Darum gehts
- UBS lehnt neue Kapitalvorschriften ab. Beziehung zwischen Bundeshaus und Banken angespannt
- Bundesrat präsentiert neue Grossbanken-Regulierung für stabileren und sichereren Finanzplatz
- UBS hat bis zu acht Jahre Zeit, um bis zu 26 Milliarden Dollar aufzubauen
Als Karin Keller-Sutter (61) am Freitag gefragt wurde, ob die neuen Eigenkapitalvorschriften dazu führen könnten, dass die UBS ins Ausland geht, antwortete die Bundespräsidentin eiskalt: «Ob die UBS in der Schweiz bleibt oder die Schweiz verlässt, ist eine Frage, die nicht wir beantworten können.» Das seien Entscheide, die letztlich die Bank fällen müsse. Punkt.
Die Reaktion vom Paradeplatz folgte zweieinhalb Stunden später. In einer auf Englisch verfassten Medienmitteilung bezeichnete die UBS die vorgeschlagene Erhöhung der Kapitalanforderungen als «extrem» – man lehne sie «entschieden» ab. Trotzig teilte die Grossbank mit, sie werde die milliardenschweren Kapitalrückführungen an ihre Aktionäre fortsetzen. Und damit so lange weitermachen, bis die Regeln beschlossene Sache sind, was frühestens 2027 der Fall sein wird. Das Communiqué ist in einem Ton formuliert, als habe Sergio Ermotti (65) persönlich in die Tasten gehauen.
Mit Blick aufs Ausland kann man sich fragen, ob es sinnvoll ist, wenn eine Bank derart offen die Konfrontation mit ihrer Regierung sucht. Doch der Graben zwischen Bundeshaus und Paradeplatz ist nun mal da, und er ist breiter denn je. Der 6. Juni markiert den vorläufigen Tiefpunkt einer Beziehung, die über Jahrzehnte als symbiotisch galt. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war das Verhältnis zwischen Bundesrat und Grossbanken durch enge, informelle Kooperation geprägt. Konsequent wurde der Finanzplatz als Standbein der Schweizer Wirtschaft wahrgenommen.
Die Politik verstand sich als Partnerin – nicht als Kontrolleurin – der Banken. Mit seiner Doktrin der Selbstregulierung delegierte Bern weite Teile der Aufsicht an die Branche selbst, namentlich an die Bankiervereinigung. Staatliche Eingriffe blieben minimal. Das vor dem Zweiten Weltkrieg eingeführte Bankgeheimnis wurde noch Jahrzehnte später durch alle Böden verteidigt, obwohl sich das internationale Umfeld längst gewandelt hatte.
Legendär war der Auftritt von Hans-Rudolf Merz (82). Der damalige Finanzminister verstieg sich 2008 zu der Prophezeiung, das Ausland werde sich am Bankgeheimnis noch die Zähne ausbeissen – weniger als ein Jahr vor dessen Abschaffung. Merz war in den 1990er-Jahren Präsident der Ausserrhoder Kantonalbank, die später von der UBS übernommen wurde. Die Interessen der Banken waren in der Politik stets übervertreten. Einer der letzten Banklobbyisten unter der Bundeshauskuppel war Ueli Maurer (74), der die Finma schwächte und den CS-Chefs bis zum bitteren Ende von Credit Suisse vertraute.
Mit Laissez-faire in den Abgrund
Diese Haltung ebnete den Weg für irrwitzige Expansionen der Schweizer Grossbanken ins US-Investmentbanking. Man applaudierte, als Marcel Ospel die UBS zur Nummer eins an der Wall Street machen wollte. Oder als Rainer E. Gut von der Credit Suisse für Dutzende Milliarden US-Investmentbanken aufkaufte, die ihren Zenit längst überschritten hatten. Der Einfluss und die Macht der Grossbanken und ihrer Banker führten dazu, dass die volkswirtschaftliche Bedeutung des Finanzplatzes chronisch überschätzt wurde, wie der Wirtschaftshistoriker Tobias Straumann einmal feststellte.
Die Folgen dieses Laissez-faire holten das Land spätestens mit dem Kollaps der UBS im Jahr 2008 ein, die mit Dutzenden Milliarden vor dem Untergang gerettet werden musste. Später kam der Notrechtseinsatz in Zusammenhang mit den UBS-Kundendaten dazu. Und 2023 dann die vom Bundesrat orchestrierte Rettung der Credit Suisse mit 259 Milliarden Franken.
Spätestens seit der Finanzkrise 2008 wurde immer deutlicher, wie stark der Bankensektor von der Politik und der Stabilität des Landes abhängig war. Die Banker am Paradeplatz konnten sich aufführen, wie sie wollten: Feuerwehr, Rettungsdienst und Care-Arbeit waren an den Staat delegiert, der die Notfalleinsätze zuverlässig und kostenlos leistete.
Das ist vorbei. Der Goodwill ist aufgebraucht.
Die neue Grossbanken-Regulierung, deren Eckpunkte der Bundesrat am Freitag präsentierte, soll den Finanzplatz, wie Karin Keller-Sutter sagt, stabiler und sicherer machen. Dafür braucht es aus Sicht des Bundes Eingriffe in die Bonusprogramme, Frühinterventionen seitens der Finanzmarktaufsicht (Finma), ein Verantwortlichkeitsregime für die Manager sowie strengere Vorschriften für Liquidität – vor allem aber Eigenkapital. Ob man das so will, muss das Parlament entscheiden.
Die wichtigste Neuerung sieht den vollständigen Abzug des Buchwerts von Auslandstöchtern vom Eigenkapital im Stammhaus vor. Das bedeutet: Die UBS muss künftig den gesamten Wert ihrer ausländischen Töchter mit hartem Eigenkapital hinterlegen. Bislang profitierte sie von einem Rabatt: Nur 60 Prozent des Buchwerts mussten kapitalisiert werden – davon lediglich 45 Prozent als hartes Eigenkapital, die restlichen 15 Prozent konnte Fremdkapital sein.
Börse reagiert positiv
Doch wie schlimm sind die neuen Vorschriften wirklich? Die Börse reagierte am Freitag positiv auf die Ankündigungen des Bundes. Der Aktienkurs schoss zeitweise um acht Prozent nach oben. Was zum einen damit zu tun hat, dass die Zahlen nun bekannt sind und die Unsicherheit vom Tisch ist. Damit herrscht Klarheit über den Worst Case, die Vorschriften können sich zudem noch im Verlauf des politischen Prozesses abschwächen. Zum anderen dürfte die äusserst lange Übergangsfrist die Märkte milde gestimmt haben, die der Bund der UBS gewähren will. Bis zu acht Jahre nach Einführung des neuen Gesetzes hat die UBS Zeit, also maximal bis 2036.
Ein derart langes «Phase-in» ermöglicht es der Grossbank, in aller Ruhe ihre Organisation so umzubauen, dass sie möglichst wenig Eigenkapital aufbauen muss – also nicht die gesamten 26 Milliarden Dollar fällig werden, die jetzt im Raum stehen. Sie kann die Zeit nutzen, vorhandene Mittel effizienter im Konzern zu verteilen. Eine grosse Erleichterung wäre etwa, wenn die UBS ihr ohnehin kaum rentables USA-Geschäft abstösst.
Aber auch wenn sie nichts an ihrem Geschäftsmodell ändert, lässt sich das verlangte Kapital schnell aufbauen. Die Finanzanalysten prognostizieren den jährlichen Reingewinn der UBS im Jahr 2027 auf über 11 Milliarden Dollar. Wenn die Bank am Schluss vielleicht noch 10 bis 15 Milliarden Dollar aufbauen muss – was realistischer ist als die 26 Milliarden –, wird sie die Lücke relativ schnell und schmerzlos füllen können.
Diese Überlegungen dürfte man auch in der Bank anstellen. Doch gegen aussen wird mit dem Säbel gerasselt, hinter vorgehaltener Hand mit Wegzug oder einer Übernahme durch Konkurrenten gedroht. Doch Karin Keller-Sutter hat damit gerechnet, dass sich UBS-Chef Sergio Ermotti vehement gegen die neuen Regeln wehrt: «Dass der CEO der Bank seine Interessen vertritt, ist legitim», sagte sie am Freitag. Punkt.