Darum gehts
Es ist der 5. Oktober 2024, der das Leben von Gaëtan Haas (33) komplett verändert. Der Captain des EHC Biel, der eben erst nach einer Rückenverletzung in den Spielbetrieb zurückgekehrt ist, läuft im Spiel gegen die SCL Tigers in einen Ellbogencheck von Gegenspieler Dario Allenspach (22). Das Vergehen ist zwar nicht ausserordentlich brutal, aber klar gegen den Kopf gerichtet, deshalb erhält Allenspach auch eine Fünfminutenstrafe aufgebrummt. Niemand ahnt zu diesem Zeitpunkt, dass für Haas durch dieses Foul eine lange Leidenszeit beginnt, die sogar seine Eishockey-Karriere infrage stellt.
«Ich habe in den letzten Jahren gelernt, dass Fouls, die zunächst gar nicht so schlimm aussehen, oft gravierendere Folgen haben können als solche, die viel heftiger scheinen», sagt Biel-Sportchef Martin Steinegger (53). Ohne ihren Leitwolf verpassten die Seeländer ihre Saisonziele, schaffen es als Elfter nicht mal in die Play-Ins. Und Gaëtan Haas durchlebt zeitgleich die dunkelsten Monate seiner Karriere.
Aufgehört, Ziele zu setzen
Zunächst dachte der frühere NHL-Stürmer der Edmonton Oilers und zweifache WM-Silberheld mit der Nati (2018 und 2024), dass er in ein paar Wochen zurück sein werde. «Ich wollte so schnell wie möglich wieder spielen, so wie ich es in meiner Karriere immer getan habe. Aber damit bin ich gegen eine Wand gelaufen», so Haas. Sein Kopf macht da nicht mit. Auf kleine Fortschritte folgen stets wieder Rückschritte. Für einen Spitzensportler frustrierend. «Jedes Mal, wenn ich mir Ziele gesetzt hatte, wurde ich enttäuscht. Deshalb musste ich damit aufhören, mir noch Ziele zu setzen», erzählt Haas.
«Es geht nicht nur um die Verletzung als solche, es geht auch um die mentale Verfassung, die einen immer wieder zweifeln lässt», führt der Bieler weiter aus und gesteht: «Es gab Momente, in denen ich mir sagte: ‹Es ist vorbei, ich muss aufhören.›»
Ein Monat des Glücks für Haas
Doch das Spitzensportler-Gen in ihm lässt es nicht zu, einfach aufzugeben. Haas probiert alle möglichen Dinge, um einerseits persönlich wieder in die Spur zu finden und andererseits seine Karriere zu retten. Er fliegt beispielsweise für einige Tage nach Mallorca, schaltet sein Handy aus und beschäftigt sich nur mit sich selbst. Er arbeitet intensiv mit einem Mentaltrainer zusammen. Er reist zu einem Spezialisten auf dem Gebiet von Gehirnerschütterungen nach Schweden, der ihm empfohlen wird.
Und inzwischen gibt es mehr als nur einen Silberstreifen am Horizont. Haas hat einen guten Monat hinter sich. Vor vier Wochen wurde er erstmals Vater, und dies hat sich auch auf seine mentale Gesundheit ausgewirkt. «Die bevorstehende Geburt meiner Tochter hat mir geholfen, den Kopf über Wasser zu halten, als es mir schlecht ging», erinnert er sich zurück. Und nun, nachdem er die Geburt und die ersten Tage und Wochen seiner kleinen Soélie miterlebt hat, sagt er begeistert: «Im letzten Monat war ich einfach nur glücklich. Ich komme nach Hause und denke nicht mehr ständig an meinen Kopf.»
Comeback am 29. August?
Auf dem Eis trainiert er mit dem EHC Biel derzeit «fast voll mit», wie Sportchef Steinegger verrät. In den Vorbereitungsspielen wird Haas vorderhand aber noch nicht eingesetzt, man will es behutsam angehen. Die aktuelle Planung sieht vor, dass der Nati-Stürmer am 29. August im Test gegen Augsburg sein Comeback gibt. Doch zuerst will Haas von seinem Vertrauensarzt grünes Licht dafür bekommen, nochmals nach Schweden fliegen und sich checken lassen.
Alle Beteiligten wissen, dass es zwar gut aussieht, jedoch weiterhin Vorsicht geboten ist. Denn eines hat Haas in den letzten zehn Monaten gelernt: «Die Gesundheit steht an erster Stelle, vor allem anderen.» Er sagt aber auch: «Es würde mich schon ärgern, wenn das nächste Testergebnis nicht gut genug wäre.»