Lukas Görtler scheint bereits geahnt zu haben, dass seinem FC St. Gallen ein ganz langer Cupabend bevorstehen könnte. Zumindest lässt sich die Miene des verletzten Captains so deuten, als ihn die SRF-Kameras Mitte der zweiten Halbzeit auf der Tribüne des Stadion Grünfeld einfangen. Am Ende benötigt sein Team 120 Minuten und vier verschossene gegnerische Penaltys, um sich gegen den Challenge-League-Klub mit 3:2 n.P. durchzusetzen.
Dabei wäre ein Viertelfinal-Einzug von Rapperswil alles andere als unverdient gewesen. In der ersten Halbzeit schiesst St. Gallen durch Ouattara zweimal knapp am Tor vorbei, zudem scheitert Vandermersch aus kurzer Distanz an Rappi-Keeper Seji. Das ist es dann aber auch schon von der zweitbesten Offensive der Super League.
Die Gastgeber sind das bessere Team. Ambassas verpasst in der Startphase nur knapp per Kopf. Kurz vor der Pause kann Schmidt einen groben Patzer von Espen-Schlussmann Watkowiak nicht verwerten. Auch nach der Pause ist Rapperswil näher am Führungstreffer. Immer wieder taucht der ehemalige St. Galler Kamberi gefährlich vor dem Tor der Gäste auf.
Weil auch der grosse Favorit bis auf einen Lattenschuss von Joker Witzig nichts zu bieten hat, geht das Kantonsderby in die Verlängerung. Und dort scheinen die Espen den Kopf noch einmal aus der Schlinge zu ziehen. Seji springt bei seiner Abwehraktion in die Füsse von Stevanovic, Boukhalfa verwandelt den fälligen Penalty zum 1:0 für St. Gallen. Doch Rapperswil gibt sich nicht geschlagen und kommt durch ein Eigentor von Vallci wieder zurück ins Spiel.
Erst in der zweiten Hälfte der Verlängerung ist St. Gallen endlich federführend. Die beiden Abschlüsse von Efekele sind aber zu wenig, um das Penaltyschiessen noch abzuwenden. Dort sind es dann aber die tapferen Seebuben, den die Nerven komplett versagen. Kamberi und Emini scheitern am Aluminium, dazu hält Watkowiak zweimal und hext seine St. Galler wie schon in der Vorrunde gegen Wil im Penalty-Krimi in die nächste Runde.
100. Minute, Carlo Boukhalfa, 0:1 (Foulpenalty): Der St. Galler Mittelfeldstratege trifft vom Punkt. Es ist die mit Abstand beste Aktion des ehemaligen Bundesliga-Profis.
105. Minute, Albert Vallci, 1:1 (Eigentor): Kamberi behauptet sich gegen Okoroji, der viel zu einfach zu Boden geht. Vallci versucht den Schuss zu blocken, übertölpelt dabei aber seinen eigenen Goalie.
Filipe de Carvalho und Helaku-Josué Schmidt sorgen auf den Aussenbahnen zwar für ordentlich Rabatz. Sinnbild für die sackstarke Leistung der Rapperswiler aber ist Florian Kamberi. Weil der Stürmer weite Wege geht, den Ausgleich vorbereitet. Und sich, in Schottland abgehärtet, ein Knallhart-Duell mit Jozo Stanic liefert. Dass er seinen Penalty an den Pfosten setzt, schmälert die Leistung nicht.
Lukas Daschner. Packt zwar eine Monstergrätsche aus, bleibt offensiv aber blass. Und leistet sich unerklärliche Fehlpässe. Ganz schwacher Auftritt.
Die Wahl von Lukas Watkowiak. In der ersten Saison unter Enrico Maassen spielte der Ersatzgoalie nur ein einziges Spiel. In der 1. Cup-Runde gegen Malcantone Agno. In dieser Saison ist «Watti», wie sie den Gute-Laune-Bären in St. Gallen nennen, offiziell Cup-Goalie. Gegen Wil wird der Deutsche im Penaltyschiessen zum Helden. Gegen Rapperswil wirkt er mit dem Ball am Fuss mehrmals nervös. Und er leistet sich einen Megabock, den er aber gleich wieder ausbügelt.
Schiedsrichter Nico Gianforte, sein Assistent Bastien Lengacher und seine Assistentinnen Linda Schmid und Michèle Schmölzer erwischen lange Zeit einen glanzvollen Abend, dann verliert Neziri im Rappi-Strafraum einen Schuh, weil ihm Morgado auf den Fuss tritt. Und die Seebuben hätten sich nicht über einen Penalty beklagen dürfen.
Stadionrekord auf dem Grünfeld. Knapp 4800 Zuschauer, davon die Mehrheit FCSG-Fans, machen aus dem schmucken Stadion mit Seesicht eine Festhütte.
Am Samstagabend (20.30 Uhr) empfängt St. Gallen in der Super League zu Hause den FCZ. Für Rapperswil geht es zurück in die Winterpause.

