Darum gehts
- Alvyn Sanches erholt sich von Kreuzbandriss und trainiert für Comeback
- Sanches debütierte im Nationalteam und erlitt dabei eine schwere Knieverletzung
- Der 22-jährige Spieler hat einen Marktwert von etwa 14 Millionen Euro
Im Normalfall gehört die Souplesse zu seinem Metier, Dribblings in rasender Geschwindigkeit sind sein Markenzeichen. Im Sommer 2025 ist alles anders. Alvyn Sanches stemmt bei drückender Hitze in einem Gym-Komplex im Herzen Lausannes Gewichte. Etwas mehr als drei Monate nach seinem Kreuzbandriss im rechten Knie ist im Leben des 22-Jährigen primär etwas angesagt: harte Arbeit, täglich, eine stundenlange Schinderei.
Mit dem bisherigen Verlauf der Reha-Phase ist Sanches zufrieden: «Es geht mir den Umständen entsprechend sehr gut. Es darf so weitergehen», sagt der verletzte Schlüsselspieler des FC Lausanne beim Treffen mit Blick und veröffentlicht exklusiv ein persönliches Update: «Ich habe jetzt mit Kraftübungen für mein Knie begonnen. Dazu arbeite ich an der Stabilität. Die Fortschritte stellen mich zufrieden.» Beklagen mag sich der verletzte Spektakelmacher nicht über die harte Tour abseits der Fussballplätze: «Mir macht die Arbeit sogar Spass, weil ich sehe, dass mit meinem Körper etwas passiert. Ich sehe, wie ich vorankomme. Das motiviert mich!»
Rückblende, der vergangene März: Sanches unterhält im Wochentakt die Super League, legt einen Treffer nach dem anderen vor. Das erste Aufgebot für das Nationalteam steht an, er gehört zum Testspielkader für die Partie in Nordirland. Dann der grosse Moment: Murat Yakin schenkt einem der aktuell grössten Talente am 21. März das Debüt. Niemand ahnt, wie der Abend in Belfast enden wird – mit dem Tiefpunkt der bisherigen Laufbahn des Waadtländers.
Der Schock beim Debüt
Tief in der Nachspielzeit passiert es: Sanches lässt sich in einen Zweikampf verwickeln, gerät aus der Balance, überstreckt das Bein. Schmerzen, Entsetzen. «Im ersten Moment hoffte ich einfach nur, dass nichts Schlimmes passiert ist. Etwas anderes ging mir nicht durch den Kopf.» Die Hoffnung verflüchtigt sich rasch, das medizinische Bulletin erreicht ihn am Tag danach: schwere Knieverletzung, mindestens ein halbes Jahr out. «Ich war nur noch traurig.»
Das Nationalteam spendet ihm Trost, Coach Murat Yakin sendet ihm eine Nachricht, der Klub postet auf den Social-Media-Kanälen ein Bild zur Aufmunterung. «Der Zuspruch von allen hat mir geholfen, aber ich brauchte schon drei, vier Tage, um das Ganze schlucken zu können. Es war schwierig, diesen Rückschlag zu akzeptieren.» Er habe sich zunächst zurückgezogen, habe sinniert. Sanches war im letzten Frühling auf dem Sprung, träumte von einem grossen Transfer: «Ich musste viel verarbeiten. Aber das ist dann halt eben auch ein Teil des Fussballs.»
Inzwischen hat sich der 22-Jährige mit der neuen Ausgangslage arrangiert und sich «in die Arbeit gestürzt». Im «Motion Lab» schuftet Sanches zusammen mit anderen Sportlern und Physios für sein Comeback. Der Fahrplan ist getaktet, freie Stunden gibt es wenige. Beim Treffen mit Blick stehen nahrhafte Sessions an. Sanches legt sein rechtes Bein auf einen Medizinball, lächelt, strahlt Zuversicht aus: «Ich bin bei der Hälfte meines Wegs zurück angelangt. Es geht jetzt darum, noch kräftiger zu werden, um dann beschwerdefrei auf den Rasen zurückkehren zu können.» In rund einem Monat sollte er bereit sein, mit dem Ball zu arbeiten: «Es ist lange her, der Fussball fehlt mir.»
Magnin macht Sanches besser
Ab und zu schweift Sanches mit seinen Gedanken zurück in eine unbeschwerte Zeit, als er mit Leeds-Profi Isaac Schmidt zusammen im Lausanner Quartier Praz-Séchaud Fussball im Käfig zelebrierte, fünf gegen fünf, ohne Regeln: «Es war purer Spass. Wir haben alle am gleichen Ort gewohnt und sind immer zusammen raus.» Er habe dort an Persönlichkeit zugelegt, weil man sich ohne Schiedsrichter behaupten musste. «Wir spielten ohne Druck, ganz frei. Man machte, was man wollte.»
Noch heute stecke viel von der damaligen Mentalität in ihm drin: «Ich habe viel davon bewahren können. Es ist meine Art, Fussball zu spielen.» Ludovic Magnin, während drei Jahren Sanches’ Coach und Förderer am Lac Léman, teilt den Eindruck: «Seine Spielweise hat viel damit zu tun, wie er aufgewachsen ist. Wenn du auf der Strasse den Ball willst, musst du ihn dir holen und dann auch halten.»
Der inzwischen beim FC Basel engagierte Ex-Coach Magnin spielte bei Sanches’ Entwicklung eine zentrale Rolle. «Er hat mir früh vertraut. Ludovic ist der Trainer, der mich in den professionellen Fussball gebracht hat. Wir haben zusammen drei unglaublich erfolgreiche Jahre verbracht», übermittelt Sanches Komplimente. «Der Coach hat mir immer Freiheiten zugestanden. Das schätze ich enorm.»
Und Magnin habe ihn besser gemacht, sagt Sanches. «Die Leute glauben es vielleicht nicht, aber ich renne enorm viel und opfere mich auch defensiv für die Mannschaft auf.» Das komme nicht von ungefähr: «Magnin hat mich im Pressing auf ein anderes Level gebracht. Er hat mir die Wut vermittelt, den Ball mit aller Konsequenz zurückzuholen, wieder in Ballbesitz zu kommen.» Kunst sei gut, aber die Grinta sei entscheidend – Magnin hallt nach.
Der WM-Traum: «Da will ich dabei sein»
Der zum besten Super-League-Kicker gewählte Romand löst auf dem Transfermarkt viel Fantasie aus. Bis 2026 ist er vertraglich an Lausanne gebunden. Bei gegen 14 Millionen Euro setzen Experten seinen Marktwert fest. «Er ist ein sehr begehrter Plus-Plus-Spieler», sagt sein Agent Fahd Adamson. Immer wieder keimen Gerüchte auf, er könnte in absehbarer Zeit auf dem Radar von Double-Sieger Basel erscheinen. Äussern will sich zu den Spekulationen derzeit niemand.
Im September erfolgt der Schweizer Auftakt in der WM-Ausscheidung gegen Kosovo und Slowenien. «Es wird sehr knapp, das ist klar. Stressen lasse ich mich deswegen nicht. Es ist kein Wettlauf gegen die Uhr. Ich brauche Geduld und werde sehen, wie weit ich im Herbst bin.» Konkreter wird Sanches im Zusammenhang mit der WM 2026: «Davon träume ich, dieses Ziel treibt mich jeden Tag an. Es ist der grösste vorstellbare Wettbewerb. Da will ich dabei sein!»