Der Fall ist eine Woche vor dem Trainingsstart in Melbourne mehr als heikel. Die dünne FIA-Erklärung vom 28. Februar hat die Ferrari-Gegner auf die Palme gebracht. Dass man die sechs Zeilen vom geheimen Urteil zehn Minuten vor Testschluss in Barcelona in die Öffentlichkeit verschickte, passt zur ganzen Situation. So waren dort kaum noch Reaktionen zu erhalten.
«Überrascht und schockiert!»
In einer gemeinsamen Mitteilung haben Mercedes, McLaren, Racing Point, Red Bull, Renault und Alpha Tauri die FIA frontal angegriffen: «Wir sind vom FIA-Statement überrascht und schockiert, was den Abschluss der Untersuchung der Ferrari Power Unit betrifft!»
Und dann geht es erst richtig los: «Eine internationale Sportbehörde hat die Aufgabe, in Sachen Kontrolle, Rechtschaffenheit und Transparenz nach den höchsten Standards zu handeln. Nach monatelangen Untersuchungen der FIA, die nur durch Anfragen anderer Teams angestossen wurde, haben wir grosse Einwände dagegen, dass sich die FIA mit Ferrari nun auf ein vertrauliches Abkommen geeinigt hat. Um diese Sache abzuschliessen.»
Dabei soll sich Ferrari in Zukunft verpflichten, enger mit der FIA zusammenzuarbeiten. Wie auch bei der Forschung von nachhaltigen Kraftstoffen zur Reduzierung von CO2-Emissionen. Was die Italiener Millionen kosten wird.
Fairness für alle Teilnehmer
Die sieben Teams weiter: «Wir wollen hiermit öffentlich unsere Absicht bekunden, dass wir in dieser Angelegenheit komplette Offenheit anstreben. Um so sicherzustellen, dass in diesem Sport alle Teilnehmer fair und einheitlich behandelt werden. Dies muss auch im Sinne der Fans und allen an der Formel 1 beteiligten Parteien geschehen!»
Gedopt ist gedopt!
Die FIA hatte sich mit Ferrari auf Stillschweigen über das Urteil verpflichtet. Das wäre so, wie wenn die Dopingbehörde Wada einen Sportler positiv auf Doping testet und dann einen Deal mit dem Sportler macht.»
Die FIA hatte nach der Saison den Ferrari genau untersucht. Dabei wurde festgestellt, dass mehr Sprit als erlaubt eingespritzt wurde. Durch die Manipulation des Messsignals für die Durchflussmenge. Als Ferrari beim WM-Finale noch falsche Angaben über den Tankinhalt machte, durfte Leclerc seinen 3. Platz behalten. Aber Ferrari musste 50'000 Euro Strafe bezahlen.
Es geht auch um Millionen
Schon damals tobte die Konkurrenz. 50'000 Euro Strafe – und keine Disqualifikation oder Zurückversetzung. Da wären andere Teams bestimmt auf dem Altar der Mogelei geopfert wurden.
Dass die sieben Aufrechten der FIA drohen, hat natürlich noch einen finanziellen Aspekt: Hätte man Ferrari für das illegale Auftreten bei einigen Rennen mit dem Punktabzug für die gesamte Saison bestraft (nur für das Team), würde jetzt das Geld anders verteilt. Ausser natürlich für Weltmeister Mercedes.
Alfa-Sauber, das wie Haas-Ferrari den Drohbrief aus verständlichen Gründen nicht unterschrieben haben, wäre dadurch in der WM Siebter und nicht Achter geworden. Was den Hinwilern über 5 Millionen Dollar mehr eingebracht hätte. Beim «neuen» Vizeweltmeister Red Bull hätte dies fast 20 Millionen Dollar Mehreinnahmen bedeutet!
Ferrari unter Generalverdacht
Für Ferrari ist jetzt Vorsicht geboten. Jede vermutete Unregelmässigkeit auf der Strecke, könnte die sieben Teams 2020 nochmals wachrütteln. Klar, dass die Roten jetzt durch den Generalverdacht eingebremst wurden.
Muss Binotto jetzt zittern?
Vor allem Teamchef Mattia Binotto (50) sollte vorsichtig sein. Der in Lausanne geborene Italiener hatte 2019 dauernd die Gegner hart attackiert: «Macht gegen unseren Motor endlich einen offiziellen Protest. Wir sind sauber!»
Eine Aussage, die ihm jetzt um die Ohren geknallt wird. Ob sein Job in Gefahr ist, muss man in Maranello in den obersten Chefetagen entscheiden. Ein Machtwechsel würde die verworrene Situation vielleicht etwas entschärfen.