Millionen-Deal des Bergkönigs
Reto Gurtners geschickter Schachzug im Skigebiet

Die Gemeinden Flims, Laax und Falera sollen Millionen lockermachen und dem Bergkönig die Bahnen und Lifte abkaufen. Profitieren würden vor allem der Grossaktionär selbst und seine schwerreichen Mitinvestoren.
Publiziert: 11:30 Uhr
|
Aktualisiert: 12:11 Uhr
Teilen
Schenken
Anhören
Kommentieren
1/6
Die Anlage auf dem Crap Sogn Gion wurde in den 1960er-Jahren gebaut.
Foto: LAAX / Weisse Arena Gruppe

Darum gehts

Die Zusammenfassung von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast.
221216_STUDIOSESSION_TOBIAS-STAHEL_648-Bearbeitet Kopie (1).jpg
Beat SchmidFester Mitarbeiter Blick

Im Unterland nennt man ihn Bergkönig – Reto Gurtner (70), Herrscher über weisse Pisten und schwarze Zahlen. Jetzt ist er dran, den Deal seines Lebens einzufädeln. Der Bündner mit Schnauz und Ziegenbart will einen wichtigen Teil seiner Weissen Arena Gruppe an die Gemeinden Flims, Laax und Falera verkaufen. Die Gemeindepräsidenten stehen hinter dem millionenschweren Projekt: Geplant ist die Herauslösung der Bahn- und Verkehrsinfrastruktur an den Hängen rund um den Crap Sogn Gion. Sie sollen in eine Trägergesellschaft übergehen. Das Vorhaben wurde offiziell mit einer Medienmitteilung angekündigt.

Christoph Schmidt, der Gemeindepräsident von Flims, will sich zu den Details nicht äussern. Er sagt, man werde zuerst die Bürgerinnen und Bürger über die Transaktion informieren. Er selber stehe aber voll und ganz hinter dem Projekt. Der Plan ist nur in Umrissen bekannt: Eine Gesellschaft, an der die Gemeinden die Mehrheit halten – die Finanz Infra AG –, soll sämtliche Vermögenswerte wie Skilifte, Bahnen und Restaurants auf dem Berg übernehmen. Diese Aktiven sind bisher in der Weissen Arena Bergbahnen AG gebündelt.

Die Weisse Arena Gruppe wiederum, die ein Viertel an der Finanz Infra AG hält, verkauft ihre Anteile an die Gemeinden. Im Gegenzug wird die Weisse Arena Bergbahnen AG künftig das Skigebiet nur noch betreiben. Dafür muss sie einen Pachtzins bezahlen. Dieser soll lediglich die Kosten für die Finanzierung der Bahnen decken. Eine Entschädigung für das eingegangene Risiko erhalten die Gemeinden somit nicht.

Sollten die Stimmberechtigten der Gemeinden dem Geschäft zustimmen, wäre das für Reto Gurtner und seine Mitaktionäre ein Super-Deal. Sie könnten die kapitalintensiven Aus-, Um- und Unterhaltsarbeiten, wie den Bau neuer Beschneiungsanlagen, den Steuerzahlern überwälzen. In Zukunft könnten sie sich auf das Service-Geschäft konzentrieren, das weniger Kapital bindet und unter dem Strich ertragreicher ist. Ebenfalls weiter im Besitz der Weissen Arena Gruppe bleiben fünf Tochterunternehmen. Dazu gehören Hotels, Ski- und Snowboardschulen sowie eine Vermarktungsgesellschaft.

Warum ausgerechnet jetzt?

Unklar ist, warum der Deal ausgerechnet jetzt über die Bühne gehen soll. Der Weissen Arena Gruppe geht es finanziell hervorragend. Das liegt am geschäftlichen Geschick von Reto Gurtner, dem es gelungen ist, die Destination in eine Goldgrube zu verwandeln. Das Skigebiet gilt als eines der besten der Schweiz. Wer nach einem grossen, zusammenhängenden Skigebiet mit weiten Carvingpisten sucht, findet kaum bessere Verhältnisse als in Flims-Laax.

Warum also jetzt der Verkauf der Bahnen, wenn keine Probleme in Sicht sind? Vor einem Jahr tauchten erstmals Gerüchte auf, wonach ausländische Investoren die Weisse Arena übernehmen wollten. Genannt wurde etwa Vail Resorts aus den USA, die schon in Andermatt eingestiegen sind. «Wir haben ein gutes Angebot auf dem Tisch gehabt», sagte Gurtner damals. Doch nichts konkretisierte sich. Aber allein die Verkaufsgerüchte sind den Gemeindepräsidenten in die Glieder gefahren. Franz Gschwend, Gemeindepräsident von Laax, sagt zu Blick: «Wir wollten einem Verkauf des Skigebiets an ausländische Investoren zuvorkommen.» Ob tatsächlich ein Angebot auf dem Tisch lag, wisse er nicht.

Der zweite Punkt, der stutzig macht: Ein Investor kann das Skigebiet nicht einfach einpacken wie eine Banane in der Gemüseabteilung. Denn kontrolliert wird die Weisse Arena von Reto Gurtner und einigen Grossaktionären. Im Verwaltungsrat sitzen finanzstarke Persönlichkeiten wie Otto Bruderer, der ehemalige Teilhaber der Privatbank Wegelin, die für die enorme Summe von 500 Millionen Franken an Raiffeisen verkauft wurde. Bruderer galt als Hirn der Bank, während Konrad Hummler (62) das öffentliche Gesicht war. Ein weiterer Mann mit dickem Portemonnaie ist der deutsche Versandhandelsunternehmer Joachim Kohm (75). Die Bilanz schätzt sein Vermögen auf 1 bis 1,5 Milliarden Franken. Gurtner, Bruderer und Kohm hätten genügend Mittel, um das Skigebiet bis in alle Ewigkeit durchzufinanzieren. Wenn sie verkaufen, dann weil sie verkaufen wollen. 

Trotzdem sollen die Gemeinden nun tief in die Tasche greifen. Pikant ist: Der Laaxer Gemeindepräsident sitzt nicht nur in der Finanz Infra AG, sondern auch im Verwaltungsrat der Weissen Arena Bergbahnen AG und ist selbst Aktionär der Gruppe, wie er im Gespräch zugibt. «Allerdings ein sehr kleiner», sagt er. Die Verflechtung von Politik und Bergbahnen ist augenfällig: Der Flimser Gemeindepräsident sass bis vor zwei Jahren in der Geschäftsleitung der Weissen Arena Gruppe und war Gurtners Hotellerie- und Gastronomiechef. Es stellt sich die Frage, ob das Millionengeschäft «at arm’s length» – also mit genügend Distanz, um Interessenkonflikte zu verhindern – abgewickelt werden kann. 

«Listiges Bergvölklein»

Auf der Hand liegt, dass es für Gurtner und seine Compagnons sehr attraktiv wäre, wenn sie die teure Infrastruktur den Gemeinden überlassen könnten. Dadurch verkleinert sich die Bilanz der Gruppe, was die Eigenkapitalrendite nach oben drückt. Das wiederum wirkt sich positiv auf den Aktienkurs aus. Ob es ein schlechtes oder gutes Geschäft für die Einwohnerinnen und Einwohner von Laax, Flims und Falera wird, hängt vom Preis ab, den sie für die Bahnen bezahlen sollen. Und vom Pachtzins, den sie künftig erhalten werden. 

Ein zugezogener Gastronom bezeichnet die Bergler zwischen Flimserstein, Vorab und Crap Sogn Gion liebevoll als «listiges Bergvölklein». An den nächsten Gemeindeversammlungen bietet sich ihnen die Chance, ihrem Ruf gerecht zu werden.

Teilen
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Liebe Leserin, Lieber Leser
Der Kommentarbereich von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast. Noch kein Blick+-Abo? Finde unsere Angebote hier:
Hast du bereits ein Abo?
Heiss diskutiert
    Meistgelesen
      Meistgelesen