Darum gehts
Wir sitzen im Trainerbüro der Eishalle in Rapperswil-Jona, mal wieder. Denn mit Jeff Tomlinson (55) über Hockey und seine Philosophien zu reden, ist inspirierend. Das wird mir bei unseren Treffen rasch klar. Der Kanadier, der die Lakers nach deren Abstieg 2015 mit viel Enthusiasmus übernommen hat, rückt in den medialen Fokus, weil in seiner ersten Saison sogleich die Swiss League rockt. Und den Klub vom Wiederaufstieg träumen lässt. Bereits in seiner dritten Saison gelingt ihm das Triple: Cup-Triumph, SL-Titel – und Aufstieg in einer aufreibenden Serie gegen Kloten.
Jeff Tomlinson kam vor zehn Jahren in die Schweiz, als er 2015 die soeben in die damalige NLB abgestiegenen Lakers als Cheftrainer übernahm. Drei Jahre später führte der gebürtige Kanadier den Klub zurück ins Oberhaus. Der 55-Jährige wechselte 2021 zum EHC Kloten, wo ihm noch in der selben Saison das gleiche Aufstiegs-Kunststück gelang. Seit er sich 2023 als Headcoach zurückzog, ist er im Klub als sportlicher Berater tätig.
Tomlinsons Leidensgeschichte ist bekannt. Er leidet an familiären Zysten-Nieren (medizinisch: polyzystische Nieren-Erkrankung), die eine der häufigsten genetischen Erkrankungen, lebensbedrohlich und zudem eine der Hauptursachen für chronisches Nierenversagen sind. 2019 spendete ihm sein Bruder Darryl eine Niere, und er unterzog sich einer Transplantation. Davor hatte er lange regelmässig selbstständig eine Bauchfell-Dialyse durchgeführt. 2016 überlebte er einen Herzinfarkt, ihm wurden drei Stents eingesetzt.
Der Doppelbürger (Ka/De) pendelt zwischen Düsseldorf, wo seine Frau Andrea (39) und die Töchter Olivia (8) und Ivy (3) leben, und Kloten. Die zwei Söhne Conner (26) und Zac (25) aus erster Ehe leben in Nordamerika.
Jeff Tomlinson kam vor zehn Jahren in die Schweiz, als er 2015 die soeben in die damalige NLB abgestiegenen Lakers als Cheftrainer übernahm. Drei Jahre später führte der gebürtige Kanadier den Klub zurück ins Oberhaus. Der 55-Jährige wechselte 2021 zum EHC Kloten, wo ihm noch in der selben Saison das gleiche Aufstiegs-Kunststück gelang. Seit er sich 2023 als Headcoach zurückzog, ist er im Klub als sportlicher Berater tätig.
Tomlinsons Leidensgeschichte ist bekannt. Er leidet an familiären Zysten-Nieren (medizinisch: polyzystische Nieren-Erkrankung), die eine der häufigsten genetischen Erkrankungen, lebensbedrohlich und zudem eine der Hauptursachen für chronisches Nierenversagen sind. 2019 spendete ihm sein Bruder Darryl eine Niere, und er unterzog sich einer Transplantation. Davor hatte er lange regelmässig selbstständig eine Bauchfell-Dialyse durchgeführt. 2016 überlebte er einen Herzinfarkt, ihm wurden drei Stents eingesetzt.
Der Doppelbürger (Ka/De) pendelt zwischen Düsseldorf, wo seine Frau Andrea (39) und die Töchter Olivia (8) und Ivy (3) leben, und Kloten. Die zwei Söhne Conner (26) und Zac (25) aus erster Ehe leben in Nordamerika.
Jeff trägt das Herz auf der Zunge – und die Leidenschaft fürs Hockey im Herzen. Vor allem aber besitzt er die Gabe, sein Gegenüber für sich gewinnen zu können. Er ist echt, pur, erfrischend. Man hört ihm gerne zu, weil seine Augen strahlen, wenn er von seiner Mannschaft erzählt. Es sind seine Spieler, seine Jungs. Ihn interessiert aber auch der Mensch hinter dem Profisportler. Das wird mir in all den Jahren von etlichen Spielern immer wieder erzählt.
Wie soll man sonst wissen, ob und wie das Teamgefüge funktionieren kann, wenn man nicht weiss, wie die Menschen ticken? Den Charakter des Spielers zu kennen, so sagt Jeff, helfe ihm, bessere Entscheide zu fällen fürs Team. So kann er sich vorstellen, mit welcher Rolle der Spieler umgehen kann. Ihm geht es um eine Vertrauensbasis und gegenseitigen Respekt. Es sei wie bei den Kindern, verglich er oft: Mit ihnen habe man Spass, könne sie aber auch mal ernsthaft massregeln und sie dann am nächsten Tag einfach wieder lieb haben.
Die Krankheit soll ihn nicht definieren
Dass in diesen offenen Gesprächen auch unser Vertrauen gewachsen ist und sich eine Freundschaft entwickelt hat, ist bereichernd. Denn Hockey-Themen, die gehen uns wirklich nie aus. Ernste wie tiefgründige und interessante oder faszinierende. Lustige Anekdoten gab es sowieso immer zu erzählen, der Humor ist gleich und wichtig. Doch die Leichtigkeit unserer Traumjobs verblasste, weil das Leben neben dem Hockey dazwischenkam. Oder eben der Mensch Jeff und dessen Schicksal.
Natürlich spricht man irgendwann auch über Privates, über das, was uns ärgert, beschäftigt und bewegt. Als Jeff mir von seiner genetisch bedingten lebensbedrohlichen Nierenkrankheit erzählt, an der er schon länger leidet, sitzen wir am Obersee bei schönstem Wetter. So was bleibt einfach in Erinnerung. Täglich führe er eigenhändig eine Dialyse durch. Er brauche eine Nierentransplantation. Sein jüngerer Bruder spendet sie. Man leidet mit ihm – aber er will kein Mitleid. Denn sonst würde ihn ja die Krankheit definieren. Nicht sie soll sein Leben bestimmen, sondern seine Leidenschaft Eishockey. Dass er wenige Jahre später wegen einer anderen Krankheit seinen Traumjob aufgeben muss, ahnen wir beide zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Bei einem Sehnerv-Infarkt – er wird auch als Augen-Infarkt oder Sehsturz bezeichnet – werden Sehnerv und Netzhaut nicht mehr ausreichend durchblutet. Das führt zu einer plötzlichen, aber schmerzlosen und deutlichen Sehverschlechterung, die auf Dauer sogar zur Erblindung führen kann. Deshalb sollte innerhalb von vier Stunden ein Arzt aufgesucht werden. Denn das Gewebe kann im Ernstfall absterben. Ein weiteres häufiges Merkmal sind Gesichtsfeld-Ausfälle.
Die mangelnde Durchblutung wird häufig durch ein Blutgerinnsel verursacht. Dabei verstopfen die Blutgefässe im Auge. Durch den Verschluss des Gefässes kommt es zum Augen-Infarkt. Risikofaktoren und Ursachen sind: Arteriosklerose, Gefässverengungen, Bluthochdruck, Diabetes, Fettstoffwechselstörungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder entzündliche Gefässerkrankungen. Da diese Augenerkrankung so selten ist, gibt es kaum eine Statistik über die Anzahl der Fälle.
Bei einem Sehnerv-Infarkt – er wird auch als Augen-Infarkt oder Sehsturz bezeichnet – werden Sehnerv und Netzhaut nicht mehr ausreichend durchblutet. Das führt zu einer plötzlichen, aber schmerzlosen und deutlichen Sehverschlechterung, die auf Dauer sogar zur Erblindung führen kann. Deshalb sollte innerhalb von vier Stunden ein Arzt aufgesucht werden. Denn das Gewebe kann im Ernstfall absterben. Ein weiteres häufiges Merkmal sind Gesichtsfeld-Ausfälle.
Die mangelnde Durchblutung wird häufig durch ein Blutgerinnsel verursacht. Dabei verstopfen die Blutgefässe im Auge. Durch den Verschluss des Gefässes kommt es zum Augen-Infarkt. Risikofaktoren und Ursachen sind: Arteriosklerose, Gefässverengungen, Bluthochdruck, Diabetes, Fettstoffwechselstörungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder entzündliche Gefässerkrankungen. Da diese Augenerkrankung so selten ist, gibt es kaum eine Statistik über die Anzahl der Fälle.
Auch das Gespräch über den nächsten Schicksalsschlag vergesse ich nicht. Im Frühling 2021 stehen wichtige Pre-Playoff-Spiele an für die Lakers. Wir treffen uns in der Eishalle. Doch etwas ist anders. Sein Gang, wie er nach dem Schlüsselloch tastet, als er die Tür aufschliesst, sein Blick schweift hin und her. Als ich ihn fragend anschaue, sagt Jeff unvermittelt, dass er praktisch nichts mehr sehen kann. Ich höre die Worte, aber verstehe sie nicht wirklich. Wie kann das sein? Und wie kann ein einziger Mensch so viele gesundheitliche Rückschläge verkraften?
Dass er nicht einfach rausposaunt, dass ihn erneut eine Krankheit brutal erwischt hat und es unzählige Storys darüber gibt, hat diverse Gründe. Einer davon ist, dass er zuerst mit seinem Leben klarkommen muss. Als Vater einer glücklichen Familie. Den Trainerjob macht er irgendwie weiter und bekommt bedingungslose Unterstützung. Die Alltagsmomente sind es, die ihm Angst machen. Denken die Leute, dass ihm der Ausweis entzogen worden ist, wenn er plötzlich mit dem Bus statt Auto in die Eishalle fährt? Wenn ihm im Café auf die Frage, welche Teesorten es gebe, wortlos die Getränkekarte vors Gesicht gehalten wird, rettet man die Situation, indem man sie kurzerhand für sich selbst vorliest. Oder laut den Namen jener ihm bekannten Personen sagt, die ihn in der Stadt oder im Restaurant grüssen.
Als ich ihm das gestehe, müssen wir beide lachen
Jeff kommt immer besser mit den Umständen klar, kann über Wortspiele auch mal grinsen, oder wenn man ihm im Reflex «schau, dort» sagt, weil man einfach vergisst, dass er Augen-Infarkte erlitten hat und nichts sieht, wenn er dorthin schaut. Ich habe ihm auch schon von der anderen Tribünenseite aus vergeblich gewunken. Als ich es ihm gestehe, müssen wir beide lachen. Das tut gut.
Denn Stiche ins Herz gibt es, als er erst vor wenigen Monaten eine Geschichte erzählt, die ihm wieder mal so richtig Angst eingejagt hat. Auf dem Weg zu einem seiner Vorträge steigt er spätabends irgendwo im Bündnerland in den falschen Bus, endet irgendwo auf einer Landstrasse in völliger Dunkelheit mit noch zwei Prozent Handy-Akku. Ein Anwohner wird auf ihn aufmerksam und hilft ihm. Oder wenn er vor wenigen Tagen auf die Frage, was er besonders vermisse, antwortet: «Die Gesichter der Menschen in meinem Leben, ihre Mimik, der Charakter im Blick, wie sie sich verändern.»
Jeff musste sich mehrmals verabschieden. Von Rappi, das ihm ans Herz gewachsen ist. In Kloten von seinem geliebten Trainerjob. Und vor allem von seinem Leben, wie er es vor der Sehbehinderung gekannt hat. Jedes Mal unter Tränen – ich habe mit ihm geweint. Zu sehen, dass das Versteckspiel endet, weil er die Kraft gefunden hat, um mit den Reaktionen umgehen zu können, die nun auf ihn einprasseln werden, ist bewegend. Und zeugt von mentaler Stärke und Kraft.