«Das Gefängnis war eine Lektion für mich»
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Ehemaliger FCZ-Fan (20):«Das Gefängnis war eine Lektion für mich»

Zürcher Ali Abzaev war in der Südkurve, verprügelte auf der Strasse Gegner, kassierte Stadionverbot und sass im Knast
«Jetzt schlage ich nur noch im Ring zu»

Ali Abzaev (20) war früher FCZ-Anhänger, stand in der Kurve. Er geriet damals auf die schiefe Bahn: Er bewarf einen Polizisten mit einer Getränkedose, prügelte auf der Strasse, brach da einem Gegner den Kiefer. Stadionverbot, Knast. Jetzt sei er geläutert, betont er.
Publiziert: 29.11.2024 um 00:02 Uhr
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Aktualisiert: 29.11.2024 um 09:38 Uhr
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Ali Abzaev war als Jugendlicher FCZ-Fan und stand in der Südkurve.
Foto: Philippe Rossier
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Nicolas LuratiReporter News

Wenn am Samstag in Zürich das Derby ansteht, ist mit Zoff zu rechnen. Beobachter der Szene stellen fest: Die Gewalt verschiebt sich raus dem Stadion in die Stadt oder gar aufs Land. Die Derbys mutieren immer mehr zu Hochrisikospielen. Und: Ein Teil der verfeindeten Anhänger des FCZ und von GC sind gewaltbereiter geworden – auch gegen Unbeteiligte.

Einer, der früher nah dran war und als Jugendlicher für seinen FCZ in der Südkurve mitfieberte, ist Ali Abzaev (20) aus Horgen ZH. Der junge Mann ist ein Aussteiger und hat heute mit Fussball nicht mehr viel am Hut. Er gibt ein Einblick in sein Leben. Erzählt Blick offen über seine Verfehlungen. Und berichtet von seinen Träumen. 

So geladen wie die Stimmung in den Tagen vor dem Derby, so war auch Abzaev als Jugendlicher. Er war auf Zoff aus. Über die damalige Stimmung in der Südkurve meint er heute: «Die Atmosphäre fesselte mich.» Es ist auch eine Zeit, in der er in ein «falsches Umfeld» hineinrutscht, wie er es bezeichnet. Die Liste seiner unrühmlichen Kapitel: Getränkedose auf einen Polizisten geworfen. Stadionverbot. Strassenprügeleien. Schwere Körperverletzung. Knast. 

Der Reihe nach: Der gebürtige Tschetschene ist 15 Jahre alt, als er anfängt, in Zürich rumzuhängen. «Wir trafen uns am Wochenende am Bahnhof Stadelhofen. Eine Gruppe Jugendlicher – ich wollte dazugehören.» Was die Jungs verbindet: Sie sind Anhänger des FCZ. 

«Am Ende gewann ich jede Schlägerei»

An den Wochenenden am Stadelhofen quatschen die Jungs aber nicht nur über ihren Verein. Oft gibts Zoff mit anderen Teenagern. «Doch ich hatte einen klaren Kopf. Ich kiffe nicht, trinke keinen Alkohol, rauche nicht – das war schon immer so», sagt Abzaev. «Wenn es Stress gab, war deshalb ich der Idiot, der es klären musste.» Ali Abzaev betreibt schon damals Kampfsport. Und bestreitet Wettkämpfe. Zu den Strassenkämpfen meint er: «Ich war nüchtern. Und hatte Fähigkeiten, die meine Gegner nicht hatten. Ich kassierte zwar immer wieder Schläge, aber am Ende gewann ich jede Schlägerei.»

Die Stadelhofen-Gruppe will aber nicht nur Rambazamba auf der Strasse. Sondern auch Action im Stadion. «Also gingen wir in die Südkurve, die FCZ-Fankurve», berichtet Abzaev. «Wir waren etwa 15 Leute. Alle Fans, doch keiner gehörte einer Gruppierung der Südkurve an.» 

Die Stimmung in der Kurve steckt den Tschetschenen sofort an. «Es war brutal geil», erinnert er sich zurück. «Keiner ist am Handy. Man saugt alle realen Eindrücke auf. Fangesänge, die Choreos – Wahnsinn. Ich war begeistert, Teil von etwas Grösserem.» Abzaev stellt klar: «Ja, ich wollte, dass der FCZ gewinnt. Aber es ging mir in der Kurve nicht um die Fan-Rivalität zu GC. Ich wollte mit Freunden zusammen sein. Und die Atmosphäre geniessen.»

Während er im Stadion der Geniesser war, schlug Abzaev ausserhalb über die Stränge. Er erzählt: «Nach einem Derby waren wir am Hauptbahnhof. Es gab Zoff zwischen anderen Jugendlichen.» Das Polizeiaufgebot sei riesig gewesen, erinnert sich der Zürcher. «Plötzlich habe ich eine Redbull-Dose auf einen Polizisten geworfen. Sie identifizierten mich später auf Kamera. Ich wurde angezeigt und einvernommen.» Abzaev kassiert ein Stadion- und Rayonverbot. «Denn sie dachten, ich sei in einer Fan-Gruppierung gewesen.» Das Stadionverbot laufe immer noch, betont Abzaev. 

Verfolgungsjagd mit der Polizei

Nicht die einzige Eskapade: «Einmal schlug mir ein Gleichaltriger eine Faust ins Gesicht», erzählt er von einer Strassenschlägerei. «Ich schlug gezielt zurück. Und brach ihm den Kiefer.» Und: «Mit der Polizei lieferte ich mir eine Verfolgungsjagd. Ich haute vor ihnen mit dem Töff ab – ohne Führerschein.» Dazu kamen ein paar weitere Körperverletzungen. 

Fazit: Abzaev landet im Knast. Und kassiert eine Wettkampfsperre. «Man darf als Kampfsportler seine erlernten Fähigkeiten nicht auf der Strasse anwenden. Das hatte ich aber getan. Ich bereue es zutiefst.»

Sechs Monate schmort der damals 16-Jährige im Gefängnis, wie er berichtet. «Knast ist scheisse. Es ist nichts für junge Leute.» Das Schlimmste: «Ich durfte nur zweimal pro Woche je zehn Minuten mit meinen Eltern telefonieren. Sehr wenig für einen Jungen, der seine Eltern über alles liebt.» 

Doch das sei alles Vergangenheit, betont Abzaev. «Jetzt verprügle oder attackiere ich keine Leute mehr auf der Strasse, flüchte nicht mehr vor der Polizei. Kurz: Ich mache heute keinen Scheiss mehr.» Erst mit den Jahren habe er gemerkt, dass auf der Strasse zuschlagen falsch ist. «Wenn du es nicht mit Worten lösen kannst, löst du es mit den Fäusten – ein Zeichen von Schwäche.»

Fokus auf Kampfsport

Auch habe er sich von den Jungs aus der Stadelhofen-Zeit distanziert. «Ich interessiere mich nicht mehr so stark für Fussball.» Stattdessen konzentriere er sich jetzt voll auf den Kampfsport. «Ich schlage nur noch im Ring zu. Ich mache Kickboxen, Muay Thai, Ringen, Boxen.» 

Ihm gefalle es, dass er dank des Kampfsports ein «völlig neues Level an Disziplin» erreicht habe. «Du lässt beim Training, Sparring oder beim Kampf alles liegen – Frust oder sonstige Emotionen können raus.» 

Aktuell arbeitet er temporär als Stromer. «In ein paar Jahren will ich mit dem Kampfsport Geld verdienen und meine Familie ernähren können.» Sein Ziel: «In der Kampfsportart MMA (Mixed Martial Arts) Karriere machen.»

Dass am Samstag das Zürcher Stadtderby steigt, hatte Ali Abzaev nicht auf dem Schirm. «Ich hätte nämlich an diesem Tag einen Kampf gehabt. Aber mein Gegner zog sich zurück.» Jetzt fokussiere er sich auf den nächsten Fight. Dieser soll am 7. Dezember in Uster ZH stattfinden, erklärt er. Dazwischen findet ein weiteres Stadtderby statt: Am Dienstag heisst die Affiche im Cup GC-FCZ. 

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