Dortmunds Wunderkind Ousmane Dembélé (19)
Nie ohne Maman!

Aus den Banlieues zum wertvollsten Bundesligaspieler: Ousmane Dembélés berührende Familienstory. In der Hauptrolle: Mama Fatimata. Heute trifft er mit Dortmund auf Benfica Lissabon (live ab 20.45 Uhr auf BLICK).
Publiziert: 14.02.2017 um 17:53 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 02:05 Uhr
Ernst Kindhauser

«Europas Wunderkind», «so gut wie Ronaldo in diesem Alter», «der nächste Weltstar» – nur der Superlativ scheint gut genug für Ousmane Dembélé (19). Der Fussball gleicht einer Illusionsfabrik, die unentwegt neue Ronaldos und Messis hypt und sternschnuppengleich verglühen lässt.Doch falls Zinédine Zidane, Schweizer Ökonomen und Europas Spitzenklubs nicht irren, wächst im Ruhrpott einer heran, der gen Himmel stürmt.

Die Saga, die sich im Pokal gegen Hertha zuträgt, zeugt davon. Dembélé, ein Schlaks mit grossen, dunklen Augen, entzückt für einmal nicht als rasender Flügel, sondern frei flottierend hinter der Spitze Aubameyang. Atemberaubend schnell, gewandt, beidfüssig, lanciert er die BVB-Angriffe – als Regisseur und Tempo-Dribbler. In der Verlängerung ein jäher Stopp, und er legt sich aufs Grün. Minutenlang wird er auf der Bank «reanimiert» – «Ganzkörperkrampf», so Trainer Tuchel. Doch wundersam kehrt er zurück und verwandelt einen Elfer im Penaltyschiessen.

In den französischen Banlieues ist die Story von Ousmane D. der Stoff, aus dem die Träume sind. Diese enden selten im Wohlstand. Die Familiengeschichte der Dembélés aber erzählt von der Kraft des Sports, vom sozialen Aufstieg in Europa – und den Früchten der Völkerwanderung.

Ousmane erblickt das Licht der Welt in einer Kleinstadt der Normandie. Sein Vater stammt aus Mali, seine Mutter aus Mauretanien. Im Alter von sieben Jahren, der schmächtige Junge geht mit dem Ball zu Bett, trennen sich die Eltern. Mutter Fatimata, sie trägt den Namen der ältesten Tochter des Propheten Mohammed, übernimmt mit eiserner Hand. «Nie ohne Maman» ist fortan Ousmanes Lebensmotto. Die Mutter-Kind-Bindung, die tiefste unseres Lebens, wird hier Gestalt. Maman, Beschützerin, Leitstern und Karriereflüsterin zugleich.

Nach der Trennung zieht die Familie nach Evreux bei Paris. In die Banlieue «Cité de la Madeleine» – für viele eine Sackgasse der Gewalt und Hoffnungslosigkeit. Maman greift zu drastischen Massnahmen, ihr Sohn darf die Wohnung nur für die Schule und den Fussball verlassen. Damals erhält er den Spitznamen «das Messer», weil seine Dribblings wie Messerstiche treffen. Das Messer zaubert für den Banlieue-Klub ALM Evreux, danach für den FC Evreux – bis ihn 2010 die Scouts von Stade Rennes entdecken.

Es ist der Take-off zur grossen Karriere. Unter dem Einfluss eines Familienfreunds nimmt Fatimata das Angebot von Rennes an. Ousmane wechselt ins Internat, reift zum Junioren-Natispieler heran. 2015 unterzeichnet er einen Profivertrag, begleitet von Misstönen – das nächste heisse Ding lockt dubiose Berater wie das Licht die Mücken. Gleichwohl startet Ousmane durch: 25 Spiele, zwölf Tore, acht Assists. Tunnels, Haken und Dribblings entzücken die Fans so sehr, dass ihm Les Inachevés (die Unverkäuflichen) ein Lied komponieren: «Il va te dribbler, oh Dembélé ...»

Doch der Unverkäufliche ist käuflich, spätestens als die Topklubs sich warmlaufen. «L’Équipe» recherchierte kürzlich detailliert nach, warum Dortmund die Konkurrenz ausdribbelte – seltene Einblicke ins real existierende Fussballbusiness. In den Hauptrollen: ein Spekulationsobjekt, zwielichtige Berater, halbseidenes Gebaren – und viel Kohle. Offenbar spricht einzig Dortmund mit dem richtigen Agenten und Fatimata.

Das Wunderkind wechselt für 15 Mio. Euro, und die Dembélés sind am Ziel (fast) aller Träume: 10 Mio. Euro Handgeld für Ousmane, 200 000 Euro Monatslohn, 10 000 Euro für jeden Bundesliga-Punkt (falls er eine Hälfte spielt), 25 000 für Königsklassen-Punkte, 37 500 fürs Achtelfinale.

Sein Vertrag läuft bis 2021. Erfüllt er die Erwartungen, wiederholt sich die Zockerei, mit unbegrenzten Profiten. So ermittelte das Schweizer Center für Sport-Studien (CIES) in einer Studie die Marktwerte der Stars. Wertvollster Bundesliga-Kicker: Dembélé mit 71 Mio Euro. Vor Lewandowski (70,4) und Aubameyang (68,8).

Der nächste Halt? Real-Coach Zinédine Zidane platzierte ihn bei der Wahl zu Frankreichs Fussballer 2016 vor Paul Pogba. Doch Ousmanes Idol heisst Neymar: «Ich übte seine Tricks schon mit 13, 14. Mit ihm bei Barça zu spielen ist ein Traum.»

Neuer Ronaldo? Neuer Neymar? On verra.

Verfolgen Sie die Champions-League-Partie zwischen Benfica und Dortmund live ab 20.45 Uhr!

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