Darum gehts
In einer Notsituation haben die ZSC Lions an Weihnachten Marco Bayer (52) von ihrem Farmteam GCK Lions hochgeholt und ihn zum Cheftrainer bis Saisonende gemacht. Schon da stellte ihm Sportchef Sven Leuenberger (55) in Aussicht, dass es möglich sei, dass er über die Saison hinaus bleiben könne, wenn er einen guten Job mache.
Diesen guten Job macht Bayer. Der Dübendorfer konnte die Mannschaft nach dem schwierigen und emotionalen Abschied aus gesundheitlichen Gründen von Vorgänger Marc Crawford (64) stabilisieren, im Februar die Champions League gewinnen, die Spannung trotz dieses Triumphes hochhalten und den ZSC gegen Kloten (4:1) und Davos (4:2) letztlich problemlos in den Playoff-Final führen.
Holden im Griff – aber nicht die Zukunft
Man sieht bis jetzt einen souverän auftretenden Marco Bayer, der stets einen Plan hat, im Halbfinal aktiver und variantenreicher coachte als sein HCD-Gegenüber Josh Holden, aber gleichzeitig auch Ruhe und Gelassenheit ausstrahlt. Ein folgenschwerer Fehler ist Bayer bislang nicht unterlaufen, gäbe es ein Zwischenzeugnis, hätte er die Note 6 verdient.
Und trotzdem ist weiterhin nicht klar, ob er ZSC-Trainer bleiben kann. Oder ob es für ihn zurückgeht in die Swiss League zu den GCK Lions. Diese Sicherheit innerhalb der Organisation hat Bayer zumindest – mit einem Zweijahresvertrag, der zu Jahresbeginn unterzeichnet wurde.
Verpassen des Titels ein Autoritätsschaden?
Vor den Playoffs hatte Leuenberger gegenüber Blick gesagt: «Wir haben von Anfang an vereinbart, dass wir bis nach der Saison warten, um das ganze Bild abschliessend beurteilen zu können.» Daran hat auch der Einzug in den Playoff-Final nichts geändert. Am Tag vor Finalakt 1 sagt Leuenberger zu Blick: «Wir haben es von Anfang an so abgemacht und daran halten wir uns.» Auf weitere Nachfragen geht er nicht ein.
Das könnte durchaus darauf hindeuten, dass Bayer tatsächlich Meister werden muss, um ZSC-Trainer bleiben zu können. Denn die Lions definieren sich primär über Titel. Sollte Bayer das wichtigste Spiel der Saison verlieren, wird man sich in der Chefetage – je nach Vorkommnissen während des Finals – wohl schon die Frage stellen, ob er der Richtige ist. Ob der verpasste Titel seiner Autorität zu stark geschadet hat. Und ob Bayer die Mannschaft unter diesen Voraussetzungen langfristig bei Laune halten und zu Erfolgen führen kann. Oder ob es an der Bande eher wieder einen abgebrühten Heissmacher aus Nordamerika braucht, der im Idealfall einen NHL-Champion-Ring am Finger trägt.
Bayer abzuspeisen, wäre fast verwerflich
Diese Entscheidungsfindung könnte für den ZSC durchaus delikat sein. Denn es geht um mehr als nur einen simplen Trainerentscheid. Es geht auch um die Behandlung eines fleissigen einheimischen Trainers, der lange auf diese Chance warten musste und – unabhängig vom Ausgang des Finals – lieferte, als man ihn brauchte. Diesen dann nach seinem ersten verlorenen Final in der National League mit dem Trostpreis GCK Lions abzuspeisen, würde nicht überall gut ankommen, wäre fast schon verwerflich. Schliesslich hat man Bayers ausländische Vorgänger Crawford und Rikard Grönborg (56) auch nicht gleich abgesetzt, als sie Playoff-Finals nicht gewinnen konnten.