portugal-Star Cristiano Ronaldo das Nachsehen.
Foto: keystone-sda.ch
Matthias Dubach

Manchmal ist eine masslose Übertreibung die beste Illustration. «Zwei Drittel der Erde werden von Wasser bedeckt. Das übrige Drittel von N'Golo Kanté», sagt England-Legende Gary Lineker einst launig über den unscheinbaren, aber unheimlich wertvollen Sechser der Franzosen und von Chelsea.

Kanté hat das Ballerobern zu einer Kunstform gemacht. Der nur 1,68 Meter kleine Mittelfeldspieler bearbeitet jeden Grashalm auf dem Platz, gewinnt überall Bälle, foult kaum, schliesst Räume, verschärft oder verlangsamt das Tempo, löst Angriffe aus. Das alles in einer Ruhe, für die der 30-Jährige längst zum Kult wurde. «Er ist der Schlüssel zu allem. Er ist zwei Spieler in einem», schwärmt sein Chelsea-Trainer Thomas Tuchel von seinem nimmermüden Mittelfeldmotörchen.

Viel Lob für einen, der bei all seinen grossen Erfolgen als heimlicher Meistermacher gilt: Frankreichs WM-Titel 2018, die Meistertitel in England mit Leicester 2016 und Chelsea 2017. Die Europa League 2019 und Champions League 2021 mit den Blues.

Sein Vater war Müllmann und starb früh

Die Gefahr, dass Kanté abhebt? Inexistent. Der Mann aus Paris ist der geborene Anti-Star. Nichts ist dem stillen Kicker mit dem scheuen Lächeln unangenehmer, als im Rampenlicht zu stehen. Interviews gibt er so gut wie nie. Über sein Privatleben ist praktisch nichts bekannt. Nur, dass sein Vater aus Mali in Paris als Müllmann arbeitete und verstarb, als N'Golo erst 11 war. Von seinen acht Geschwistern ist ein Bruder ebenfalls bereits an Herzversagen gestorben.

Kanté, der kleine Mann der wenigen Worte und der vielen Ballgewinne. Mittlerweile ist er bei den Fans aber genau deshalb weltweit extrem beliebt, weil kaum ein anderer Profi so sehr für die vermeintliche Diskrepanz zwischen Weltklasseauftritten und einem Dasein als völliger Normalo steht.

Kanté scheint scheinbar nie unter Druck zu sein. 6 oder 60'000 Zuschauer? Für Kanté machts keinen Unterschied. Er lächelt sowieso. «Mein Spiel hat sich so entwickelt, weil ich in Paris mit den Jungs auf der Strasse oder im Park gespielt habe», sagte er während seiner Leicester-Zeit.

Was Kanté noch zusätzlich Sympathiepunkte einbringt: Er ist ein Spätzünder. Nicht viel hätte gefehlt, und er würde noch heute im Park, statt morgen in Bukarest den EM-Achtelfinal gegen die Schweiz spielen. Der Mittelfeldspieler war nie in einer Akademie eines grossen Klubs, geschweige denn in der nationalen Nachwuchsschmiede in Clairefontaine wie etwa Kylian Mbappé (22), der wie er aus einem der Pariser Vorstädte in der Banlieue stammt.

Klubs wie Amiens, Sochaux, Rennes und Lorient sagen ihm als Teenager ab. Die Gründe: zu klein, zu ruhig.

Erst mit 21 der erste Profivertrag

Er spielt stattdessen lange in der 6. Liga. Da es im Fussball nichts zu werden schien, schliesst Kanté eine Buchhalter-Lehre ab. Doch dann kommt er bei Boulogne in die erste Mannschaft, spielt drittklassig und ist mit 21 Jahren erstmals Profi. Caen entdeckt Kanté, holt ihn mit 22 in die Ligue 1, wo er zwei Jahre bleibt und 2015 für 10 Millionen Franken zu Leicester wechselt. Der Rest ist Geschichte. Der Premier-League-Underdog mit der Wettquote 5000:1 wird sensationell englischer Meister.

Natürlich ein Faktor dabei: Kanté, der den damaligen Schweizer Nati-Captain Gökhan Inler auf die Bank verdrängt. Der Franzose wechselt nach dem Titel für rund 40 Millionen Franken zu Chelsea.

Aber auch in London bleibt Kanté einfach Kanté. Trotz Millionen-Gage kurvt er immer noch in seinem Mini Cooper herum, weil «er in diesem Auto den Linksverkehr erlernt hat und er sich darin am wohlsten fühlt». Verpasst er den Zug nach Paris, geht der gläubige Moslem in eine Londoner Moschee, wo ihn Leute erkennen, zum Essen einladen und bei denen der Star-Kicker spontan den ganzen Abend verbringt.

Und auf dem Feld ist er stärker denn je. Im Champions-League-Final wird er «Man of the Match». Dabei hatte er ja nur mit der Gründlichkeit eines gelernten Buchhalters seinen Job gemacht.

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