«Kann nicht sein, dass man wieder von Täterschutz spricht»
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Opfer über Angriff:«Kann nicht sein, dass man wieder von Täterschutz spricht»

Aargauer Beat S. (44) wurde am Bahnhof Zürich von IV-Bezüger Mario T. (34) Fuss gebrochen
«Der vorbestrafte Täter muss nicht mal in den Knast!»

Ein Vorfall am Zürcher Hauptbahnhof endete für Eventmanager Beat S. (44) mit einem gebrochenen Fuss. Der betrunkene Angreifer Mario T. (34) erhielt nur eine Geldstrafe, obwohl er vorbestraft war. Beat S. kritisiert im Blick das Urteil und fordert eine Gesetzesänderung.
Publiziert: 00:00 Uhr
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Opfer Beat S. (44) muss mehrere Wochen zu Hause bleiben.
Foto: Ralph Donghi

Darum gehts

  • IV-Bezüger pöbelt Frauen an, greift Eventmanager an und bricht dessen Fuss
  • Täter erhält Geldstrafe, muss aber trotz Vorstrafe nicht ins Gefängnis
  • Opfer erleidet Arbeitsausfall von sechs Wochen und Verlust im fünfstelligen Bereich
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Beat S.* (44) aus Muri AG schüttelt den Kopf. «Ein IV-Bezüger, der mit über 2 Promille Alkohol intus Frauen anpöbelte, wollte das Gelände im Bahnhof Zürich nicht verlassen», so der selbstständige Eventmanager im Gespräch mit Blick. «Jetzt sitze ich mit einem gebrochenen Fuss zu Hause. Und er, der vorbestraft ist, muss nicht mal in den Knast! Das kann es doch nicht sein.»

Passiert ist der Vorfall am 12. September, circa 20 Uhr, am Hauptbahnhof Zürich. «Ich war dort Projektleiter eines Street-Food-Events», erzählt Beat S. Ein «stark betrunkener» Gast, Mario T.** (34) aus der Ostschweiz, habe dort «Frauen angepöbelt», etwas zu stehlen versucht und das Areal nicht verlassen wollen. «Ich wollte ihn rausbegleiten. Nur: Ich habe ihn völlig unterschätzt.»

«Er riss an mir und warf mich zu Boden»

Mario T. greift an. «Er riss an mir, warf mich zu Boden und fiel dabei auf meinen linken Fuss», sagt Beat S. Die Bahnsicherheit ist rasch da und will eine Personenkontrolle durchführen. Doch Mario T. widersetzt sich, schmettert eine Bierflasche vor die Füsse der Sicherheitsleute und schlägt beim Abtransport auch noch mit beiden Beinen gegen sie. Beat S. muss mit dem Krankenwagen ins Spital. Sein Fuss ist gebrochen.

Am nächsten Tag erlässt die Zürcher Staatsanwaltschaft im Schnellverfahren einen Strafbefehl gegen Mario T. Er habe sich der Gewalt oder Drohung gegen Behörden oder Beamte, einfacher Körperverletzung und Tätlichkeiten schuldig gemacht. Bestrafung: eine unbedingte Geldstrafe von 4500 Franken und eine Busse von 400 Franken.

Auf der anderen Seite hat Beat S. jetzt einen Arbeitsausfall von «mindestens sechs Wochen», wie er sagt. Bei mehreren Events könne er nun nicht mehr mittun. Eine Summe «im fünfstelligen Bereich» gehe ihm flöten. Klar sei er versichert, aber das Geld decke den Ausfall nie. Andere Kosten, wie beispielsweise den Krankenwagen, muss Beat S. zudem selber bezahlen.

«Er kann die Strafe wohl gar nicht bezahlen»

Beat S. hat eine Wut im Bauch, denn: «Ins Gefängnis muss der Täter nicht!» Dies, obwohl der Mann im Juli 2022 eine bedingte Gefängnisstrafe von sieben Monaten erhalten hatte – und somit vorbestraft ist.

«Als IV-Bezüger kann er die Geldstrafe und die Busse ja wohl gar nicht bezahlen.» Er sei «enttäuscht» über das Urteil. Und: Man habe ihm gesagt, man könne auf dem zivilen Weg klagen, aber: «Mein Anwalt und auch die Opferhilfe sagten mir bereits, dass bei ihm eh nichts zu holen sei.»

Was Beat S. sauer aufstösst: «Mario T. verbreitet weiterhin öffentlich Videos, in denen er sein Leben feiert.» Aktuell sei der Angreifer in den Ferien. Beat S. fordert, dass etwas gemacht wird: «Ich glaube, es braucht eine Gesetzesänderung. Es kann nicht sein, dass der Täter wieder mal geschützt wird und das Opfer, das Steuern und Versicherungen zahlt, einfach auf den Kosten sitzenbleibt.»

Staatsanwaltschaft verweist auf Politik

Auf Anfrage sagt die Zürcher Staatsanwaltschaft: «Ob Geldstrafen für vorbestrafte Beschuldigte künftig abgeschafft werden sollen, ist eine politische Frage.» Die Staatsanwaltschaft könne diese nicht beantworten. Aktuell gelte in der Schweiz: Bei Strafen unter sechs Monaten gibt es eine Geldstrafe. Wer eine Geldstrafe nicht zahle, müsse ersatzweise ins Gefängnis.

Aufgrund des Persönlichkeitsschutzes will die Staatsanwaltschaft nicht näher auf den konkreten Fall eingehen. Aber: «Generell gilt gemäss derzeitiger Rechtslage, dass sich Strafzumessungen nicht einzig nach Vorstrafen bemessen.» Der Strafbefehl ist noch nicht rechtskräftig, es gilt die Unschuldsvermutung. 

«Was geschehen ist, tut mir sehr leid»

Und was sagt der Angreifer vom Hauptbahnhof? Gegenüber Blick gibt sich Mario T. am Telefon reuig. An die Geschehnisse des 12. September kann er sich kaum erinnern. Die Lebenssituation des IV-Bezügers ist problematisch. Er ist schwer alkoholkrank und liess sich schon mehrmals in einer Entzugsklinik behandeln – erfolglos. Bezeichnend für seinen schwierigen Lebenswandel ist auch dieser Satz: «Ich wollte eigentlich länger als eine Nacht im Knast bleiben. Aber ich durfte nicht.»

Gegenüber Beat S. bittet er um Entschuldigung: «Was geschehen ist, tut mir sehr leid. Ich werde versuchen, mich zu bessern.» Er bietet dem Geschädigten eine persönliche Entschuldigung und ein Gespräch an. Gemäss eigenen Angaben ist Marco T. zum Zeitpunkt des Gesprächs mit Blick seit über einer Woche nüchtern. Er verbringt gerade Ferien mit seiner Familie. Dass er ein Problem hat, ist ihm bewusst: «Ich habe es übertrieben.»

* Name bekannt
** Name geändert 

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